Detailansicht

Von der Zivilisierung der Peripherie
wirtschaftliche Entwicklung, überregionale Verflechtung und Modernisierungsdiskurse im habsburgischen Galizien ; 1772-1914
Klemens Kaps
Art der Arbeit
Dissertation
Universität
Universität Wien
Fakultät
Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Betreuer*in
Andrea Komlosy
Volltext herunterladen
Volltext in Browser öffnen
Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.14382
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-30047.69591.152365-2
Link zu u:search
(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)

Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Die Arbeit untersucht den Einfluss der überregionalen Austausch- und Verflechtungsprozesse auf die wirtschaftliche Entwicklung des habsburgischen Galizien zwischen dem späten 18. und dem frühen 20. Jahrhundert aus der Perspektive des Zentrum-Peripherie-Modells und der postcolonial studies. Im ersten – stärker quantitativ ausgerichteten – Teil der Arbeit werden die strukturellen Charakteristika der galizischen Ökonomie und ihre Beeinflussung durch Handel, Kapitalinvestitionen, Migration und Technologie herausgearbeitet, während im zweiten – stärker narrativ und diskursanalytisch orientierten – Teil nicht nur die Akteure dieser Interaktionen sichtbar werden, sondern auch der Einfluss der Regulierung überregionaler Konkurrenzprozesse durch die staatlichen Institutionen analysiert wird. Besondere Aufmerksamkeit kommt in diesem Zusammenhang Diskursen zu, an denen sich die Legitimierung oder aber die Transformation sozioökonomischer Raumordnungen in Verbindung mit Entwicklungsparadigmen ablesen lässt. Hierbei werden drei Phasen unterschieden – die kameralistische Raumökonomie (1772-1830), der liberale, deterritorialisierte Wirtschaftsraum (1830-1873) und der organisierte Kapitalismus (1873-1914). In der longue durée dieses langen 19. Jahrhunderts erfuhr Galizien eine zunehmende Peripherisierung seiner Außenhandelsstruktur, d.h. es dominierten zunehmend Fertigwarenimporte und Rohstoffexporte, während es parallel zu einem sukzessiven downgrading in den Güterketten kam, deren schärfster Ausdruck die Verdrängungsprozesse von Gewerbe- und Industriebetrieben war. Der notorische Kapitalmangel wurde durch den Zufluss an Investitions- und Finanzkapital ab den 1860er Jahren reduziert, der zwar das Wachstum von Produktion und Produktivität forcierte, allerdings kein catching-up initiierte und die Ungleichgewichte in der Zahlungsbilanz verschärfte. Diese graduelle Degradierung von Galiziens Status in der überregionalen Arbeitsteilung von einem semiperipheren zu einem peripheren Raum bedeutete zugleich profunde Verschiebungen im räumlichen Austauschmuster der Region, das durch die erwähnten drei verschiedenen Raumordnungen und Entwicklungsparadigmen wesentlich geprägt wurde. Während der Kameralismus die Einbindung der in der ersten Teilung Polen-Litauens eroberten Provinz in die habsburgische Arbeitsteilung auf Kosten der Desintegration aus Handelsbeziehungen jenseits der Staatsgrenzen forcierte, öffnete der Liberalismus die Kontakte Galiziens zum Ausland erneut und intensivierte die Verflechtungsdichte durch den Eisenbahnbau. Der organisierte Kapitalismus wiederum akzentuierte durch die Rückkehr zum Protektionismus und die Verdichtung des Eisenbahnnetzes erneut die Integration am Binnenmarkt. Trotz der Unterschiede der einzelnen Raumordnungen und Entwicklungsparadigmen schrieben sie Galizien einen subalternen Status in der überregionalen Arbeitsteilung zu und rechtfertigten die bestehende Raumordnung durch einen orientalisierenden Diskurs – Entwicklung wurde als Bringschuld der Peripherie definiert, während Veränderungswünsche der Arbeitsteilung aus der Region nur punktuell berücksichtigt wurden. Dies fand jedoch seine Entsprechung in der fehlenden Innovations- und Reformbereitschaft der galizischen Agrarelite, die an dem extensiven Produktionsmodell ebenso festhielt wie an ihren sozioökonomischen Privilegien. Dies wurde zu einem Motor der peripheren Integration in überregionale Austauschprozesse, deren Widersprüche vor Ort in ethnisierende Lösungsstrategien mündeten.
