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Niko Nardelli - Österreichs Statthalter in Dalmatien 1906 - 1911
ein "politischer Beamter" im Spannungsfeld von Zentralmacht und Landesinteressen
Wolfgang Pav
Art der Arbeit
Dissertation
Universität
Universität Wien
Fakultät
Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Betreuer*in
Alojz Ivanisevic
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Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.11678
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-29326.54467.250962-1
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)

Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Niko Nardelli war in der mehr als hundertjährigen Geschichte der Zugehörigkeit Dalmatiens zur Habsburgermonarchie der einzige zivile Statthalter dieses Kronlandes, der selbst aus Dalmatien kam. Er stammte aus einer bürgerlichen Familie, wurde 1857 in Dubrovnik geboren und starb dort 1925. In der Zeit von 1906 bis 1911 war er österreichischer Statthalter in der damaligen dalmatinischen Hauptstadt Zara (Zadar). Nardelli war perfekt dreisprachig, er hatte Kroatisch als Muttersprache, in der Mittelschule Italienisch als Unterrichtssprache und studierte (in Deutsch) Jus an der Universität Graz. Er trat 1881 in den politischen Staatsdienst bei der Statthalterei in Zadar ein und arbeitete sich dort mit Fleiß, Geschick, Diplomatie und Fachwissen bis an die Spitze vor. 1905 übernahm er die Leitung der Statthalterei, 1906 wurde er vom Kaiser auf Vorschlag des österreichischen Ministerpräsidenten zum Statthalter ernannt. Er stand damit als Repräsentant des Kaisers und als Vertreter der österreichischen Regierung an der Spitze des zweitärmsten Landes der Habsburgermonarchie. Das Land war von der Regierung Jahrzehnte lang finanziell vernachlässigt worden, hatte kaum Industrie, keine Bahnverbindung zur übrigen Monarchie, veraltete Methoden in der Landwirtschaft, keine modernen konkurrenzfähigen Schiffe. Die Rückständigkeit in der Wirtschaft und bei der Bildung (es gab bis zu 80 Prozent Analphabeten) führte dazu, daß viele junge Männer auswanderten. Im Land selbst gab es zahlreiche Konflikte zwischen Kroaten, Serben und Italienern. Amtssprache war Italienisch. Nardelli hatte als „politischer Beamter“ (der jederzeit von seinem Posten abberufen werden konnte) in zwei Richtungen zu agieren: einerseits mußte er (als Beamter) Weisungen aus Wien in die Praxis umsetzen und die Politik der Regierung gegenüber dem Land vertreten, andererseits war er natürlich auch Landeschef, also die oberste politische Instanz im Land (auch wenn er in dieser Funktion nicht durch demokratische Wahlen legitimiert war) und als solcher bemüht, dem Land und seinen Bewohnern zu nützen. In der vorliegenden Arbeit wurde untersucht, wie sich Nardelli in diesem Spannungsfeld zwischen Wien und Zadar bewegt hat, wo er mehr als ausführendes Organ der Wiener Regierung agiert hat und in welchen Bereichen er mehr als oberster Landesherr aufgetreten ist. Was er für das Land erreicht hat und wo er erfolglos blieb. Und es wurde auch versucht, den Menschen Nardelli und seine Eigenschaften darzustellen. Es hat sich gezeigt, daß Nardelli in den großen politischen Bereichen des ersten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts überwiegend „hoher Beamter“ war. Im Vorfeld des sogenannten „Neuen Kurses“ und der Resolution von Fiume (Rijeka) trat er vehement gegen die Exponenten dieser kroatisch-serbisch-ungarischen Verständigung auf, vor den Reichsratswahlen 1907 versuchte er in einigen Fällen in die Kandidatenaufstellung einzugreifen und die Wahl von Josip Smodlaka verhinderte er durch einen Gegenkandidaten. Im Zuge der Annexionskrise 1908/1909 agierte Nardelli als umsichtiger Beamter ganz im Sinn der Wiener Regierung. In jenen Bereichen, die vorwiegend Dalmatien betrafen und in denen Nardelli eher als politischer Landeschef agierte, konnte er einige Erfolge für das Land erzielen. In seiner Amtszeit wurde von der Wiener Regierung ein Programm zur wirtschaftlichen Hebung Dalmatiens ins Leben gerufen, damit konnten Strukturverbesserungen finanziert werden (Straßenbau, Hafenausbauten, Trockenlegung von Sümpfen und damit Zurückdrängung der Malariaerkrankungen, Schulbauten, Entwicklung des Fremdenverkehrs). Die heftigen Konflikte zwischen den Kleinbauern (Kolonen) und der Grundbesitzern konnte er durch Kompromissvorschläge eindämmen. Die Bahnverbindung zur Monarchie konnte er nicht erreichen, weil diese durch die ungarische Reichshälfte verhindert wurde. Der größte Erfolg von Statthalter Nardelli war die Einführung der kroatischen Amtssprache in Dalmatien. Die dafür notwendige Einigung der Parteien in Dalmatien hatte er in zähen Verhandlungen vorbereitet und die Vorschläge dann in Wien durchgesetzt. Die praktische Umsetzung dieser Verordnung am 1. Jänner 1912 erlebte Nardelli aber bereits im Ruhestand. Im Jahr zuvor war Nardelli in den Adelsstand erhoben worden. Dass Nikolaus Freiherr von Nardelli bereits mit 54 Jahren in Pension ging, hatte einerseits mit seiner angegriffenen Gesundheit zu tun, andererseits waren dafür auch politische Gründe ausschlaggebend. Nardelli war kein Freund der Klerikalen Bewegung (die vom Kreis um Thronfolger Franz Ferdinand unterstützt wurde) und stand deren Aufstieg zu einer Regierungspartei im Weg. Mit seinem Rücktritt kam er einer möglichen Abberufung durch Wien zuvor. In Dalmatien und auch in seiner Geburtsstadt Dubrovnik ist der ehemalige Landeschef heute (knapp 100 Jahre nach seinem Rücktritt und 85 Jahre nach seinem Tod) nahezu völlig in Vergessenheit geraten.
