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Die unionale Rechtsetzung zum Europäischen Kartellrecht im Lichte des Demokratieverständnisses der Governance - Ansätze der Kommission
Thomas Stern
Art der Arbeit
Dissertation
Universität
Universität Wien
Fakultät
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Betreuer*in
Peter-Christian Müller-Graff
DOI
10.25365/thesis.15518
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-30311.37376.931363-4
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)
Abstracts
Abstract
(Deutsch)
Als zentrales Hauptziel verfolgt das Governance-Weißbuch die Förderung des demokratischeren Regierens in der EU, um damit einerseits die postulierte Legitimationsproblematik abzuschwächen und andererseits die EU-Skepsis der Unionsbürger effektiv bekämpfen zu können. Der von der Kommission verwendete Begriff des demokratischeren Regierens wird im Weißbuch nicht näher dargelegt. Auch erörtert das Governance-Weißbuch die Frage nach dem Demokratiekonzept der EU nicht. Governance setze nach Ansicht der Kommission jedoch fünf Grundprinzipien voraus: Transparenz, Partizipation, Verantwortlichkeit, Effektivität und Kohärenz.
Angesichts der Bedeutung des Europäischen Kartellrechts als wesentliches Kernelement des unionalen Binnenmarktkonzeptes und der hierbei weitgehenden Kompetenzen der Kommission wird in der gegenständlichen Arbeit untersucht, inwieweit sich die Governance-Prinzipien der Kommission im Vertrag von Lissabon (mit Fokussierung des Europäischen Kartellrechts) widerspiegeln. Verbindet man die abstrakten Governance-Elemente (die fünf Governance-Prinzipien) mit den konkreten Governance-Elementen (den Governance-Instrumenten) und beachtet dabei die primärrechtlichen Vorgaben und Rahmenbedingungen der Verträge mit besonderer Berücksichtigung der Bestimmungen zum Europäischen Kartellrechts, so lässt sich das Ergebnis wie folgt zusammenfassen:
Vergleicht man die Vorschläge des Weißbuchs zum demokratischeren Regieren mit den Ausführungen der Forschungsarbeit zum Wesen der Demokratie, so kann festgestellt werden, dass Repräsentation und Legitimität im Governance-Weißbuch eine, wenn überhaupt, marginale Rolle spielen. Implizit behandelt das Governance-Weißbuch nach den Ausführungen in der Forschungsarbeit allerdings sowohl die Input- als auch die Output-Seite der Legitimität. Input wird durch die Grundsätze der Partizipation und der Transparenz gestützt, Output durch die Prinzipien der Verantwortlichkeit, der Effektivität und der Kohärenz.
Den Governance-Grundsätzen, die für demokratischeres Regieren der Union sorgen sollen, wurden bei der Normierung von Art. 103 AEUV, welche die Ermächtigungsnorm im Europäischen Kartellrecht bildet, nicht ausreichend Rechnung getragen. Zudem haben die Neuerungen des Primärrechts (Neutypisierung der Rechtsakte, Art. 15 AEUV, Grundsatz der Partizipation, Grundsatz der Repräsentation, obligatorische Abhaltung von Konsultation) die Demokratisierung der Normsetzung in diesem Bereich nicht gefördert. Der Demokratisierungsprozess wird somit weiterhin in den einzelnen Politiken und damit den jeweiligen Modellen der Rechtsetzung unterschiedlich zu beurteilen sein.
Eine Klärung beziehungsweise Vereinfachung des Demokratiekonzepts der Union hat der Vertrag von Lissabon somit nicht geschaffen. Meines Erachtens ist die Rechtsetzung im Europäischen Kartellrecht weder mit den Governance-Prinzipien noch mit dem dualen Legitimationsstränge-Konzept der Union (vgl Art. 10 EUV n.F.) vereinbar. Eine politische Zurückhaltung einiger Bereiche, wie etwa im behandelten Kartellrecht, ist mit dem Demokratiegebot der Union nach Art. 10 EUV n.F. kaum kompatibel.
