Detailansicht
Andrea Doria
fürstliche Selbstdarstellung im Spiegel bildnerischer Repräsentation
Wolfgang Loibl
Art der Arbeit
Diplomarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Betreuer*in
Ingeborg Schemper-Sparholz
DOI
10.25365/thesis.15887
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-16427.65144.837029-8
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)
Abstracts
Abstract
(Deutsch)
Andrea Doria war eine Schlüsselpersönlichkeit der ligurischen und europäischen Geschichte der ersten Hälfte des Cinquecento und einer der mächtigsten italienischen Renaissancefürsten seiner Zeit. Die vorliegende Studie beleuchtet die künstlerischen Strategien, mit denen er gemäß den ungeschriebenen Gesetzen der Renaissancegesellschaft einen diesem Status angemessenen Prunk entfaltete.
Die Abhandlung beginnt mit der Erörterung des ikonographischen Ausstattungsprogrammes des Palazzo vor den Mauern Genuas, den der Fürst durch den Raffael-Schüler Perino del Vaga im bis dahin in Ligurien unbekannten Stil der Hochrenaissance dekorieren ließ. Es folgt die Besprechung des Umbaus der dorianischen Familienkirche San Matteo, und danach die Vorstellung von Medaillen und Plaketten mit dem Abbild des Principe. Breiter Raum wird in der Folge den erhaltenen Porträtgemälden, insbesondere von Sebastiano del Piombo und Agnolo Bronzino, gewidmet. Die Untersuchung schließt mit der Behandlung der von der Republik Genua beauftragten überlebensgroßen Ehrenstatue für Andrea Doria.
Die Arbeit geht auch der Frage nach, ob der Principe einen fürstlichen Hof („corte“) unterhielt. Andrea Doria war Fürst von Melfi und Tursi in Süditalien, hatte aber in Genua keinen territorialen Herrschaftsanspruch. Seine Machtstellung als de facto-Signore der Hafenstadt beruhte ausschließlich auf seiner persönlichen Vermittlerrolle als Verbündeter Karls V. und Garant der Loyalität Genuas sowie ihrer republikanischen Freiheit. Zur Gesamtheit eines Hofes gehören im Wesentlichen ein Herrschaftsgebiet, eine prunkvolle, wehrhafte Residenz im Stadtzentrum als unübersehbarer Mittelpunkt der Herrschaftsmacht, eine Patronatskirche mit imposanter Grablege, ein Hofstaat von Verwaltungsbeamten, Bedienten, Höflingen, Künstlern und humanistisch gebildeten Intellektuellen, sowie Rituale, die den herausgehobenen Stand des Herrschers durch sichtbare Auszeichnungen wie Huldigungsfestzüge, Orden, Titel und Pfründe markieren. Der Souverän seinerseits hatte seine gesellschaftliche Vorrangstellung durch verschwenderische Großzügigkeit und prächtige Selbstrepräsentation mit den Mitteln der Kunst sinnfällig zur Schau zu stellen.
Das dorianische Anwesen zeigt eine Mischform von Palazzo, Villa suburbana und Portikusvilla am Meer und entspricht nach Ausmaß, Form und Lage einer ländlichen Fürsten-Residenz. Erst die prunkvolle Innenausstattung machte das Gebäude zur fürstlichen Hochrenaissance-Villa im Stil der römisch-florentinischen „maniera“. Die Ikonographie der Freskengemälde war unter symbolischem Rückbezug auf das republikanische Rom voll auf die Verherrlichung des Palasteigners als friedensbringender „neuer Augustus“ ausgerichtet, der Genua als „neuem Rom“ Frieden, Wohlstand und ein Goldenes Zeitalter sicherte. Eine inhaltliche Orientierung der kostspieligen Ausstattung auf Karl V. für dessen nur seltene Besuche ist dagegen wenig wahrscheinlich. Die repräsentative Bautätigkeit des Doria zur Wahrung einer sichtbaren, ewigen „memoria“ umschloss auch die Familienkirche San Matteo, die er nach dem avanciertesten Stand der Renaissancearchitektur umgestalten ließ.
Andrea Doria verfügte über keinen Beamtenapparat zur Verfolgung von Staatsgeschäften, beschäftigte jedoch schreibgewandte Mitarbeiter und Sekretäre. In seinem Dienst standen berühmte Künstler wie Perino del Vaga, der für die kostbaren Textilien der Residenz verantwortliche Nicola Valentini, sowie der bedeutende Bildhauer Montorsoli und weitere namhafte Meister wie Beccafumi, Pordenone, Cosini und andere. Daneben dürfte sich auch ein intellektueller Kreis von Humanisten um die Residenz gebildet haben, die ein gewichtiger finanzieller wie geistiger Anziehungspunkt war.
In seiner bildlichen Selbstdarstellung hielt sich der Fürst in auffälliger Weise zurück, vermutlich um nicht andere ligurische Adelsgeschlechter durch auffälligen Personenkult zu antagonisieren: die bedeutendsten Porträts stammen von anderen Kommittenten, und bei den wenigen anderen erhaltenen Bildnissen (wie auch bei den Medaillen und Plaketten mit Porträtdarstellungen, z. B. von Leone Leoni) ist ungewiss, ob sie vom Principe selbst beauftragt wurden. Die ihm von Genua gewidmete kolossale Ehrenstatue kam nicht auf sein erkennbares Betreiben zustande.
