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Schule und Migration in den Printmedien
Eine kritische Diskursanalyse
Maria Mechtler
Art der Arbeit
Diplomarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Betreuer*in
Gero Fischer
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Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.13549
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-29958.40837.628862-1
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)

Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Situation von Schülern mit Migrationshintergrund im österreichischen Schulsystem. Es gab an der Universität Wien in den letzten Jahren etliche Diplomarbeiten, die dieses Thema aus pädagogischer, sprachwissenschaftlicher oder bildungssoziologischer Perspektive bearbeiteten. Mein Forschungsinteresse gilt dem Diskurs, der über das Thema „Schule und Migration“ in den Medien geführt wird. Ziel der Arbeit war, herauszufinden, wie sich das Thema durch den Filter der Berichterstattung in Printmedien darstellt. Ich bezog mich dabei auf die Forschungsperspektive der Diskursforschung, die davon ausgeht, dass Medien die Wirklichkeit nicht beschreiben oder abbilden, sondern diese bis zu einem gewissen Grad erst konstruieren. Auf der Diskursebene der Medien wird in öffentlichen Aushandlungsprozessen der Rahmen für die Art des Umgangs mit Schülern mit Migrationshintergrund im österreichischen Schulsystem geschaffen. Sichtweisen auf das Thema „Schule und Migration“ entstehen unter dem Einfluss anderer Diskursbereiche wie der Integrationsdebatte und der Ebene des wissenschaftlichen Diskurses. Hier werden Problembereiche definiert, für die dann auf schulpolitischer Ebene Lösungen gesucht werden. In der Arbeit versuchte ich aufzuzeigen, wie die Voraussetzungen, auf deren Basis schulpolitische Entscheidungen getroffen werden, im Diskurs der Printmedien konstruiert werden. Für die Analyse wählte ich die Tageszeitungen „Der Standard“ und „Die Presse“ sowie zwei Zeitschriften der in Österreich lebenden Minderheit aus dem ehemaligen Jugoslawien, „Novi Glasnik“ und KOSMO. Letztere sollten die inhaltliche Bandbreite des Diskurses in den „Mehrheitsmedien“ um Perspektiven einer der „betroffenen“ Gruppen erweitern. Der Untersuchungszeitraum umfasst 15 Monate: Dezember 2007, November und Dezember 2008 sowie das Jahr 2009. Bei der Analyse orientierte ich mich an der Methode der „Kritischen Diskursanalyse“ von Siegfried Jäger. Er entwickelte ein Begriffsinstrumentarium, mit dem die komplexe Struktur von Diskursen beschrieben und analysiert werden kann. Aussageereignisse in den untersuchten Medien zum Thema „Schule und Migration“ in Österreich, sogenannte „Diskursfragmente“ bilden einen thematisch einheitlichen „Diskursstrang“, der Teil des „gesamtgesellschaftlichen Diskurses“ ist. Die diskursive Ebene, von der aus Akteure Aussagen machen, ist die Ebene der (Print)Medien. Eine andere Ebene, die, wie die Analyse zeigte, starken Einfluss auf den Mediendiskurs nimmt, ist die wissenschaftliche Diskursebene. Verknüpfungen, sogenannte „diskursive Verschränkungen“, gibt es auch zwischen den Diskurssträngen. Die Akteure im Diskurs sind die Autoren der Zeitungsartikel sowie alle Personen, die in den Artikeln zu Wort kommen. Zur Analyse eines Diskursstranges gehört auch die Sondierung der Ausgangslage, der realen Gegebenheiten, über die im Diskurs „gesprochen“ wird und die sich durch den Diskurs mit der Zeit wieder verändern können. Im Schuljahr 2008/09 hatten 16,9 % der Schüler in Österreich eine andere Erstsprache als Deutsch. Die aktuellen Maßnahmen, die es für diese Schüler im Schulsystem gibt, beruhen seit dem Schuljahr 1992/93 auf drei Säulen: Förderunterricht in Deutsch als Zweitsprache (DaZ) Unterricht in der Muttersprache Unterrichtsprinzip „Interkulturelles Lernen“ Sie sind das Ergebnis einer Entwicklung, die in den siebziger Jahren begann, als die Kinder der Gastarbeiter, die vor allem aus dem damaligen Jugoslawien und aus der Türkei angeworben wurden, ein ständiger Faktor in den Schulklassen wurden. Die Annahme, dass die Gastarbeiter in ihre Heimatländer zurückkehren würden, bestätigte sich in vielen Fällen nicht. Grundlage für die Maßnahmen sind einerseits Erkenntnisse aus der Spracherwerbsforschung, die bestätigen, dass eine gute Entwicklung der Erstsprache Bedingung für den erfolgreichen Erwerb der Zweitsprache und