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Zur Umweltgeschichte der Schießpulverproduktion in der Habsburgermonarchie
die Auswirkungen der frühneuzeitlichen Salpeterherstellung auf die Bodenfruchtbarkeit von Agrarökosystemen
Dino Leon Güldner
Art der Arbeit
Diplomarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Betreuer*in
Verena Winiwarter
DOI
10.25365/thesis.25825
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-29123.70881.146460-4
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Abstracts
Abstract
(Deutsch)
Die Habsburgermonarchie hatte aufgrund ihrer zahlreichen Feldzüge eine konstante und signifikante Nachfrage nach Schießpulver. Schießpulver ist ein Gemisch, bestehend aus Kaliumnitrat (Salpeter), Schwefel und Kohle. Die Nitrate zur Herstellung des Salpeters wurden ursprünglich in Ställen im ganzen Land gesammelt. Dort waren sie durch die Zersetzung der tierischen Abfälle in den Stallböden entstanden oder sie blühten in ihrer Reinform an den Stallwänden aus.
Im Laufe des 18. Jahrhunderts setzten im Salpetergewerbe proto-industrielle Prozesse ein, welche auf die verbesserte und effizientere Produktion von Salpeter abzielten, indem man nitratreiche Erden aus verschiedensten organischen Abfällen herstellte. Setzte man zuvor auf die natürlichen Prozesse der Nitrat-Mineralisation in den stickstoffreichen Schauplätzen der Landwirtschaft wie den Ställen, Scheunen und Mistplätzen, ging man nun zusehends dazu über die Nitrate künstlich auf privaten und staatlich finanzierten Salpeter-Plantagen zu „ziehen“. Auf lange Sicht verfolgte man mit dieser Strategie die Absicht, eine konstante Zufuhr von Schießpulver in größeren Mengen sicherzustellen. Mit dieser Produktionsform sollte die Landwirtschaft gleichzeitig entlastet werden, da das Nitrat einen essentiellen Nährstoff für das Pflanzenwachstum darstellt. Im Zuge dieser Umstellung wurde nach und nach ein älteres semi-nomadisches Produktionssystem durch eine zentral gesteuerte Produktion unter direktem militärischen Befehl ersetzt.
Die Diplomarbeit zeichnet die Organisation des frühneuzeitlichen Salpeterwesens in der Habsburgermonarchie nach, versucht die Auswirkungen einer Entnahme nitratreicher Materialien aus den lokalen Agrar-Ökosystemen abzuschätzen und diskutiert die zunehmende Zentralisierung der Produktion. Zentrales Erkenntnisinteresse ist die Frage, ob die Produktion des Salpeters und die dadurch verursachte Entnahme von Nährstoffen eine Auswirkung auf die agrarische Produktivität und die Bodenfruchtbarkeit von Agrarökosystemen hatte? War diese Produktion "nachhaltig" organisiert? Wodurch war dieses Gewerbe eingeschränkt?
Der Nährstoffentzug durch die Salpeterproduktion konnte anhand eines konkreten Fallbeispiels im nordburgenländischen Raum für den Stickstoff quantifiziert werden. Die Produktion des Salpeters um 1780 nahm dabei beträchtliche Ausmaße an und entsprach bis zu einem Viertel des mit dem Getreide dem Boden entzogenen Stickstoffs. Neben diesem beträchtlichen Verlust an Nährstoffen für das Agrarökosystem konnte gezeigt werden, dass für ein nomadisch operierendes Salpetergewerbe die Verfügbarkeit von Arbeitskräften mindestens so entscheidend war wie die theoretische Verfügbarkeit von Nährstoffen: Stickstoff war vorhanden, er konnte aber aus einem Mangel an Arbeitskräften nicht eingesammelt werden.
Abstract
(Englisch)
The Habsburg Monarchy with its various military campaigns had a constant and significant demand for gunpowder. Gunpowder is a mixture consisting of potassium nitrate (saltpeter), sulfur and charcoal. The nitrates, which are needed to produce the saltpeter, were originally collected from stables all around the country. There they could be found in the barns soil, due to the decomposition of animal wastes, or on the stable walls, where they bloomed in their pure form.
In the course of the 18th century, proto-industrial processes were employed, which aimed for an enhanced and more efficient way to produce saltpeter from nitrate-rich soils, “grown” from various organic resources. Relying only on the natural process of nitrate mineralization in agrarian settings rich in organic wastes, such as stables, barns and manure heaps, new approaches to grow nitrate artificially on private and state-funded saltpeter-plantations had been undertaken. On the long run this strategy was aimed at providing a consistent supply of gunpowder on a larger scale, at the same time it relieved the agrarian systems, as nitrate is a nutrient crucial to plant growth. Therefore the older semi-nomadic system of production was gradually substituted by a more centrally controlled production under direct military command.
The thesis-paper traces the organization of saltpeter production throughout the provinces of Austria and Hungary, tries to estimate the impact of the removal of nutrients on local agro-ecosystems and discusses the evolution of an increasingly centralized control of the production. Did saltpeter production and the removal of nutrients caused by it lead to a demise of soil fertility and agricultural yields? Was it "sustainable"? Where did the constraints of the system lie?
In a concrete case study for the northern Burgenland the nutrient removal by the production of saltpeter could be quantified for nitrogen. Around 1780 the production of saltpeter took considerable proportions and corresponded to a quarter of the amount of nitrogen, which had been removed from the soil by crops.
It turns out that, given a swidden system of saltpeter production, labor availability proved to be a limit at least as important as theoretical nutrient availability: Nitrogen was out there, but could not be harvested due to a lack of manpower.
Schlagwörter
Schlagwörter
(Englisch)
Nitrogen Saltpeter Soil Fertility Social Metabolism Agriculture Military
Schlagwörter
(Deutsch)
Stickstoff Salpeter Bodenfruchtbarkeit Gesellschaftlicher Stoffwechsel Landwirtschaft Militär
Autor*innen
Dino Leon Güldner
Haupttitel (Deutsch)
Zur Umweltgeschichte der Schießpulverproduktion in der Habsburgermonarchie
Hauptuntertitel (Deutsch)
die Auswirkungen der frühneuzeitlichen Salpeterherstellung auf die Bodenfruchtbarkeit von Agrarökosystemen
Paralleltitel (Englisch)
The Environmental History of Gunpowder Production in the Habsburg Monarchy
Publikationsjahr
2013
Umfangsangabe
270 S. : Ill., graph. Darst., Kt.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Verena Winiwarter
AC Nummer
AC10712885
Utheses ID
23064
Studienkennzahl
UA | 312 | | |