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Geschlechtsunterschiede in urbanen Home Ranges und deren mentaler Repräsentation
Pia Stephan
Art der Arbeit
Diplomarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Fakultät für Lebenswissenschaften
Betreuer*in
Karl Grammer
DOI
10.25365/thesis.15794
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-29348.43533.919664-0
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)
Abstracts
Abstract
(Deutsch)
Die vorliegende Arbeit verbindet die Untersuchung von urbanen Home Ranges mit der Analyse deren mentaler Repräsentationen in Form von Kognitiven Karten beim
Menschen. Entsprechend der Jäger-Sammler-Hypothese kann angenommen werden, dass basierend auf der Arbeitsteilung im Pleistozän Männer und Frauen im Laufe der Evolution des Menschen unterschiedliche räumliche Fähigkeiten entwickelt und sich an verschiedene Home Ranges adaptiert haben. Viele vorherige Studien geben Hinweis auf bestehende geschlechtsspezifische Differenzen in räumlichen Fähigkeiten (z.B. Orientierungsstrategien, mentale Rotation von Objekten, Erinnern von Objektanordnungen). Weiterhin konnte bei modernen Jäger-Sammler-Gesellschaften sowie am
Beispiel einer westlichen Industriegesellschaft ein Unterschied zwischen Männern und Frauen in der Größe der Home Range nachgewiesen werden. In der vorliegenden Studie wurden zum einen potentielle geschlechtsspezifische Unterschiede in der Größe und dem qualitativen Aufbau der Home Range innerhalb der Stadt Wien untersucht, zum anderen ebensolche bezogen auf quantitative und qualitative Aspekte der mentalen Repräsentation dieses Gebietes - der kognitiven Karte - analysiert. Außerdem wurde eine Untersuchung des möglichen Einflusses von emotionaler Verbundenheit zu Orten auf die Einschätzung der Distanz zu ihnen vorgenommen.
Zu diesem Zweck erstellten zunächst 53 männliche und 52 weibliche Teilnehmer eine Skizze ihrer Home Range in Wien. Zu jedem der eingezeichneten Orte wurden mittels
Fragebogen Informationen zu Aspekten wie zum Beispiel Nutzung, persönlichen Bedeutung oder Nutzungshäufigkeit erhoben. Des Weiteren wurde von den Probanden ein Fragebogen zur eigenen Person ausgefüllt. Dieser enthielt neben Angaben zu soziodemographischen Daten auch Fragen zur Wohnsituation und zur Wohnzufriedenheit. Anhand der Adressen wurden in Google Maps die realen Karten der Home Ranges generiert. Diese wurden mit Hilfe von Geometric Morphometrics mit den Zeichnungen verglichen, indem die euklidischen Distanzen zwischen homologen Punkten auf beiden Karten ermittelt wurden. Des Weiteren wurde die Größe der Home Range anhand der realen Karten einerseits mittels der Fläche der konvexen Hülle, zum anderen durch die
Berechnung von Distanzen zum Schwerpunkt sowie zum jeweiligen Zuhause kalkuliert.
Die Resultate zeigen einen nicht-signifikanten Trend dahingehend, dass Männer eine größere Home Range besitzen als Frauen. Ein diesbezüglich signifikanter Unterschied
ergibt sich innerhalb einer Teilstichprobe von Probanden, die mindestens 10 Orte regelmäßig in ihrem alltäglichen Leben besuchen. Bezüglich des Aufbaus der Home Range in Form der qualitativen Einordnung der darin be!ndlichen Orte können keine Geschlechtsunterschiede nachgewiesen werden. Ebenso besteht keinerlei Differenz im Aufbau der Zeichnungen. Weder nutzen Frauen hier mehr Landmarks zur Orientierung, noch zeichnen Männer mehr Routen in ihren Skizzen ein. Im Bezug auf die Zeichengenauigkeit geben die vorliegenden Ergebnisse dagegen Hinweis auf einen geschlechtsspezifischen Unterschied. Die Skizzen der Männer weisen eine größere
Genauigkeit auf als die der Frauen, quantifiziert anhand mehrerer euklidischer Variablen. Zusätzlich kann ein Zusammenhang zwischen der Größe der Home Range und der
Zeichengenauigkeit festgestellt werden. Je größer die Home Range ist, desto akkurater sind die Skizzen. Der angenommene Einfluss der emotionalen Verbundenheit auf die
Distanzeinschätzung von Orten wiederum kann in der vorliegenden Studie nicht nachgewiesen werden.
Die Tatsache, dass ein signifikanter Unterschied in der Home Range-Größe erst ab einer bestimmten Anzahl regelmäßig besuchter Orte auftritt, lässt sich anhand der Verbindung
mit einem Geschlechtsunterschied in der Gehgeschwindigkeit problematisieren, welcher häufig als Erklärung für Unterschiede im Streifgebiet genannt wird. Es ist denkbar, dass dieser erst einen Effekt zeigt, wenn weitere Strecken zurückgelegt werden. Dass sich Männer und Frauen im qualitativen Aufbau ihrer Home Range nicht unterscheiden, kann zum einen am Einfluss der stark urbanisierten Umwelt liegen, andererseits methodenkritisch anhand der Erhebungsweise der Qualität der Orte diskutiert werden.