Das Governance-Weißbuch scheint somit zu versuchen, die Output-Legitimation der EU zu erhöhen, um damit den Mangel an Input-Legitimation zu kompensieren. Ob dies tatsächlich zu einer erhöhten Legitimation des unionalen Handelns führen kann, ist anzuzweifeln. Ein legitimeres, damit demokratischeres, Handeln der EU ist mit erhöhter Output–Bezogenheit allein aber wohl auf keinen Fall zu erreichen.
Abstract
(Englisch)
Seeing an increasing civil EU-skepticism the Commission of the European Communities published a White Paper in 2001 which main target was to enhance the democratization of the European Union. The agenda of this White Paper (so called White Paper “European Governance”) contains a multitude of suggestions, in particular “Better involvement and more openness”, “Better policies, regulation and delivery”, “Global governance” and “Refocused Institutions” to achieve its central objectives. Five principles shall underpin European Governance and the changes proposed in the White Paper: openness, participation, accountability, effectiveness and coherence, whereupon each principle is important for establishing more democratic governance.
Given the importance of the European Competition Law and the extensive powers of the Commission in this policy, the present thesis analyses the compatibility of the White Paper’s Governance-Principles and the law- and decision-making in this major policy area.
Summing up following results are remarkable: Even though the White Paper “European Governance” underlines the necessity of advancing the Unions democratic legitimacy, the instruments of the European Governance are predominantly aimed at enhancing the Unions effectiveness. In these cases representation and democratic legitimacy play a minor role in the European Governance-approach.
Focusing on European Competition Law, close bonds to the concept of European Governance cannot be seen. The legal changes caused by the Lisbon Treaty hardly had positive effects in favor of the democratization concerning this eminent union-policy. Neither the innovations regarding to openness (cf. Art 15 AEUV, Art 42 Charta) and participation (cf. Art 10 und 11 EUV n.F) nor the legal and political developments in support of responsibility (cf. Art. 5 Abs. 3 EUV n.F, Artt. 2 AEUV ff, Artt. 288 AEUV ff), effectiveness (cf. by raising the number of autonomous EU regulatory agencies; by use of the open method of coordination) and coherence (cf. by strengthening the Community method) have increased the Unions democratic legitimacy in the area of European Competition Law considerably.
Finally it could be claimed that the Commissions Governance-approach attempts to balance the lack of input-legitimacy via increasing the output-legitimacy of the Union by focusing on the implementation of the principles of effectiveness and coherence. Whether this approach may strengthen the European Governance in its entirety could be challenged.
Schlagwörter
Schlagwörter
(Englisch)
European Law Common Market Competition Law Democracy European Union EU Lisbon Treaty Governance
Schlagwörter
(Deutsch)
Europarecht Kartellrecht Binnenmarkt Governance Demokratie Europäische Union EU Vertrag von Lissabon
Autor*innen
Thomas Stern
Haupttitel (Deutsch)
Die unionale Rechtsetzung zum Europäischen Kartellrecht im Lichte des Demokratieverständnisses der Governance - Ansätze der Kommission
Publikationsjahr
2010
Umfangsangabe
360 S.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*innen
Peter Christian Müller-Graff ,
Paul Luif
Klassifikationen
86 Recht > 86.29 Wettbewerbsrecht, Kartellrecht ,
86 Recht > 86.46 Staatsrecht, Verfassungsrecht: Sonstiges ,
86 Recht > 86.86 Europarecht: Allgemeines ,
86 Recht > 86.90 Europarecht: Sonstiges ,
86 Recht > 86.92 Staaten und Räume im Völkerrecht ,
89 Politologie > 89.05 Politische Theorie ,
89 Politologie > 89.31 Staatslehre ,
89 Politologie > 89.35 Demokratie ,
89 Politologie > 89.73 Europapolitik, Europäische Union
AC Nummer
AC08723802
Utheses ID
13926
Studienkennzahl
UA | 083 | 101 | |