Detailansicht

Bewirtschaftung oder Sukzession hin zur Wildnis?
vegetationsökologische Untersuchung und naturschutzfachliche Bewertung brachgefallener und bewirtschafteter Flächen auf der Kallbrunnalm (Salzburg) und der Rossalm (Oberbayern)
Daniel Wuttej
Art der Arbeit
Masterarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Fakultät für Lebenswissenschaften
Betreuer*in
Georg Grabherr
Volltext herunterladen
Volltext in Browser öffnen
Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.12541
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-16428.15153.165027-9
Link zu u:search
(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)

Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Die Nutzungsaufgabe von extensiv bewirtschafteten Almweiden und Bergmähdern wird häufig als Bedrohung für die Artenvielfalt gesehen. Die vorliegende Arbeit untersucht zwei Almen, auf denen brachgefallene und bewirtschaftete Flächen direkt aneinandergrenzen. Ziel der Arbeit ist es herauszufinden, wie sich die Vegetation auf Almen und Bergmähdern nach Nutzungsauflassung verändert und wie eine solche Entwicklung aus naturschutzfachlicher Sicht zu bewerten ist. Es wurden insgesamt 72 Vegetationsaufnahmen gemacht. Zusätzlich wurde eine flächendeckende Vegetationskartierung des Gebietes vorgenommen. Die Sukzessionsserien der wichtigen Vegetationstypen wurden dargestellt, indem aus einem räumlichen Nebeneinander auf ein zeitliches Nacheinander geschlossen wurde. Da sich beide Almen unterhalb der potentiellen Waldgrenze in der subalpinen Stufe befinden, ist die Entwicklung hin zu Subalpinen Wäldern und Krummholzbeständen zu erwarten. Um die Geschwindigkeit der Rückeroberung durch Baum- und Gebüscharten zu dokumentieren, wurden historische Luftbilder mit aktuellen Orthofotos verglichen. Das Untersuchungsgebiet Rossalm befindet sich in den Chiemgauer Alpen in Bayern. Es liegt im Naturschutzgebiet Geigelstein und ist Teil des europaweiten Natura 2000-Schutzgebietsnetzwerks. Die Flächen eignen sich für einen Vergleich des Pflanzenkleides besonders gut, da hier ein Zaun ein standörtlich recht homogenes Hochplateau in zwei Hälften teilt und somit eine direkte Gegenüberstellung der aufgelassenen und bewirtschafteten Flächen ermöglicht. Die Weideflächen, die mit Rindern bestoßen werden, sind von weiten Bürstlingsrasen bedeckt, die auf wüchsigeren Standorten von Subalpinen Milchkrautweiden und Lägerfluren abgelöst werden. Die Brachflächen werden seit etwa vier Jahrzehnten nicht mehr beweidet und sind inzwischen großteils mit Zwergstrauchheiden und Rasenschmiele-Hochgrasbrachen bewachsen. In den Vegetationsaufnahmeflächen der Brachflächen kommen im Durchschnitt deutlich weniger Pflanzenarten vor als in jenen der Weide. Dies gilt auch für die mittlere Anzahl naturschutzfachlich bedeutsamer Pflanzenarten, jedoch ist hier der Unterschied etwas geringer. Wenn die naturschutzfachliche Zielsetzung eine hohe Pflanzenartenvielfalt bzw. der Erhalt seltener oder gefährdeter Pflanzenarten ist, muss die bisherige Verbrachung auf der Rossalm negativ beurteilt werden. Das Untersuchungsgebiet Kallbrunnalm liegt in den Berchtesgadener Alpen im österreichischen Bundesland Salzburg und ist als Landschaftsschutzgebiet geschützt. Untersucht wurden Teile der mit Rindern bestoßenen Gemeinschaftsalm Kallbrunn sowie ehemalige Bergmähderflächen, welche an die Weideflächen angrenzen. Die bewirtschafteten Flächen sind von Subalpinen Kammgrasweiden, Bürstlingsrasen und Alpenampfer-Lägerfluren bedeckt. Die Brachflächen werden seit einigen Jahrzehnten nicht mehr genutzt und in südexponierten Lagen von Buntreitgrasfluren dominiert. Die flachen Bereiche um den Gipfel des Kühkranzes sind weitgehend mit Wollreitgrasfluren und Zwergstrauchheiden bewachsen. Die mittlere Gesamtartenzahl ist auf den Weideflächen der Kallbrunnalm etwas höher als auf den angrenzenden Brachflächen. Die mittlere Anzahl naturschutzfachlich bedeutsamer Pflanzenarten pro Aufnahmefläche ist hingegen auf den Brachflächen dreimal höher. Dies macht eine naturschutzfachliche Beurteilung schwierig. Andererseits wurde im Zuge der Arbeit festgestellt, dass diese Flächen standörtlich und nutzungsgeschichtlich nur bedingt vergleichbar sind. Langfristig werden die Flächen der Rossalm bei natürlicher