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Ein Leitfaden zur sozialen Verantwortung von Unternehmen im "indischen" Kontext
Inhalt und Umsetzung
Theresia Tschol
Art der Arbeit
Diplomarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Betreuer*in
Petra Dannecker
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Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.11686
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-29539.12933.627354-8
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)

Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Die vorliegende Diplomarbeit widmet sich der sozialen Dimension von Unternehmensverantwortung in Indien. Ziel war es, einen Leitfaden (Guidelines) für Unternehmen zu entwerfen, der alle relevanten sozialen Themen beinhaltet, die direkt oder indirekt von der wirtschaftlichen Tätigkeit von Unternehmen beeinflusst werden. Der Leitfaden sollte so umfassend als möglich sein, um keinen für Unternehmen bedeutenden sozialen Aspekt zu vernachlässigen. Darüber hinaus sollte eine gute Anwendbarkeit auf Unternehmensebene gegeben sein, die vorrangig durch entsprechende Hilfestellungen (Guidance) im Leitfaden-Dokument (Indikatoren o.ä.) realisiert wird. Weiters thematisierte die Diplomarbeit, wie die Effektivität eines solchen Leitfadens sichergestellt und eine breite Akzeptanz seitens verschiedener Interessensgruppen (stakeholder) gewährleistet werden kann. Diese Fragen wurden mit besonderer Berücksichtigung des „indischen“ Kontext beantwortet. Ein sechsmonatiger Praktikums- und Forschungsaufenthalt in Neu Delhi lieferte wertvolles empirisches Material in Form von qualitativen Interviews, die nach der Methode der Grounded Theory ausgewertet wurden. Eine ausführliche Analyse der für Unternehmen in Indien relevanten sozialen Dimensionen brachte folgende Prinzipien (Principles) hervor, die in einen Leitfaden für soziale Verantwortung Eingang finden sollten: Ein Leitfaden für Unternehmen im “indischen” Kontext Die zu berücksichtigenden Prinzipien sind nach Themenkategorien geordnet: Umsiedlungsmaßnahmen im Zuge von Großprojekten Vermeidung bzw. Minimierung von Landbeschaffung in Verbindung mit unfreiwilliger Umsiedlung; Minderung negativer sozialer Auswirkungen durch: - Finanzielle Wiedergutmachung und Wiederherstellung der Existenzgrundlage und einem mindestens gleichwertigen Lebensstandard für die betroffenen Gemeinden - Gewinnbeteiligung - Eine angemessene Informationspolitik und die Einbeziehung der Gemeinde in allen Projektphasen - Einen Beschwerde- und Streitschlichtungsausschuss - Zusammenarbeit mit lokalen zivilgesellschaftlichen Organisationen - Die Integration der Umsiedlungsproblematik und somit der Interessen betroffener Gemeinden in das Kerngeschäft des Unternehmens Berücksichtigung von Auswirkungen auf die ansässige Bevölkerung - Konsultation der Anrainer und Mitwirkung dieser bei weitreichenden Unternehmensaktivitäten - Sicherstellen des Zugangs zu Wasser und anderen für die Anwohner essentiellen Ressourcen - Bereitstellung von Arbeitsplätzen und Aus- bzw. Weiterbildungsmöglichkeiten für die lokale Bevölkerung - Berücksichtigung der Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung durch Maßnahmen für höhere Lebensqualität in Bereichen wie Gesundheit, Hygiene, Bildung etc. - Vermeidung der Ausbeutung natürlicher Ressourcen und anderer Aktivitäten mit negativen ökologischen Folgen Arbeit und Diskriminierung Die folgenden Prinzipien umfassen nicht nur eigene MitarbeiterInnen, sondern auch Arbeit in Zulieferbetrieben und Heimarbeit. - Bereitstellung von sicheren Arbeitsplätzen speziell für benachteiligte Mitglieder der Gesellschaft. - Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften zu Sozialversicherung und anderen Zuschüssen - Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften zu Versammlungsfreiheit und Kollektivverhandlungen - Transparenz bezüglich Arbeitsverträgen und Löhnen sowie Beschwerdeverfahren unter der Berücksichtigung für das Personal verständlicher Sprachen - Vermeidung von Kinder- sowie aller Arten der Zwangsarbeit, bezahlt oder unbezahlt, und Berücksichtigung dieser bei Zulieferbetrieben - Bekämpfung von Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Kaste, Religionszugehörigkeit, ethnischer Zugehörigkeit, Behinderung, Herkunft oder anderen Faktoren bei Rekrutierung und Anstellung