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Ideal- und Selbstvorstellungen des adipösen Körpers
eine interdisziplinäre Perspektive
Elisabeth Pahr
Art der Arbeit
Diplomarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft
Betreuer*in
Patrizia Giampieri-Deutsch
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Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.14701
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-29322.49206.783661-5
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Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Um die Fragen zu beantworten wie adipöse Personen ihren Körper wahrnehmen, wie er, beeinflusst vom gängigen Schönheitsideal, von der Gesellschaft wahrgenommen wird und welchen Zusammenhang es zwischen diesen beiden Dimensionen gibt, wurden die Adipositas begünstigenden Faktoren aufgezeigt. Hierbei musste festgestellt werden, dass es sich um komplexe, multifaktorielle Prozesse handelt, bei denen Ernährungs- und Bewegungsverhalten, Physiologie und Umwelt die Hauptrollen spielen, jedoch bei jedem Menschen unterschiedlich großen Einfluss haben. Deshalb ist zu betonen, dass es viele unterschiedliche Faktoren gibt, die individuell stark zu tragen kommen können. So könnten zum Beispiel auch bei einigen Adipösen, neben den bereits erwähnten, psychologische Faktoren angenommen werden, die zu einem gestörten Essverhalten führen. Ähnlich den der Essstörungen Anorexie und Bulimie zugrunde liegenden psychischen Problemen, können sich auch bei adipösen Personen ein niedriger Selbstwert und mangelndes Identitätsgefühl finden lassen. Wie nun die Entwicklung von Selbstwert und Identität stattfindet und wodurch sie beeinflusst werden kann, sollte an Hand der Objektbeziehungstheorie herausgefunden werden. Auf deren Grundlage wurde die Bedeutung einer genügend guten Mutter-Kind-Interaktion als die Basis aller verinnerlichten Vorstellungen dargestellt, denn das Selbst entwickelt sich in einer wechselseitigen Beziehung zwischen Mutter und Kind. Das Erkennen des eigenen Mentalen des Kindes durch die Bezugsperson ist von wesentlicher Bedeutung, denn nur so wird das Kind zu einem unabhängigen Subjekt. Baut das Kind über die primäre Beziehung zur Mutter hinaus gemeinschaftliche Beziehung zu anderen Menschen auf, entwickelt sich das Selbst frei von Minderwertigkeitsgefühlen weiter und erwirbt ein stabiles Identitätsgefühl, das die Basis einer klaren Vorstellung von Beziehungen zu anderen Personen ist (vgl. Blatt, S.J. & Shahar, G. 2004, S. 297; Blatt, S.J et al. 2005, S. 865). Zustimmende Reaktionen von anderen sind ebenso entscheidend für die Aufrechterhaltung der inneren Einheit, der Kontinuität und des Selbstwertgefühls. Sind jedoch diese Voraussetzungen nicht gegeben, kann es zu Abwehrmechanismen kommen, die eine klare Trennung von Selbst und Objekt, und in Folge dessen auch die Ausbildung einer eigenen Identität, verhindern (vgl. Bohleber, W. 1999, S. 510). Hat das Kind nicht gelernt, sich von der Mutter abzugrenzen und eine eigene Identität zu entwickeln, so missglückt die Integration von Körper-, Selbst- und Objektvorstellungen, und der Körper wird als Übergangsobjekt erlebt. Übergangsobjekte, wie z.B. ein Teddybär, sollen dem Kind die Abwesenheit der Mutter erleichtern. Wird von einer überfürsorglichen Mutter jeder Autonomieversuch und somit auch der Bedarf eines Übergangsobjektes verhindert, kann die Ausbildung von getrennten Selbst-Objekt-Grenzen behindert sein und es zu einer Spaltung zwischen Selbst und Körperselbst kommen. Mathias Hirsch sieht diese Schädigung in der Loslösungsphase als Grundlage jedes gestörten Essverhaltens (vgl. Hirsch, M. 1998, S. 171f). Auch Hilde Bruch erkannte, dass viele adipöse PatientInnen Probleme mit der emotionalen Loslösung von der Mutter und dem Aufbau von Ichgrenzen hatten. Das Heranwachsen zu einem eigenständigen Individuum und die Entwicklung einer Identität kann dadurch behindert werden (vgl. Bruch, H. 2001, S. 89f). Dieses Entwicklungsdefizit kann erhebliche Auswirkungen auf die Selbstvorstellungen haben. Gerade in der Adoleszenz werden vergangene Erfahrungen neu organisiert, doch konnten die Fähigkeit der Mentalisierung und der Selbstreflexion sowie das Identitätsgefühl nicht ausgebildet werden, kann somit auch der adoleszente Restrukturierungsprozess fehlschlagen, und sich die zweite Loslösungsphase und die Individuation konfliktreich gestalten. Der sexuelle Körper kann zum Feind und das eigene Leben als fremdbestimmt wahrgenommen werden (vgl. Bohleber, W. 1999, S. 520f). In der Adoleszenz kommt auch der gesellschaftliche Faktor ins Spiel, denn der Blick von außen, das Begehren und Begehrtwerden wird von Bedeutung. Wenn nun die Selbstvorstellungen und der Glaube an die eigenen Fähigkeiten geschwächt sind, die Betroffenen es nicht gelernt haben, eigenständig zu sein und sich kein Selbstwertgefühl entwickeln konnte, könnte es sein, dass diese Personen umso stärker bemüht sind, sich den Idealen anzupassen, um sich durch die Einhaltung ihrer Normen eine Identität zu schaffen. Ein Abweichen von der Norm kann Selbsthass gegenüber dem eigenen Körper auslösen und alles Scheitern wird auf das Gewicht zurückgeführt. Dies erklärt auch, warum Bruch schreibt, dass in solchen Fällen eine reine Gewichtsreduktion bei Adipösen die Probleme nicht lösen würde. Es müssten zuerst die zugrunde liegenden psychischen Probleme gelöst werden, um eine erfolgreiche Gewichtreduktion zu ermöglichen (vgl. Bruch, H. 2001, S. 14). Das könnte der Punkt sein, wodurch sich die Personen, die mit ihrem adipösen Körper zu Recht kommen, von jenen unterscheiden, die zwanghaft versuchen, das Gewicht dem Ideal anzupassen und unter der gesellschaftlichen Stigmatisierung leiden. Ist im ersten Fall der Grund für die Adipositas vielleicht der Überfluss an Ernährung und Bewegungsarmut oder sind es metabolische Faktoren, so können die Ursachen der Adipositas im zweiten Fall in frühen zwischenmenschlichen Beziehungserfahrungen und deren psychischen Folgen liegen.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Deutsch)
Essstörungen Adipositas Objektbeziehungstheorie
Autor*innen
Elisabeth Pahr
Haupttitel (Deutsch)
Ideal- und Selbstvorstellungen des adipösen Körpers
Hauptuntertitel (Deutsch)
eine interdisziplinäre Perspektive
Publikationsjahr
2011
Umfangsangabe
111 S. : graph. Darst.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Patrizia Giampieri-Deutsch
Klassifikation
08 Philosophie > 08.99 Philosophie: Sonstiges
AC Nummer
AC08912725
Utheses ID
13188
Studienkennzahl
UA | 190 | 299 | 477 |
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