Entwicklung weitgehend von Latschengebüschen eingenommen werden, womit eine Verdrängung von Offenland-Vegetationstypen und eine weitere Verringerung der lokalen Artenvielfalt zu erwarten sind. Auf der Brache konnten sich die Gehölze in den vergangenen Jahrzehnten etwa doppelt so schnell ausbreiten wie auf der benachbarten Weide, da Almpflegemaßnahmen ausgeblieben sind. Bis zum Jahr 2080 ist für die Brache ein Verlust von etwa einem Drittel des Offenlandes durch weitere vegetative Ausbreitung der Latschenbestände zu erwarten. Davon sind vor allem die artenreichen Kalkmagerrasen betroffen. Auf den Untersuchungsflächen der Kallbrunnalm verlief die Gehölzausbreitung sehr unterschiedlich. Während auf den Weideflächen die Gehölzbedeckung in den letzten Jahrzehnten durch Almpflegemaßnahmen leicht abgenommen hat, ist für die Brache vor allem in den flacheren Gipfelbereichen ein Zuwachsen mit Grünerlen- und Latschengebüschen zu verzeichnen. Eine Gehölzausbreitung in den brachliegenden Buntreitgrasfluren am Südhang wird hingegen durch Lawinenabgänge verhindert oder stark verlangsamt. In diesen Lawinenbahnen könnten die naturschutzfachlich wertvollen Vegetationstypen der Brache vielleicht auch in Zukunft ohne Flächenmanagement erhalten bleiben, am Gipfel würden wohl einige Pflanzenarten der Offenlandvegetation durch die weitere Ausbreitung von Krummholzbeständen ihren Lebensraum verlieren. Die Ergebnisse der beiden Untersuchungsgebiete unterscheiden sich teilweise stark voneinander und zeigen, dass die Verbrachung von Almflächen naturschutzfachlich differenziert zu betrachten ist. Um die Brücke zwischen naturschutzfachlicher Forschung und almwirtschaftlicher Praxis zu schlagen, schließt die Arbeit mit Handlungsempfehlungen für ein naturschutzfachlich orientiertes Beweidungsmanagement.
Abstract
(Englisch)
Often, when the cultivation of extensively used alpine pastures is given up, a loss of biodiversity is expected. The goal of this thesis is to examine the change in vegetation after the cultivation of the alpine pastures has been given up, and how this change in vegetation can be assessed and rated for nature conservation. This thesis investigates into two different alps, on which cultivated and uncultivated alpine pastures lie directly next to each other. For this thesis, altogether 72 vegetation assessments (relevés) have been made. Additionally, a vegetation mapping was undertaken for the whole area under investigation. For the most important vegetation types, predictive succession models were developed by concluding the temporal development of vegetation from its existing spatial distribution. Because both of the alps under investigation are located underneath the potential timberline in the sub-alpine altitudinal zone, a development towards sub-alpine forests and shrub vegetation could be expected. To assess the speed of the spreading of forests and shrubs, historical aerial pictures were compared with up to date ortho-photos. One of the two alps under investigation is the “Rossalm”. It is located in the Chiemgauer alps in Bavaria, in the nature conservation area “Geigelstein” and is part of the European-wide Natura 2000 nature-conservation-network. The pastures of the Rossalm are predestinated for a comparison of vegetation. On the Rossalm, a quite homogenous habitat, a plateau, is parted by a fence into two halves. Therefore a direct comparison of the cultivated and abandoned pastures is possible. The pastures, which are still grazed upon, are covered extensively with mat grasses (Nardus stricta). In more nutritious locations Nardus stricta is replaced by overmanured alpine meadows with Rumex alpinus and Sub-alpine Crepido-Festucetum commutatae pastures. The abandoned pastures haven’t been grazed on for about 4 decades. Mainly they are covered in shrubs and Deschampsia cespitosa grasslands. The vegetation assessments of the abandoned alpine pastures, in average show less plant diversity than those on the grazed pastures. This is also the case for the average number of plants that are important from a nature conservation perspective, but here the differences are less obvious. If, from a nature conservation point of view, the goal is to preserve rare and endangered plants or to maintain a high plant diversity, then