Die Tatsache, dass entgegen den Erwartungen und Resultaten anderer Studien keinerlei Unterschiede im Aufbau der Zeichnungen von Männern und Frauen auftreten, könnte
aus der relativ offenen Aufgabenstellung im Hinblick auf die Skizzen resultieren. So wurden insgesamt wenig Routen und Landmarks eingezeichnet. Die Ergebnisse bezüglich räumlicher Fähigkeiten am Beispiel der Genauigkeit Kognitiver Karten entsprechen denen bestehender Studien dahingehend, dass Männer bessere euklidische räumliche Fähigkeiten besitzen als Frauen. Der Zusammenhang von Genauigkeit und Home Range-Größe stimmt mit der Annahme überein, dass sich gesteigerte räumliche Fähigkeiten als Adaption auf eine größere Home Range und das damit zusammenhängende Zurücklegen weiterer Strecken entwickelt haben. Es kann kein Einfluss von emotionaler Verbundenheit auf die Distanzeinschätzung gezeigt werden. Dies liegt möglicherweise in der mangelhaften Operationalisierung dieser Variable begründet. Zum anderen ist es denkbar, dass ein potentieller Einfluss der emotionalen Verbundenheit auf die Distanzeinschätzung durch den anderer Faktoren, wie zum Beispiel Besuchshäufigkeit oder benötigte Zeit für den Weg, überlagert wird.
Insgesamt geben die Ergebnisse der vorliegenden Studie Hinweis darauf, dass evolutionäre Geschlechtsunterschiede in der Größe der Home Range sowie räumlichen Fähigkeiten auch in westlichen urbanisierten Gesellschaften existieren.
Abstract
(Englisch)
According to the Hunter-Gatherer-Theory men and women evolved different spatial abilities and adapted to differential home ranges based on the sexual division of labor.
Indeed, many previous studies provide evidence of corresponding sex differences in spatial abilities (e.g., orientation strategies, mental rotation, recall of object arrays). On the basis of these different abilities one can assume that cognitive maps of men and women as
a mental representation of the environment differ in quantitative measurable aspects like distance estimation as well as the qualitative structure in form of landmarks and routes. It is also known that factors linked to experience and interaction or associations with places influence the estimation of distances. Furthermore, sex-differential mobility in today’s hunter-gatherer-societies as well as in modern societies is in line with predictions from an evolutionary perspective. In my study I combined the investigation of home range size in an urban environment and spatial abilities by analyzing the accuracy of cognitive maps. On the one hand it was hypothesized that men have a larger home range than women. On the other hand I suggested differences in the quality of cognitive maps. Additionally, an influence of emotional attachment on distance-estimation was supposed.
53 male and 52 female participants drew a sketch of their home range in Vienna depicting all places regularly visited in every-day life. Additionally, participants completed
questionnaires about every drawn place to give information about aspects like frequency of visits, usage, travel time or emotional attachment. The subjects also answered questions
concerning personal issues like age, sociodemographic data or duration of living in Vienna. Based on the drawn places’ geographical locations, real maps of the home ranges were
generated in Google Maps. These maps were compared to the sketches by using Geometric Morphometrics. The accuracy of cognitive maps was quantified by means of Euclidean
distances between the corresponding landmarks in the drawings and the real maps of home ranges. Furthermore, I computed the difference of the distances between the homologous landmarks and the centroid or home. The home range size was calculated as the area of the convex hull as well as mean and sum of distances between the individual
points and the home range’s centroid and the home, respectively.
My results show a non-significant trend for men to have a larger home range. A significant sex difference in ranging occurred in a subsample of participants frequently visiting more than nine places. The mean distances of points to the centroid or home were larger in men’s home ranges. No sex differences in quality of places or composition of sketches can be found. The comparison of sketches and real maps of home ranges reveals that men sketch places more precisely than women. The Euclidean distances between homologous points were smaller on men’s sketches. Moreover, the absolute difference of distances between the homologous landmarks and the centroid/home was larger on maps of female participants. These results suggest that men and women differ in the accuracy of their cognitive maps. In addition, the larger the home range, the more accurate the sketches. A significant influence of emotional attachment on distance-estimation does not persist.
I found a trend in line with previous findings of men having larger home ranges. Significant differences, however, arise only if the home range includes a certain number of
frequently visited places. How might this be explained? Sex differences in home range size have been previously attributed to sex differences in walking speed. It might be argued that these sex differences in walking speed show only a significant effect above a certain threshold of ranging distances caused by a higher number of frequently visited places. The fact that men and women do not differ in quality of places within their home range might be explained by the influence of urban environment. Furthermore, a problematic aspect is situated in the de!nition or operationalization of the places‘ quality. An Explanation for the non-finding of sex differences in composition of sketches might be the open
formulation of the drawing-task. Neither men nor women depicted many routes and landmarks. The findings on accuracy of cognitive maps also confirm previous studies that
found men to outperform women in spatial abilities. The positive connection between home range size and accuracy of cognitive maps is in accordance with the hypothesis that
improved spatial abilities constitute an adaption to increased ranging. An influence of emotional attachment on distance-estimation can not be found. This might result from
the imprecise de!nition of that factor. Moreover, a potential effect might be superposed by the influence of other factors like frequency of visiting or travel-time.
Overall, the findings indicate that evolutionary-based sex differences in home range size and spatial abilities persist in humans living in urbanized western societies.
Schlagwörter
Schlagwörter
(Englisch)
sex differences evolution spatial abilities home range cognitive map
Schlagwörter
(Deutsch)
Geschlechtsunterschiede Evolution räumliche Fähigkeiten Home Range kognitive Karte
Autor*innen
Pia Stephan
Haupttitel (Deutsch)
Geschlechtsunterschiede in urbanen Home Ranges und deren mentaler Repräsentation
Publikationsjahr
2011
Umfangsangabe
74 S. : graph. Darst.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Karl Grammer
Klassifikationen
42 Biologie > 42.21 Evolution ,
42 Biologie > 42.66 Ethologie
AC Nummer
AC08823211
Utheses ID
14177
Studienkennzahl
UA | 439 | | |