Abstract
(Englisch)
The thesis investigates the impact of processes of interregional connections and exchange on economic development in Habsburg Galicia between the late 18th and early 20th century by applying the centre-periphery model and the postcolonial approach. In the first part of the study, which follows a quantitative approach, the structural characteristics of the Galician economy and their inducement by trade, money flows, migration and technology are traced. In contrast the second part, which follows a narrative and discursive orientation, uncovers not only the actors of these interactions, but also highlights the regulation of interregional competition by the state’s institutions. In this context, discourses legitimizing or transforming socioeconomic spatial orders in connection with developmental paradigms are paid special attention. Three phases are distinguished, starting with the cameralist spatial economy (1772-1830), followed by the liberal, de-territorialized economic space (1830-1873) and finally organized capitalism (1873-1914). In the course of this longue durée perspective of the long 19th century Galicia’s external trade structure was gradually peripheralised, meaning a development towards imports of finished goods and exports of raw materials, while Galicia’s productive status in the commodity chains was downgraded, driving a range of crafts and industries off the market. The notorious lack of capital was reduced by inflow of investment and financial capital starting in the 1860s, which accelerated growth of production and productivity, but could not initiate a catching-up process and actually made the imbalance of payments worse. The gradual degradation of Galicia’s status in the interregional division of labour, passing from a semiperipheral to a peripheral region, changed its spatial exchange pattern profoundly, which was essentially shaped by the three spatial orders and developmental paradigms mentioned above. While cameralism forced the region’s incorporation in the Habsburg division of labour after its conquest in the First Partition of Poland-Lithuania at the cost of disintegration of trade relations beyond state borders, liberalism again opened up Galicia’s contacts to foreign countries and improved existing networks through the construction of railway lines. Organized capitalism in turn accentuated Galicia’s integration into the internal market by the return to protectionism and the consolidation of the railway network. In spite of their differences the single spatial orders and developmental paradigms assigned a subaltern status in the interregional division of labour to Galicia and legitimized the existing spatial order by applying a discourse based on ideas derivated from Orientalism: Development was defined as the periphery’s duty, while regional requirements for changing the division of labour were only acknowledged punctually at best. This pattern fits with the lacking capacity for innovation and reform on behalf of the Galician agrarian elite, which maintained an extensive production model as well as its socioeconomic privileges. This in turn accelerated peripheral integration into interregional exchange processes, the contradictions of which led to ethnicizing solutions locally.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Englisch)
Economic development trade capital investment customs' policy Galicia Habsburg Empire periphery
Schlagwörter
(Deutsch)
Wirtschaftliche Entwicklung Handel Kapitalinvestitionen Zollpolitik Galizien Habsburgermonarchie Peripherie
Autor*innen
Klemens Kaps
Haupttitel (Deutsch)
Von der Zivilisierung der Peripherie
Hauptuntertitel (Deutsch)
wirtschaftliche Entwicklung, überregionale Verflechtung und Modernisierungsdiskurse im habsburgischen Galizien ; 1772-1914
Paralleltitel (Englisch)
Civilizing the Periphery. Economic development, interregional and modernization discourses in Habsburg Galicia (1772-1914)
Publikationsjahr
2011
Umfangsangabe
566 S. : graph. Darst.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*innen
Andrea Komlosy ,
Christoph Augustynowicz
Klassifikationen
15 Geschichte > 15.06 Politische Geschichte ,
15 Geschichte > 15.08 Sozialgeschichte ,
15 Geschichte > 15.09 Wirtschaftsgeschichte ,
15 Geschichte > 15.49 Ostmitteleuropa ,
15 Geschichte > 15.60 Schweiz, Österreich-Ungarn, Österreich ,
15 Geschichte > 15.72 Polen
AC Nummer
AC08525377
Utheses ID
12905
Studienkennzahl
UA | 092 | 312 | |
Universität Wien, Universitätsbibliothek, 1010 Wien, Universitätsring 1