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Heines "Hellenentum"
Antike Motive in der Darstellung seines Freitsbegriffs
Maria Kreutzer
Art der Arbeit
Diplomarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Betreuer*in
Hedwig Heger
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Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.1616
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-30126.69095.254663-4
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Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Von den Nordsee-Gedichten ausgehend, die in ihrem Zusammenhang innerhalb der beiden Zyklen betrachtet werden, entwickelt Kapitel A der vorliegenden Arbeit Heines Verwendung antiker Motive vor allem anhand des Gedichts Die Götter Griechenlands, denn hier treten zum ersten Mal in seinem Werk antike Götter in ausgeprägter Weise als Repräsentanten einer heiteren, „sinnenfrohen“ Welt auf, die durch das Christentum verdrängt worden sei. Im Gegensatz zur (Spät-) Romantik, welche die griechisch-römischen Gottheiten gern als Dämonen darstellt, und zu Schillers Elegie Die Götter Griechenlands, in der es heißt, dass diese nun eben im Bereich der Kunst weiterlebten, geht es Heine darum, ihren Symbolgehalt zu erfassen und für das gegenwärtige Leben der Menschen nutzbar zu machen. Da es Heine zeit seines Lebens als die Aufgabe des Dichters sah, in poetischer Weise für die Verwirklichung eines glücklichen Lebens der breiten Masse zu kämpfen, trat er – oft unter Verwendung des Prometheus-Motivs – gegen alle der Freiheit des Menschen entgegenstehenden Ideologien auf. In dieser Hinsicht kritisierte er am Christentum den Dogmatismus, die Sinnenfeindlichkeit und die Vertröstung auf ein jenseitiges Leben, da sie leicht für politische Unterdrückung missbraucht werden könne. Eine auf diese Art einseitig ausgerichtete Lebenseinstellung bezeichnete Heine als „Spiritualismus“. Einen Gegensatz dazu bildeten die im antiken Polytheismus bis zu einem gewissen Grad gegebene religiöse Toleranz, die Verehrung der sinnlichen Seite des Menschen und die Diesseitsorientierung, für welche er in seinem Gedicht Epilog den homerischen Achill sprechen lässt. Eine solche, auf die Schönheit des diesseitigen Lebens konzentrierte Haltung erhielt von Heine die Bezeichnung „Sensualismus“. In welcher Weise er jedoch das Christentum als hilfreich beim Beseitigen sozialer Missstände einstufte, zeigt seine Beschäftigung mit dem Saint-Simonismus. In Rückbesinnung auf den zentralen christlichen Wert der Nächstenliebe und unter Verwendung der durch die industrielle Revolution entstandenen technischen Möglichkeiten wollte die „Église saint-simonienne“ ein gerechtes Wirtschaftssystem schaffen, wobei sie den Dichtern eine wichtige Rolle in der Verbreitung der neuen Ideen zudachte. In diesem Zusammenhang untersucht Kapitel B der vorliegenden Arbeit Heines Einstellung zu verschiedenen politischen und religiösen Weltanschauungen. Heine, der die ihm selbst oft vorgeworfene Zerrissenheit als einen durch den Wechsel von revolutionären und restaurativen Strömungen (in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts) bedingten Zeitumstand beurteilte, welcher sich in literarischen Werken widerzuspiegeln habe, sah in der saint-simonistischen Bewegung eine Möglichkeit, dieses allgemeine Gefühl der Zerrissenheit zu überwinden und Menschen verschiedenster Lager auf ein gemeinsames Ziel hin zu vereinigen. Während er an der sich gerade formierenden kommunistischen Bewegung in Frankreich des Öfteren die Gefahr einer prinzipiellen Nivellierung nach unten betonte, in der für alles über das Nötige Hinausgehende kein Platz sein würde, begrüßte er am Saint-Simonismus die Förderung der schönen Künste und die Entwicklung eines Christentums, in dem auch die sinnliche Seite des Menschen nicht unterdrückt werde. Den saint-simonistischen Versuch einer „Glücksmaximierung“ für alle Menschen umschreibt Heine unter Zuhilfenahme antiker Motive : So wird das Verlangen nach „Nektar und Ambrosia“, sowie „lachendem Nymphentanz“ zu einem Leitbegriff. Demgegenüber schildert Heine die Situation der vertriebenen Nymphen und verwendet sie metaphorisch