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Afroecuadorianer in Ecuador - die verschwiegene Ethnie
Nikolas Karasek
Art der Arbeit
Diplomarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Fakultät für Geowissenschaften, Geographie und Astronomie
Betreuer*in
Heinz Faßmann
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Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.15808
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-29088.42874.696865-5
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Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Die vorliegende Diplomarbeit behandelt den Zusammenhang zwischen der Zugehörigkeit zur Bevölkerungsgruppe der Afroecuadorianer und sozialer Benachteiligung in Ecuador. Dafür wird zunächst ein historischer Ablauf der schwarzen Bevölkerung Ecuadors aufgezeigt, der sich mit der räumliche Verteilung der Afroecuadorianer in den Gebieten Esmeraldas und dem Chota-Mira-Tal, sowie die späteren Wanderungen in andere Städte Ecuadors beschäftigt. Ein Teil der Bevölkerungsgruppe stammt demnach von gestrandeten Sklaven an der Küste Ecuadors ab, ein anderer Teil geht auf verkaufte Sklaven im Hochland zurück. Daraufhin wird die heutige Verteilung der Afroecuadorianer dargestellt, es erfolgt ein Hinweis auf die Probleme und Schwierigkeiten im Verlauf von Volkszählungen in Ecuador. Die Kombination aus Selbstdefinition in Volkszählungen und Rassismus in der Gesellschaft haben einen Einfluss darauf, dass sozial benachteiligte Volksgruppen nach wie vor dazu tendieren, sich selbst in Volkszählungen einer helleren, sozial erwünschten Bevölkerungsgruppe zuzuordnen. Dies führt dazu, dass die Volksgruppe der Afroecuadorianer, die erst seit 1998 im Rahmen von nationalen Zensen berücksichtigt wird, in den offiziellen Statistiken in geringerer Form auftritt, als dies in der Realität der Fall sein dürfte. Insbesondere die über lange Jahre vorherrschende Hybridisierung und die Tendenz zum Weißsein im Zuge von blanqueamiento und mestizaje prägten die Gesellschaft so stark, dass ein Eigenbekenntnis zur afroecuadorianischen Bevölkerung nicht stattfindet. Der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit liegt auf den vielfältigen Ausgrenzungsprozessen, unter denen Afroecuadorianer heute noch zu leiden haben. Zunächst kann festgestellt werden, dass die räumliche Ausgrenzung der schwarzen Bevölkerung in Ecuador besonders frappierend ist. So lebten im Jahr 2001 70% der Afroecuadorianer in gerade einmal 13 Kantonen. Von diesen 13 Kantonen lagen sechs in der Provinz Esmeraldas. Neben der Stadt Guayaquíl gibt es eine starke Ballung der Bevölkerungsgruppe im Norden des Landes. Außerdem konzentrieren sich mehr als 75% aller Afroecuadorianer auf die ist eine starke Konzentration auf urbane aber dennoch periphere Lagen zu beobachten. Ein Großteil der Bevölkerungsgruppe lebt in Höhenlagen an abgeschiedenen Hängen oder in sumpfigen Gebieten der Außenbezirke von Städten. Schaut man sich die Ausgrenzung auf politischer Ebene an, so kann man festhalten, dass nahezu keinerlei politische Beteiligung von Afroecuadorianern auf nationaler Ebene vorzufinden ist. In der Geschichte des Landes hat es bisher lediglich zwei schwarze Minister gegeben, derzeit sitzt mit Mae Montaño nur eine Abgeordnete afroecuadorianischer Abstammung im Parlament. Trotzdem fanden in den vergangenen 30 Jahren Empowerment-Prozesse statt, die eine stärkere