Wollte Andrea Doria mit Hilfe eines Hofes eine dynastische Herrschaft in Genua errichten? Die Anzeichen sprechen eher dagegen. Der Condottiere hatte keine leiblichen Nachkommen, seine Grablege in der kleinen Krypta war nur für ihn und seine Gemahlin ausgelegt, und das eifersüchtige Geltungsstreben anderer Adelsfamilien hätte einer dynastischen Signorie entschiedenen Widerstand entgegengesetzt.
Hof oder nicht? Die oben dargestellten Elemente weisen zahlreiche, wiewohl nicht alle einen italienischen Renaissance-Hof kennzeichnenden Eigenschaften auf. Man wird deshalb zwar nicht von einer „privaten Residenz – fürstlich, aber nicht herrschaftlich“ sprechen, wohl aber die Palastvilla Andrea Dorias unter Berücksichtigung seiner Person und politischen Machtstellung sowie nach Ausstattung und herrschaftlichem Anspruch als einen „Hof sui generis“ bezeichnen können.
Abstract
(Englisch)
In the first half of the Cinquecento, Andrea Doria was a key figure of Ligurian and European history and one of the most powerful Renaissance princes of his time. This paper attempts to analyse the artistic strategies by which he deployed a level of pomp and splendor that was duly representative of his status in compliance with the unwritten laws of Renaissance society. It starts out by examining the Palazzo in Fassolo, which Perino del Vaga – a disciple of Raphael – was in charge of decorating in High Renaissance style, yet unknown in Genoa at the time. Furthermore, this paper addresses the questions relating to the interpretation of the iconography used in del Vaga’s frescoes. After analysing the reconstruction of the Doria family church San Matteo, a presentation of the medals and plaquettes with the prince’s engraved portrait follows. Subsequent passages are dedicated to various problems concerning the portrait paintings of Andrea Doria by Sebastiano del Piombo and Agnolo Bronzino. The text concludes with an analysis of the more than life-size honorary statue dedicated to the great citizen of the Republic of Genoa.
This study also deals with the question of whether the “Principe“ entertained a princely court (“corte”). Andrea Doria was the Prince of Melfi and Tursi in Southern Italy, but had neither a formal title nor a claim to territorial sovereignty in Genoa. He owed his status as the de facto Signore of the city only to his personal role as the guarantor of Genoa’s loyalty to Emperor Charles V and of the city’s free status as a Republic. Usually the notion of “court” denotes having jurisdiction over a territory from a splendid and fortified urban residence as a visible center of power, a family church with an impressive sepulchre, civil servants, laqueys, courtiers, artists, and intellectuals as well as rituals like encomiastic processions, distinctions, titles and prebends that underline the prominent rank of the sovereign. At the same time, the ruler had to publicly demonstrate his preeminence through lavish generosity as well as somptuous self-representation by the means of art.
The Doria palace outside the city walls is a mixture of Palazzo, villa suburbana, and porticus villa on the seaside. On the basis of its size, shape, and location it can be considered a princely country residence. It was only thanks to the magnificent interior decoration that the building adopted the character of a princely High Renaissance villa in the style of the Roman-Florentine “maniera.” The frescoes glorified the owner of the palace as a “new Augustus,” bringing peace, welfare and a Golden Age to Genoa as a “new Rome.” An interpretation of the costly wall paintings as a glorification of Charles V is highly unlikely since the Emperor paid only very few visits to Genoa. Andrea Doria´s prestigious construction activity destined to secure a visible eternal “memoria” also included the family church, which he had refurbished according to the latest Renaissance architectural trends. Several famous artists worked for Doria, such as Perino del Vaga, Nicola Valentino, who was responsible for the precious textiles in the residence, the famous sculptor Angelo Montorsoli, and renowned masters like Beccafumi, Pordenone, Cosini, and others. The residence was also an important financial and spiritual attraction for humanist intellectuals.
Amazingly, the prince conspicuously refrained from artistic self-display, undoubtedly in order not to antagonize other Ligurian aristocratic families by creating a personality cult around himself. His portraits were either ordered by others or their commissioners are unknown, which is also true for the medals and plaquettes that feature Doria’s portrait. No sources indicate that the colossal statue erected in his honor was made at the prince’s own instigation.
Did Andrea Doria intend to establish a dynastic rulership in Genoa by means of a court? The evidence at hand does not support this idea. The condottiere had no direct successor, the tomb in the family crypt was destined only for himself and his wife, and the Ligurian nobility´s jealous aspirations for power and influence would have offered stern opposition to a dynastic signoria. Did he entertain a court or not? Some of the elements listed above do exhibit characteristics of an Italian Renaissance court, whereas others do not. Therefore, it seems appropriate to define Andrea Doria’s palace villa as a “court sui generis”, taking into account its luxurious furnishings, its splendour, and Doria´s personality and political position of power.
Schlagwörter
Schlagwörter
(Englisch)
Andrea Doria Genoa Italian Renaissance court/ self-representation Bronzino /Sebastiano del Piombo Bandinelli Montorsoli
Schlagwörter
(Deutsch)
Andrea Doria Genua Italienische Renaissance Fürstenhof fürstliche Selbstrepräsentation Bronzino Sebastiano del Piombo/Bandinelli Montorsoli
Autor*innen
Wolfgang Loibl
Haupttitel (Deutsch)
Andrea Doria
Hauptuntertitel (Deutsch)
fürstliche Selbstdarstellung im Spiegel bildnerischer Repräsentation
Publikationsjahr
2011
Umfangsangabe
215 S. : Ill., graph. Darst.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Ingeborg Schemper-Sparholz
AC Nummer
AC08769458
Utheses ID
14257
Studienkennzahl
UA | 315 | | |