von MitarbeiterInnen; Förderung von positiver Diskriminierung in Hinsicht auf benachteiligte Bevölkerungsgruppen, speziell was deren weibliche Mitglieder betrifft; kulturelle Sensibilität der ArbeiterInnen gegenüber und Anpassung von Maßnahmen zu Vielfalt und Chancengleichheit an den lokalen Kontext. - Bereitstellung von Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten auf nicht-diskriminierender Basis - Bereitstellung eines sicheren und sauberen Arbeitsplatzes sowie Aufenthalts- und Schlafräumen - Schutz vor Belästigung und Misshandlung - Zeitgerechte Bezahlung existenzsichernder Löhne - Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften bezüglich Arbeitszeiten und Gestaltung flexibler Arbeitszeitmodelle unter Beachtung der Work-Life Balance - Berücksichtigung der Arbeitsbedingungen in Zulieferbetrieben Konsumentenschutz - Einhaltung des Consumer Protection Act sowie sektor- bzw. produktspezifischer gesetzlicher Vorschriften (Standards of Weights and Measures Act, 1976 and Food Safety and Standards Act, 2005) und BIS (Bureau of Indian Standards) Qualitätsstandards - Schutz der KonsumentInnen vor schädlichen Auswirkungen von Produkten und Dienstleistungen - Transparenz bezüglich Produktinformationen unter Berücksichtigung der jeweiligen lokalen Sprachen. Am Verkaufsort müssen Informationen über Qualität, Quantität, Wirksamkeit, Reinheit und Preis des Produkts vorliegen. Vermeidung falscher oder missverständlicher Produktwerbung. Diese Prinzipien gelten insbesondere für lebensnotwendige Waren wie Wasser, Lebensmittel und Medikamente. - Sicherstellung der gerechten Verteilung lebensnotwendiger Waren, speziell in ländlichen Gebieten - Vermeidung restriktiver Handelspraktiken, wie Preismanipulation, Lieferverzögerung oder Kopplungsverkäufen zu Lasten der KonsumentInnen - Berücksichtigung und angemessene Bearbeitung von KonsumentInnenbeschwerden - Förderung der KonsumentInnenbildung zu Produktkategorien und ökologischen Auswirkungen; Förderung nachhaltigen Konsums in Zusammenarbeit mit öffentlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren Die Analyse der thematischen Kategorien zeigte, dass die primären Leidtragenden unverantwortlicher Unternehmenspraktiken jene Mitglieder der indischen Gesellschaft sind, die auch am wenigsten vom beeindruckenden indischen Wirtschaftswachstum in den letzten beiden Dekaden profitiert haben. Sie gehören meist niederen Kasten, „Unberührbaren“, ethnischen Minderheiten (tribals) oder der muslimischen Bevölkerung an und sind überdurchschnittlich von sozialer und wirtschaftlicher Diskriminierung betroffen. Verantwortungsvoll handelnde Unternehmen können dem entgegenwirken; dazu ist aber ein Wechsel vom weit verbreiteten philanthropischen Modell hin zum Stakeholder-Modell, welches die Einbeziehung aller Anspruchsgruppen eines Unternehmens vorsieht, nötig. Obwohl Letzteres an Bedeutung gewinnt, sind philanthropische Beweggründe noch immer die Hauptmotivation für soziale Aktivitäten. Diese Aktivitäten (beispielsweise Spenden für religiöse Zwecke) werden aber nicht im Rahmen des Kerngeschäfts durchgeführt und verändern somit auch nicht die Unternehmensprozesse. Ein Umdenken in dieser Hinsicht ist jedoch unabdinglich, will das Versprechen eines Wirtschaftswachstums, von dem breite Bevölkerungsschichten profitieren („inclusive growth“), eingelöst werden. Philanthropie hat in Indien historische bzw. kulturelle Wurzeln, die mit Vorstellungen des Hinduismus in Verbindung stehen und schon früh Einzug in Unternehmen hielten (ein Beispiel ist die Tata Gruppe). Recherchen für diese Diplomarbeit brachten die Vorstellung einer kulturell bedingten „förderlichen Grundeinstellung“ für soziale Unternehmensverantwortung in Indien hervor, die angesichts der großen Unsicherheit bezüglich des „Warum“ und „Wie“ von sozialer Verantwortung insbesondere bei Klein- und Mittelbetrieben (denen aufgrund ihrer Eingebundenheit in lokale Strukturen ein „natürliches“ Wissen um betriebliche soziale Verantwortung zugesprochen wird) hinterfragt werden muss. „Westliche“ Modelle von Unternehmensverantwortung können freilich nicht einfach übernommen werden. Im Rahmen der Forschung kam die Frage der Bedeutung von international anerkannten Standards (z.B. ILO-Kernarbeitsnormen) versus eigenen, „indischen“ Prinzipien auf. Nach eingehender Analyse kann hier der Schluss