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Satire in restriktiven Systemen Europas im 20. Jahrhundert
Alfred Dorfer
Art der Arbeit
Dissertation
Universität
Universität Wien
Fakultät
Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Betreuer*in
Hilde Haider
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Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.15606
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-30310.32755.279470-1
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Abstracts

Abstract
(Deutsch)
A u s g a n g s l a g e d e r F o r s c h u n g Aufbauend auf die Diplomarbeit „Totalitarismus und Kabarett“ aus dem Jahr 2006, sollte das Untersuchungsfeld erweitert werden. Einerseits um weitere historische Abschnitte des 20. Jahrhunderts wie das Vichy-Regime in Frankreich oder die Mussolini-Ära in Italien. Auch kurze Abrisse der Satire in der Sowjetunion und in Polen waren geplant. Andererseits sollten, ausgehend von Definitionen der Satire, verschiedene Formen dieses Genres auf ihre Funktionalität in diversen politischen Systemen untersucht und verglichen werden. Als Basis dienten verschiedene Definitionsansätze des Kabarett-Begriffs sowie die eingehende Betrachtung historischer Rahmenbedingungen. Textkritik im eigentlichen Sinne ist nicht Gegenstand der Arbeit. Der Fokus lag primär auf dem Spannungsfeld Satire versus restriktives System. Erst in weiterer Folge schien die Betrachtung satirischer Formen in demokratischen Strukturen von Interesse, besonders was die Kommensurabilität betraf. Diese herzustellen, sollte eine der Hauptaufgaben der Arbeit sein. Allerdings auch hier nicht im Vergleich des vorliegenden Textmaterials, sondern mit dem Augenmerk auf mögliche Auswirkungen satirischen Schaffens in Bezug auf die Wirkung nach außen oder auf die Künstler selbst. Prinzipiell geht der Satire der Nimbus voraus, als Korrektiv hierarchischer Strukturen zu wirken, als Antithese oder gar anarchisch verstörendes Element Position zu beziehen im gesellschaftspolitischen Kontext. Gemessen an dieser Ausgangslage galt es, unterschiedliche Parameter, wie das Verhältnis der Satire zum System, Repression oder Fallhöhe im Sinne der Konsequenzen zu durchleuchten. Die Funktion der Satire im jeweiligen System als Grundlage des Vergleichs herzustellen, schien eine reliable Basis für die Thesis, deren Substanz primär dem Wirkungskreis dieser Kunstform gewidmet ist. Diverse Spezifika, die der Satire zugeschrieben werden, wie etwa die Verpflichtung zur Aktualität oder die Kreation einer eigenen Sprache wurden einer Prüfung unterzogen, nicht nur um das Genre einzugrenzen und damit fassbar zu machen, auch um etwaige tradierte Missverständnisse zu erhellen. Die Arbeit behandelt nahezu ausschließlich theatralische Formen der Satire und beschränkt sich auf wenige aber repräsentative Beispiele, wie etwa das „Wiener Werkel“ im Dritten Reich, das DDR-Kabarett oder die Futuristen in Italien. Diese Einschränkung schien notwendig, da andernfalls zugunsten der Fülle des Materials auf eine genauere qualitative Prüfung hätte verzichtet werden müssen und so der solitären Position des Genres nicht hätte gerecht werden können. E r g e b n i s Nach eingehender Forschung, besonders was die Funktion der Satire in den untersuchten Systemen betraf, tauchten als Ergebnis einige Paradoxa auf. Zum einen wurde das Vorurteil widerlegt, dass Satire prinzipiell gegen die Machtverhältnisse auftritt. Am Beispiel der Futuristen im faschistischen Italien konnte eine weitgehende inhaltliche Kongruenz festgestellt werden. Nicht nur was personelle oder systematische Akzeptanz betraf, sondern auch in Anbetracht extremer Positionierungen wie der Verherrlichung des Krieges o. Ä. Differenziert, doch nicht unähnlich verhielt es sich im DDR-Kabarett, wo eine grundsätzliche Übereinstimmung der Satiriker mit den Zielsetzungen eines im Grunde restriktiven Systems bestand. Da diese subventionierte Kritik nur eingeschränkt und zensuriert stattfinden durfte, kann von einer freien Satire nur bedingt ausgegangen werden. Hier kamen die Phänomene des Ventils und der Nischenfunktion klar zutage. Allen nachträglich versuchten Geschichtsrevisionen zum Trotz konnte das eindeutige Widerstandskabarett nur sehr bedingt ausgemacht werden. Ähnlich verhielt es sich bei den kurzen Abrissen über die Kleinbühnen in der Sowjetunion und in Polen, wo Systemkritik nicht möglich war. So beschränkte man sich primär auf individuelle Unzulänglichkeiten, die dem Ideal im Wege standen. Beim „Wiener Werkel“, dem eine gewisse Janusköpfigkeit nachgesagt wurde, erstaunt zunächst, dass es bis zur Theaterschließung im Jahre 1944 überhaupt existieren durfte. Die Interpretationen dieses Ensembles reichen vom reinen Widerstandskabarett bis zu einer Satireform mit sehr hoher Adaptionsfähigkeit was die historischen Umstände betraf. Als Ergebnis kann ein Hybrid aus beiden Thesen ausgemacht werden. Was die Gemeinsamkeiten betrifft, so ist auffällig, dass in jedem System der Satire eine Ventil- respektive Nischenfunktion zukam. Zusätzlich diente diese Kunstform oft als liberales Feigenblatt, was wiederum paradoxerweise den Machthabern partiell zugutekam. Zuletzt erfolgte ein Vergleich mit demokratischen Systemen anhand von Beispielen aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus der BRD (Neuss) und Österreich (Bronner) sowie als Coda das Fallbeispiel einer Fernsehsatire jüngeren Datums (Dorfers Donnerstalk), in die eigene Erfahrungen einflossen. Selbst hier ergaben sich Übereinstimmungen was die Ventil- oder Nischenfunktion betraf. Sogar das liberale Feigenblatt war aufzufinden, besonders was die Satire im monopolisierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk anbelangte, wenn auch die möglichen Konsequenzen für die Satiriker deutlich harmloser ausfallen, als in den zunächst besprochenen restriktiven Systemen.