für die Entwicklung der kognitiven Fähigkeiten allgemein ist, und andererseits das Paradigma der „Interkulturellen Pädagogik“, dass sich in der Erziehungswissenschaft in der Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Migration im Schulwesen entwickelte. Ausgangspunkt der aktuellen Diskussion über Schüler mit Migrationshintergrund auf wissenschaftlicher, politischer und medialer Ebene ist die durch zahlreiche Studien belegte schlechtere Positionierung dieser Schüler im Schulsystem im Vergleich zu autochthon österreichischen Schülern. Diese Schlechterstellung ist herkunftsspezifisch. Sie gilt in allen Bereichen für Schüler mit türkischem oder ex-jugoslawischem Hintergrund, also für die Gruppe der Nachkommen der ehemaligen Gastarbeiter, für andere untersuchte Herkunftsgruppen weniger oder gar nicht. Die gesamte Gruppe der Schüler mit Migrationshintergrund erzielt etwa bei den PISA-Studien schlechtere Ergebnisse als autochthon österreichische Schüler, wiederholt überproportional oft eine Klasse, hat höhere Dropout-Raten und ist in Hauptschulen und Sonderschulen überrepräsentiert und in höher bildenden Schulen unterrepräsentiert, das heißt, sie erreicht schlechtere Abschlüsse als die Gruppe der autochthon österreichischen Schüler. Die Gründe für die schlechtere Positionierung werden in der migrationsbezogenen Bildungsforschung derzeit verstärkt unter der Perspektive „Chancengerechtigkeit von Schulsystemen“ untersucht. Dem österreichischen Schulsystem wird attestiert, dass der Ausgleich familiär bedingten Aufholbedarfs der Schüler nur schlecht gelingt. Untersuchungen zur Wirkung von verschiedenen Faktoren des familiären Hintergrunds ergaben, dass sich die Zugehörigkeit zu einer niedrigeren sozialen Schicht, was bei Migrantenfamilien häufig der Fall ist, deutlich stärker auf den Schulerfolg auswirkt als Faktoren der ethnischen Herkunft (Sprache, kulturelle und religiöse Faktoren). Soziale Selektivität, die vor allem durch die frühe Aufteilung der Schüler auf Hauptschule oder Gymnasium entsteht, trifft also Migranten besonders. Kritik am Umgang des österreichischen Schulsystems mit Schülern mit Migrationshintergrund kommt seit nunmehr 30 Jahren von wissenschaftlicher Seite. Die bestehenden Maßnahmen werden grundsätzlich positiv beurteilt; kritisiert werden zu geringes Ausmaß und geringer Stellenwert durch ungünstige Organisationsformen. Der Grund für diese Mängel wird in der Einstellung der Institution Schule zu Migration an sich gesehen: Man vermisst ein Gesamtkonzept, dass die Auswirkungen von Migration auf die Schule als Normalität anerkennt. Dafür müsste das traditionelle System auf verschiedenen Ebenen umgestaltet werden. Die Analyse besteht aus einer umfangreichen Strukturanalyse und aus der Feinanalyse von drei Artikeln, die sich als typisch für den Diskursstrang herausstellten. Zunächst wurden alle im Artikelkorpus vorkommenden Aussagereignisse zum Thema „Schule und Migration“ in zwölf „Unterthemen“ erfasst und die inhaltlichen Schwerpunkte innerhalb dieser Kategorien ausgewertet (Forschungsfrage 1). In die Beantwortung der Forschungsfragen 2, 3, 4 und 5 flossen die Ergebnisse der Strukturanalyse und die der Feinanalysen ein. Anhand der Feinanalysen der typischen Artikel wurde exemplarisch gezeigt, auf welche Weise die Tendenzen und Schwerpunkte des Diskurses, die sich in der Strukturanalyse zeigten, in einzelnen Texten zum Vorschein kommen. Folgende Forschungsfragen wurden bearbeitet:   Wie ist die Struktur des Diskurses? Welche Rolle spielt der wissenschaftliche Diskurs zum Thema im Diskursstrang „Schule und Migration“? In welchem Ausmaß, wie und mit welchem Ziel wird im medialen Diskurs auf den wissenschaftlichen Diskurs zurückgegriffen? In welchen Zusammenhängen wird Schulpolitik in Bezug auf Schüler mit Migrationshintergrund in Österreich diskutiert? Welche „Verschränkungen“ des Diskursstranges „Schule und Migration“ mit anderen Diskurssträngen außerhalb der Schulpolitik gibt es? Wie sind sie beschaffen? Welches Bild wird von Schülern mit Migrationshintergrund konstruiert? Inwiefern gibt es eine kritische, reflektierte, lösungsorientierte Auseinandersetzung mit dem Thema „Schule und Migration“? Die wichtigsten Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: Der wissenschaftliche Diskurs ist Grundlage für den Diskurs um Schule und Migration. Erkenntnisse aus wissenschaftlicher Forschung und