für das Verlorengehen von allem Schönen in einer kommunistischen Herrschaft. Die Freiheit der Kunst, um die Heine ebenfalls fürchtete, stellte er gerne motivisch durch das antike geflügelte Dichterross Pegasus. Sein kleines humoristisches Epos Atta Troll. Ein Sommernachtstraum schrieb er gegen die Art politisch engagierter Literatur, die bei allen hehren Absichten auf den ästhetischen Anspruch verzichte. Eine Verbindung von Sozialkritik und poetischem Wert scheint Heine in seiner bis heute neben dem Buch der Lieder bekanntesten Dichtung Deutschland. Ein Wintermährchen gelungen zu sein. Sowohl in diesem als auch im Werk Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland finden sich seine Überlegungen bezüglich der sozialen und geistesgeschichtlichen Situation in Deutschland, wobei Heine hier, wie auch in seiner gesamten Berichterstattung aus Frankreich nach Deutschland, ein Einvernehmen dieser beiden Länder am Herzen lag. Die vorliegende Arbeit zeigt im Kapitel „Der Pantheismus als Basis einer Revolution“ (Kapitel B VI), wie Heine eine Parallele zwischen der von ihm als pantheistisch bezeichneten deutschen Philosophie und den Leitsätzen der französischen Revolution zieht, indem er vom saint-simonistischen Gedankengut ausgeht, nach welchem die Würde des Menschen sowohl im Geistigen als auch Körperlichen liege und sich Gott in den verschiedensten Bereichen des Lebens manifestiere, sodass in der zu errichtenden Gesellschaft auf allen Ebenen Entfaltungsmöglichkeiten gegeben sein müssten. Den Zusammenhang zwischen Philosophie und politischem Kampf betont Heine als Abschluss seiner Religions- und Philosophiegeschichte durch Bezugnahme auf die weisheitsliebende, doch zugleich kriegerische, in Rüstung dargestellte Pallas Athene. Besonders aufschlussreich für Heines geistesgeschichtliche Ansichten sind die von ihm verfassten Erläuterungen zu seinem Doktor Faust. Er interpretiert die Faust-Sage, indem er sich an die alte Historia von D. Johann Fausten hält, in der Faust vom Teufel sowohl sinnlichen Genuss als auch umfassendes Wissen verlangt, als das zur Zeit der Reformation stattfindende Aufbegehren gegen den katholischen Dogmatismus. Ein – wenn auch nur kurzes – Glück lässt Heine seinem Faust mit Helena in antiker Umgebung zukommen, die im Gegensatz zur vulgären Sinnlichkeit der Walpurgisnacht klassische ausgewogene Schönheit bietet. Eine ähnliche Gegenüberstellung von übersteigertem „Sensualismus“, „Spiritualismus“ und klassischem Ausgleich zwischen beiden findet sich in der Göttinn Diana. Kapitel C untersucht, von Heines Einstellung zum Christentum ausgehend, inwieweit sich während seiner schweren Krankheit die Verwendung antiker Motive änderte. Dem „Hellenentum“ wurde zwar, wie seine eigenen Aussagen und das Gedicht Für die Mouche zeigen, weiterhin Schönheit und Heiterkeit zuerkannt, doch genügte es Heine nicht mehr. Bereits in den 1830er Jahren hatte er positiv von der Trostfunktion des Christentums bei (noch) nicht änderbaren äußeren Umständen gesprochen, obgleich es das Ziel sein sollte, eine Welt zu schaffen, die eines solchen Trostes in Form von Jenseitsvorstellungen nicht mehr bedürfe. In seiner unheilbaren Krankheit wandte Heine schließlich die früher theoretisch abgehandelten Ideen praktisch an und ließ viele sehr persönlich gehaltene Gedichte, die um das Thema Glaube, Theodizee und Jenseits kreisen, entstehen. So fand er in dieser poetischen Auseinandersetzung mit Gott bis zuletzt Kraft, sich seiner Dichtung zu widmen.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Deutsch)
Heine Antike Hellenentum Freiheit Sensualismus
Autor*innen
Maria Kreutzer
Haupttitel (Deutsch)
Heines "Hellenentum"
Hauptuntertitel (Deutsch)
Antike Motive in der Darstellung seines Freitsbegriffs
Publikationsjahr
2008
Umfangsangabe
198 S.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Hedwig Heger
Klassifikationen
10 Geisteswissenschaften allgemein > 10.99 Geisteswissenschaften allgemein: Sonstiges ,
17 Sprach- und Literaturwissenschaft > 17.70 Literaturwissenschaft: Allgemeines
AC Nummer
AC07058006
Utheses ID
1295
Studienkennzahl
UA | 333 | 338 | |
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