the abandonment of alpine pastures on the Rossalm must be rated negatively. The other alp which was investigated for this thesis, is the Kallbrunnalm. It is located in the Berchtesgadener Alps in Austria in the federal state of Salzburg and is protected in terms of a “landscape conservation area”. It is managed as a common grazing-alp. This thesis investigates parts of the grazed pastures of the Kallbrunn-alp, as well as adjacent steep mountain meadows which used to be utilized for the production of hay, but nowadays are abandoned. The grazed pastures are covered in mat grass pastures (Nardus stricta), overmanured alpine pastures with Rumex alpinus and Cynosurus cristatus grasslands. The abandoned alpine meadows have not been mown for several decades. In the southerly exposed aspects they are dominated by Calamagrostis varia grasslands. The flat areas surrounding the peak of the “Kühkranz” are largely covered in dwarf shrubs and Calamagrostis villosa grasslands. Vegetation assessments show that the average plant diversity on the grazed pastures is a little higher than on the neighbouring abandoned meadows. The average number of rare or protected plants that are relevant for nature conservation is three times higher on the abandoned meadows. Because of this fact, an evaluation from a nature conservation point of view becomes difficult. During the work on this thesis, it was concluded, that because of their different historic cultivation and varying habitat characteristics those areas are not ideal for such a comparison. When suggesting a natural development, the pastures of the Rossalm will be taken in by Pinus mugo shrubland in the long term, therefore inducing the repression of the vegetation of open pastures and reducing regional plant-diversity. Over the last decades shrubs were able to spread with twice the speed on the abandoned pastures compared to the adjacent pastures where maintenance measures were undertaken. On the abandoned pastures it can be expected that until the year 2080 one third of the meadows will be replaced by shrubs. Especially the species rich Carex sempervirens-Sesleria varia grasslands are endangered by this process. Looking at the investigated areas on the Kallbrunnalm, the spreading of shrubs varied significantly. Whereas due to maintenance measures on the grazed pastures the proportion of shrubs could be reduced slightly, strong growth of shrubs is found in the abandoned areas, especially in the flat areas that surround the peak. On the other hand, the regular growth of shrub in the Calamagrostis varia grasslands on the southerly aspects is prevented or reduced by the regular occurrence of avalanches. In those avalanche strips, important and rare vegetation types, which evolve shortly after the abandonment of pastures, might be able to survive even without maintenance measures. In the areas surrounding the peak, plants that need open pastures as a habitat will be replaced by shrubs. The results of both investigation areas differ strongly and show that in order to evaluate the effects of the abandonment of alpine pastures from a nature conservation point of view, regional differences have to be taken into account. In order to build a bridge between research for nature conservation and practical experience for the management of alpine pastures, this thesis concludes with recommendations for an environmentally sensitive grazing management of alpine pastures.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Deutsch)
Nutzungsauflassung Verbrachung Beweidung Almwirtschaft Sukzession Naturschutz naturschutzfachliche Bewertung Artenvielfalt
Autor*innen
Daniel Wuttej
Haupttitel (Deutsch)
Bewirtschaftung oder Sukzession hin zur Wildnis?
Hauptuntertitel (Deutsch)
vegetationsökologische Untersuchung und naturschutzfachliche Bewertung brachgefallener und bewirtschafteter Flächen auf der Kallbrunnalm (Salzburg) und der Rossalm (Oberbayern)
Publikationsjahr
2010
Umfangsangabe
178 S.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Georg Grabherr
Klassifikation
42 Biologie > 42.44 Pflanzengeographie, Pflanzenökologie, Pflanzensoziologie
AC Nummer
AC08451503
Utheses ID
11307
Studienkennzahl
UA | 066 | 879 | |
Universität Wien, Universitätsbibliothek, 1010 Wien, Universitätsring 1