Abstract
(Englisch)
For more than a hundred years Dalmatia was part of the Habsburg-monarchy. During that time Niko Nardelli was the only civil representative of this crown-land who was himself Dalmatian. He came from a middle-class family and was born in Dubrovnik in 1857, where he died in 1925. From 1906 to 1911 he was the Austrian governor in the former Dalmatian capital Zara (Zadar). Nardelli was perfect in three languages. Croatian was his mother-tongue. The educational language in school was Italian. He studied law at the university Graz in German. In 1881 he started his career as a civil servant in the political department at the Dalmatian governorship in Zadar. There he worked his way to the top through diligence, diplomatic skill, diplomacy and profound knowledge. In 1905 he became head of the governorship. In 1906 he was officially appointed as Governor by the Emperor on proposition of the Austrian Prime Minister. In this position he was representative of the Emperor and executive of the Austrian government at the head of the poorest country but one in the Habsburg-monarchy. The land had been financially neglected by the central government for decades. There was hardly any industry, no railway-connection to the rest of the monarchy, antiquated agricultural methods and no modern competitive vessels. The backwardness of economy and education (there was up to 80 p.c. analphabetism) lead to the emigration of many young people. In the country itself there were numerous ethnical conflicts between Croatian, Serbs and Italian. The official language was Italian. As a political executive (who could be recalled from this position at any time) Nardelli had to act in two directions: on the one hand he had to execute orders from Vienna and to represent the politics of the central government in the country, on the other hand of course he was head of this country and as such the highest political power in Dalmatia (although he was not legitimated by elections). In this function he made great efforts to promote the land and its inhabitants. This thesis researches tension and stress in which Nardelli moved between Vienna and Zadar. It shows where he acted as executive of the Vienna government and where on the other hand he acted as head of the country, where he succeeded and where he didn’t. This is also an attempt to portray the man and his character. It appears, that in the big political questions within the first decade of the 20th century Nardelli was mainly the “high official”. In the development of the so called “new course” and the “resolution of Fiume” (Rijeka) he vehemently opposed to the exponents of this Croatian – Serbian – Hungarian agreement. Before the elections to the “Reichsrat” in Vienna 1907 he tried to interfere with the nominations of some of the candidates and he prevented the election of Josip Smodlaka by nominating a rival candidate. In the course of the “annexation – crisis” 1908/1909 Nardelli acted prudently and in accordance with the Vienna government. In the fields mainly concerning Dalmatia Nardelli acted quite effectively as head of the country. During his administration a program to raise the economic standard in Dalmatia was introduced by the Vienna government to finance structural improvements (e.g. construction of roads and ports, draining of marshes to repress malaria, building of schools and development of tourism). He was able to assuage the vehement conflicts between small peasants (“coloni”) and big proprietors by successfully compromising. He did not succeed with the railway-connection to the monarchy because this was impeded by the Hungarian part of the empire. Nardelli’s biggest success was the introduction of Croatian as official language in Dalmatia. He reached the necessary consent of the different parties in Dalmatia by tenacious negotiations and then carried through the propositions in Vienna. The actual achievement of this regulation on January 1st 1912 Nardelli saw in retirement. The year before Nardelli had been ennobled. Baron Nikolaus von Nardelli retired at the age of 54 mainly for two reasons: his weak health on the one hand and political reasons on the other hand. Nardelli was no adherent of the clerical movement, which was supported by crown prince Franz Ferdinand and his circle and he was in the way of their becoming a party in power. By resigning Nardelli prevented a possible recall by Vienna. A hundred years after his resignation and 85 years after his death the former governor of the country is almost forgotten in Dalmatia and his birthplace Dubrovnik.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Englisch)
Nardelli Dalmatia representative of the crownland elections to the Reichsrat 1907 annexation-crisis economic program for Dalmatia Croatian as official language in Dalmatia Colonat clerical movement bishop Dvornik glagolica-conflict Smodlaka
Schlagwörter
(Deutsch)
Nardelli Dalmatien Statthalter Reichsratswahlen 1907 Annexionskrise Programm zur wirtschaftlichen Hebung Dalmatiens kroatische Amtssprache /Kolonat klerikale Partei Bischof Dvornik Glagolica-Konflikt, Smodlaka
Autor*innen
Wolfgang Pav
Haupttitel (Deutsch)
Niko Nardelli - Österreichs Statthalter in Dalmatien 1906 - 1911
Hauptuntertitel (Deutsch)
ein "politischer Beamter" im Spannungsfeld von Zentralmacht und Landesinteressen
Publikationsjahr
2010
Umfangsangabe
247 S.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*innen
Alojz Ivanisevic ,
Arnold Suppan
Klassifikationen
15 Geschichte > 15.06 Politische Geschichte ,
15 Geschichte > 15.09 Wirtschaftsgeschichte ,
15 Geschichte > 15.36 Europäische Geschichte 1815-1914 ,
15 Geschichte > 15.70 Balkanstaaten
AC Nummer
AC08308890
Utheses ID
10536
Studienkennzahl
UA | 092 | 312 | |
Universität Wien, Universitätsbibliothek, 1010 Wien, Universitätsring 1