aktuell dominante Forschungsperspektiven fließen vor allem über die Veröffentlichung von Studienergebnissen und über Expertenaussagen in den Printmediendiskurs ein. Vor allem die PISA-Studie mit ihrem großen Medienecho sowie Berichte der OECD liefern einerseits Daten über die schlechten Schulleistungen und die niedrige Bildungsbeteiligung von Schülern mit Migrationshintergrund, was zur Konstruktion eine negativen Bildes in den Medien beiträgt, andererseits bringen sie die Perspektive der „Chancengerechtigkeit von Schulsystemen“ in den Diskurs ein, die es als Aufgabe des Schulsystems sieht, familiär bedingten Aufholbedarf auszugleichen. Die Auswertung der diskursiven Verschränkungen ergab, dass der Diskursstrang „Schule und Migration“ sehr stark mit der Debatte um Integration verknüpft ist (56 von 180 Artikeln). Die Verschränkungen mit den Diskurssträngen „Migranten und Arbeitsmarkt“ (29 Artikel), „Islam“ (18 Artikel) und „Gewalt/Kriminalität“ (elf Artikel) bilden einen Argumentationszusammenhang innerhalb der Integrationsdebatte. Es stellte sich heraus, dass über diese Verschränkung mit dem Diskursstrang „Integration“ die Eltern der Schüler mit Migrationshintergrund sehr stark Gegenstand der medialen Diskussion sind. Außerdem wird deutlich, dass Bildungspolitik als Hauptbestandteil von Integrationspolitik gesehen wird. In den untersuchten Medien wird ein defizitäres Bild von Schülern mit Migrationshintergrund und ihren Eltern konstruiert. Es entsteht vor allem durch das Ausmaß und durch die Art und Weise, wie Daten aus Studienergebnissen und Statistiken in den Medien „verarbeitet“ werden. Eine zusätzliche negative Konnotation entsteht durch die negative Bewertung von hohen Anteilen an Schülern mit Migrationshintergrund in Schulen und Schulklassen und durch die Definition von Schülern mit Migrationshintergrund über Defizite in der deutschen Sprache. Bei der Analyse der Zugehörigkeitsordnungen, nach denen Schüler mit Migrationshintergrund im Diskurs kategorisiert werden, zeigten sich folgende „Differenzlinien“: Herkunft/Nationalität, Sprache, Generation und Religion/Kultur. Es stellte sich heraus, dass fast ausschließlich über Migranten mit Wurzeln in der Türkei und im ehemaligen Jugoslawien gesprochen wird, wobei die Gruppe der türkischstämmigen Migranten besonders hervorgehoben und problematisiert wird. Außerdem gibt es einen Fokus auf die Angehörigen der zweiten Migrantengeneration. Im Diskursstrang werden zwei Problembereiche definiert: Wenn innerhalb ethnischer Minderheiten über lange Zeiträume hinweg schlecht ausgebildete Generationen entstehen, wirkt sich das negativ auf die Effizienz der Wirtschaft eines Staates aus, führt unter anderem durch Arbeitslosigkeit zu finanzieller Belastung und kann soziale Spannungen erzeugen. Der zweite Problembereich betrifft die konkrete Situation in vielen Schulklassen der Ballungsräume, vor allem aber in Wien: Die hohen Anteile an Schülern, die nicht ausreichend Deutsch sprechen, müssen reduziert werden, so der Lösungsansatz im Diskurs, weil die Situation mit den Methoden und Ressourcen des traditionellen Unterrichts nicht mehr zu bewältigen ist. Durch die Forderung nach einer 30%-Quote in den Klassen für diese Schüler und nach Delegation der Vermittlung der deutschen Sprache an die Vorschulstufe kommt gut zum Ausdruck, dass nicht in Richtung eines professionellen Umgangs mit sprachlicher Vielfalt sondern in Richtung des Erhalts der (deutsch)sprachigen Homogenität der Klassen gedacht wird. Die Analyse der Monatszeitschriften KOSMO und „Novi Glasnik“ brachte keine wesentlichen zusätzlichen inhaltlichen Aspekte in den Diskursstrang ein. Es zeigte sich, dass die Problemdefinitionen und die Argumentationen dieselben sind, allerdings ohne die abwertende Komponente, die in den Mehrheitsmedien sehr oft vorhanden ist.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Deutsch)
Diskursanalyse Schulpolitik
Autor*innen
Maria Mechtler
Haupttitel (Deutsch)
Schule und Migration in den Printmedien
Hauptuntertitel (Deutsch)
Eine kritische Diskursanalyse
Publikationsjahr
2011
Umfangsangabe
226 S.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Gero Fischer
Klassifikation
17 Sprach- und Literaturwissenschaft > 17.22 Sprachlenkung, Sprachpolitik
AC Nummer
AC08483264
Utheses ID
12175
Studienkennzahl
UA | 243 | 364 | |
Universität Wien, Universitätsbibliothek, 1010 Wien, Universitätsring 1