politische Beteiligung der Afroecuadorianer vorangetrieben haben. Heutzutage existieren neben der Regierung in Esmeraldas auch weitere Institutionen und Ministerien, die sich für die politische Miteinbeziehung und die Rechte der Afroecuadorianer einsetzen. Hierbei sind vor allem die Minderheitenvertretung CODAE, das Minderheitenministerium SPPC und die linksradikale Partei MPD zu nennen. In wirtschaftlichen Belangen schneiden Afroecuadorianer durchweg unterdurchschnittlich ab. Sie besitzen mit 13,7% die höchste Arbeitslosenquote aller ethnischen Gruppen, wobei afroecuadorianische Frauen mit rund 18% stärker betroffen sind als die Männer. Insgesamt kennzeichnet sich ihre wirtschaftliche Beteiligung durch niedrigere Löhne, geringeres Sozialprestige und ein Fehlen an sozialer Absicherung. Die Männer sind oftmals im informellen Sektor aktiv, Frauen arbeiten in teilweise schwierigen Verhältnissen als Haushaltsangestellte. Aus diesen Gründen sind Afroecuadorianer häufiger von Armut betroffen als Mitglieder anderer Volksgruppen mit Ausnahme der Indigenen, die bei allen weiteren wirtschaftlichen Parametern noch schlechter dastehen als die Afroecuadorianer. Besonders frappierend ist, dass die Kantone mit hohen Anteilen an afroecuadorianischer Bevölkerung trotz ihrer kritischen Situation weniger finanzielle Leistungen von Seiten des Staates erfahren, als andere Kantone. So wird die soziale Schere zwischen den verschiedenen Ethnien weiter geöffnet. Auch im Bezug auf Bildungsabschlüsse, Analphabetenquoten und die Wohnsituation besitzen Afroecuadorianer durchweg unterdurchschnittlliche Indikatoren. Diese werden jeweils nur von den noch niedrigeren Werten der indigenen Bevölkerung unterboten. Im Bezug auf Bildung lässt sich beobachten, dass schwarze Frauen im innerethnischen Vergleich häufiger hohe Bildungsabschlüsse vorweisen können und eher lesen und schreiben können als Männer – ein Trend, der in keiner anderen ethnischen Gruppe derart stark ausgeprägt ist. Dennoch sind gerade Frauen neben der ethnischen und sozialen Diskriminierung oftmals einer dreifachen Benachteiligung ausgesetzt sind, die zusätzlich noch das Geschlecht einschließt. Afroecuadorianische Frauen wurden in der Vergangenheit oftmals auf körperliche Vorzüge reduziert. Diese Behandlung widerfährt den Frauen auch heute noch oftmals, wobei die Medien im Bezug auf das Bild der schwarzen Frau mit ihren Tanzshows und Telenovelas einen großen Einfluss haben. Die Präsenz der Volksgruppe im öffentlichen Raum beschränkt sich zumeist auf eben solche Shows und die sportlichen Leistungen der männlichen Fußballer, womit die Behauptung aufgestellt werden kann, dass es sich bei den Afroecuadorianern um eine verschwiegene Ethnie handelt. Insgesamt wird ihre Kultur und ihr Vorhandensein weder im Inland noch im Ausland gezielt dargestellt, gelehrt oder beworben. Eine Auseinandersetzung auf historischer Ebene ist an den Schulen des Landes nicht existent. In seiner Außendarstellung sieht sich Ecuador gerne als mestizisches Land mit indigenen Wurzeln, ohne auf die schwarze Bevölkerung des Landes einzugehen. Um diese Nichtbeachtung der Afroecuadorianer in Zukunft zu verringern, existieren seit einigen Jahren acciones afirmativas, politische Ansätze, die die Übervorteilung ehemals benachteiligter Ethnien gewährleisten sollen. So werden seit kurzer Zeit Quoten an öffentlichen Einrichtungen durchgesetzt und Stipendien an schwarze