Abstract
(Englisch)
B a c k g r o u n d t o t h e r e s e a r c h The field of investigation should be extended, building on the thesis “Totalitarianism and Cabaret” from 2006. On the one hand, with additional historic chapters of the 20th century, such as the Vichy regime in France or the Mussolini era in Italy. Brief abstracts of satire in the Soviet Union and Poland were also planned. On the other hand, based on definitions of satire, different forms of this genre should be investigated and compared for their functionality in various political systems. Various approaches to the definition of the term ‘cabaret’, as well as an in-depth consideration of the historical context, would serve as the basis for this. Textual criticism in the proper sense is not the object of the paper. The focus was primarily on the area of conflict between satire and the restrictive system. The observation of satirical forms in democratic structures appeared to be of interest only at a later stage, especially with regards to commensurability. Creating this should be one of the main tasks of the paper. Here again, however, not by comparing the available text material, but by looking at the function, with a focus on any effects of satirical creativity with regard to the external effect or the effect on the artists themselves. In principle, satire precedes mystique by having a corrective effect on hierarchical structures, adopting the position of an antithesis or even an anarchic, destructive element in the socio-political context. Measured against this background, the aim was to take a closer look at various parameters, such as the relationship of satire to the system, repression or how far one could fall in terms of the consequences. Satire’s function within the respective system of providing the basis for comparison seemed a reliable basis for the thesis, whose substance is primarily dedicated to the scope of activity of this art form. Various specifics that are ascribed to satire, such as the obligation to topicality or the creation of an independent language, were subject to verification, not only to isolate the genre and thus make it tangible, but also to cast light on any conveyed misunderstandings. The paper deals almost exclusively with theatrical forms of satire, restricting itself to a few, representative examples, such as the Wiener Werkel in the Third Reich, the GDR-abaret or the Futurists in Italy. This restriction seemed necessary to avoid having to dispense with a more accurate qualitative inspection in favour of the wealth of material available, thereby making it impossible to do justice to the solitary position of the genre. R e s u l t The result obtained following detailed research, particularly as regards the function of satire in investigated systems, was a paradox. One the one hand, the prejudice that satire essentially exists to counter power structures was refuted. Extensive semantic congruence was determined on the example of the Futurists in fascist Italy. Not only as far as personal or systematic acceptance was concerned, but also in consideration of extreme positions, including the glorification of war. Cabaret in the GDR was different, but not dissimilar, with satirists expressing fundamental agreement over the objectives of a fundamentally restrictive system. As this subsidised criticism could only take place on restricted and censored terms, only a certain degree of free satire can be assumed. This is where the phenomena of the valve and the niche function were clearly evident. Despite all subsequent attempts to revise history, the unambiguous resistance cabaret could only be discerned to a very limited extent. The situation was similar for the short abstracts on the small stages in the Soviet Union and Poland, where criticism of the system was impossible. One therefore restricted oneself primarily to individual inadequacies that stood in the way of the ideal. In the case of Wiener Werkel, which was said to have had a certain two-faced character, it is amazing that it was ever allowed to exist at all, until the theatre was closed in 1944. The interpretations of this ensemble range from pure resistance cabaret to a form of satire with an extremely high ability to adapt to historic circumstances. A hybrid of these two theses can be discerned as a result. As far as commonalities are concerned, it is noticeable how satire was accorded a valve or niche function in each of the systems. Moreover, this art form often served as a liberal figleaf, which in turn paradoxically benefited the ruling powers to a certain degree. Finally, a comparison was made with democratic systems by taking examples from the second half of the 20th century from the Federal Republic of Germany (Neuss) and Austria (Bronner) as well as a coda involving the case of a TV satire from more recent times (Dorfers Donnerstalk), incorporating personal experiences. Here as well there were agreements about the valve or niche function. Even the liberal figleaf could be discerned, especially as regards what satire achieved in monopolised public service broadcasting, although any consequences for the satirists would have been much less harmful than under the restrictive systems discussed above.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Deutsch)
Funktion der Satire in restrivktiven Systemen Kabarettdefinition Vergleich mit demokratischen Systemen Europa 20. Jahrhundert Futurismus - Faschismus Filmsatire Ständestaat "WIener Werkel" im Dritten Reich" DDR-Kabarett im Spannungsfeld von Systemkritik und Zensur
Autor*innen
Alfred Dorfer
Haupttitel (Deutsch)
Satire in restriktiven Systemen Europas im 20. Jahrhundert
Publikationsjahr
2011
Umfangsangabe
217 S.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*innen
Hilde Haider ,
Brigitte Marschall
Klassifikationen
24 Theater > 24.06 Theatergeschichte ,
24 Theater > 24.23 Kleinkunst, Kabarett, Revue
AC Nummer
AC08735880
Utheses ID
13998
Studienkennzahl
UA | 092 | 317 | |
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