gezogen werden, dass es auf die Ebene ankommt, auf der die beiden relevant werden. Ein Leitfaden für soziale Unternehmensverantwortung kann sich auf generischer Ebene sehr wohl auf internationale Standards (wie zu Menschenrechten) beziehen. Auf Umsetzungsebene jedoch benötigt es statt genereller Richtlinien spezifische Prinzipien und Handlungsanleitungen, die dem jeweiligen sozio-kulturellen oder auch sektorspezifischen Kontext gerecht werden. Dies trägt in hohem Maß zur Legitimation und Anwendbarkeit eines Leitfadens bei, aber auch zu dessen Glaubwürdigkeit. Letztere hängt stark mit den in die Entwicklung involvierten Akteuren zusammen, wobei ein Interessenausgleich angestrebt werden soll. Um die Verbreitung und Umsetzung eines Leitfadens zu forcieren, genügt die Erfüllung von Qualitätskriterien jedoch nicht. Die Publikation eines „indischen“ Leitfadens zu sozialer Verantwortung muss von einer Reihe an Maßnahmen begleitet werden: Von Bewusstseinsbildung und Anreizen für die betriebliche Umsetzung über Schulungen und capacity building für Klein- und Mittelbetriebe nicht nur im formellen Sektor. Eine weitere Voraussetzung für die Verbreitung sozial verträglicher Unternehmenspraktiken ist die Zusammenarbeit verschiedener Interessengruppen (multi-stakeholder approach). Angesichts des steigenden öffentlichen Drucks mit der Forderung eines nachhaltigeren Wirtschaftswachstums gibt es für Unternehmen und NGOs, Interessensvertretungen auf beiden Seiten sowie Regierungsorganisationen kaum eine Alternative zum Einsetzen der jeweiligen Stärken und einem Voneinander-Lernen.
Abstract
(Englisch)
Guidelines on Social Responsibility for businesses operating in the Indian context can be one important element of making the Indian economy more “inclusive”, provided that they are comprehensive, credible and practical for companies to use. The present thesis compiles all relevant social issues businesses in the Indian context face and devises Principles for companies under the headings of Displacement, Resident Communities, Labour and Discrimination and Consumer Issues. International standards (such as ILO norms) provide helpful input at a generic level. At the level of implementation, however, the inclusion of specific guidance is vital for Guidelines to be deemed relevant and useful. Socio-cultural and sectoral particularities need to be taken into account. It has been found that disadvantaged members of the Indian society – people discriminated against on grounds of caste, religion or ethnic origin – suffer disproportionately from irresponsible behaviour of companies and thus require special attention. In order to have a positive impact, the publication of Guidelines must be accompanied by awareness raising activities, incentives for adhering to the Guidelines and relevant training especially for small and medium enterprises in the formal as well as the informal sector. Philanthropy, which does not imply the reshaping of business practices, remains the main driver for so-called “CSR” activities. Given the widespread confusion on why and how to deal with social responsibility in a more “integrated” sense, a suggested “natural” grasp of company owners in India on acting socially responsible due to cultural reasons cannot be confirmed. The dissemination of Guidelines takes a concerted effort of different stakeholders in light of growing pressure for a more sustainable, “inclusive” growth.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Englisch)
CSR Social Responsibility India Social Standards
Schlagwörter
(Deutsch)
CSR Unternehmensverantwortung Indien Sozialstandards
Autor*innen
Theresia Tschol
Haupttitel (Englisch)
Ein Leitfaden zur sozialen Verantwortung von Unternehmen im "indischen" Kontext
Hauptuntertitel (Englisch)
Inhalt und Umsetzung
Paralleltitel (Englisch)
Social responsibility guidelines for businesses in the "Indian" context ; content and implementation
Publikationsjahr
2010
Umfangsangabe
129 S. : graph. Darst.
Sprache
Englisch
Beurteiler*in
Petra Dannecker
Klassifikationen
70 Sozialwissenschaften allgemein > 70.99 Sozialwissenschaften allgemein: Sonstiges ,
70 Sozialwissenschaften allgemein > 70.99 Sozialwissenschaften allgemein: Sonstiges
AC Nummer
AC08762857
Utheses ID
10541
Studienkennzahl
UA | 057 | 390 | |
Universität Wien, Universitätsbibliothek, 1010 Wien, Universitätsring 1