Studenten vergeben, um eine positive Entwicklung der Afroecuadorianer zu sichern. Die letzten Kapitel der vorliegenden Diplomarbeit beschreiben die Arbeit an zwei Fallstudien. Einerseits wird die Situation der Afroecuadorianer in ihrem historischen Verbreitungsgebiet, Esmeraldas, dargestellt. Hierbei zeigt sich, dass auch in einer Region mit einem hohen Anteil an schwarzer Bevölkerung soziale Schieflagen die Regel sind. Nach Schätzungen der CODAE leben rund 40% der schwarzen Bevölkerung Esmeraldas’ in sogenannten barrios urbano-marginales, städtischen Slums, die kaum mit der nötigsten Infrastruktur wie Abwasser- oder Müllentsorgung ausgestattet sind. Zudem liegen beispielsweise die Kinderzahlen in diesen Gebieten mit teilweise bis zu 10 Kindern pro Frau deutlich über dem Landesschnitt. Oftmals leben schwarze Familien in ärmlichen Holzbaracken mit über 15 Personen auf wenigen Quadratmetern, wobei der monatliche Familienverdienst 150 US-Dollar kaum übersteigt. Auch auf regionaler Ebene ist im Bezug auf Verkehrswege und medizinische Versorgung eine unzureichende Infrastruktur zu beobachten. Für ein Gebiet, das etwa so groß wie die Steiermark ist, existiert gerade einmal ein allgemeines Krankenhaus. Einzig im Bezug auf die politische Beteiligung der schwarzen Bevölkerung hat sich Esmeraldas in den vergangenen 13 Jahren als Musterregion gezeigt. Auf der anderen Seite wird die Situation der Afroecuadorianer als zugewanderte Minderheit am Beispiel Quito aufgezeigt. Seit den 1950er Jahren hat im Zuge der Landflucht insbesondere aus dem Chota-Mira-Tal eine Zuwanderung von Afroecuadorianern in die ecuadorianische Hauptstadt stattgefunden. Heute machen sie nach offiziellen Zahlen rund 3% der lokalen Bevölkerung aus. Gerade in Quito lassen sich starke Konzentrationen feststellen, die sich auf die Hanglagen an den großen Zufahrtsstraßen beschränken. Die ersten Siedler ließen sich aufgrund der Nähe zur alten Heimat in diesen Randlagen nieder, die noch immer zu den ärmsten Gebieten der Stadt gehören. In einigen Teilen der Stadt stellen Afroecuadorianer heute über 50% der Bevölkerung, teilweise sind Straßenzüge beinahe zu 100% von Afroecuadorianern bewohnt. Die Bezirke wie Pisulí oder Comité del Pueblo kennzeichnen sich durch hohe Armutsanteile, hohes Gewaltpotential und Bandenkriminalität. Die Familien finden aufgrund des alltäglichen Rassismus’ jedoch zumeist keine Wohnungen in anderen Stadtteilen, weshalb sie sich in diesen ethnischen Slums ansiedeln. Viele der neuen Zuwanderer nach Quito bauen ihre Hütten in Bezirken, in denen noch keinerlei Infrastruktur vorhanden ist. Erst nach und nach findet auch hier aufgrund von sozialem Druck eine Mindestversorgung statt.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Englisch)
Ecuador Afro-Ecuadorian Esmeraldas Ethnicity South America Minorities Empowerment
Schlagwörter
(Deutsch)
Ecuador Afroecuadorianer Esmeraldas Ethnizität Südamerika Minderheiten Empowerment
Autor*innen
Nikolas Karasek
Haupttitel (Deutsch)
Afroecuadorianer in Ecuador - die verschwiegene Ethnie
Publikationsjahr
2011
Umfangsangabe
VI, 162 S. : Ill., graph. Darst., Kt.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Heinz Faßmann
Klassifikationen
74 Geographie > 74.09 Sozialgeographie ,
74 Geographie > 74.26 Mittelamerika, Südamerika
AC Nummer
AC08819075
Utheses ID
14190
Studienkennzahl
UA | 453 | | |
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