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Das Thema Hominidenevolution im Oberstufen-Biologieunterricht österreichischer Gymnasien (allgemeinbildende, höhere Schulen)
Cornelia Fitsch
Art der Arbeit
Diplomarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Fakultät für Lebenswissenschaften
Betreuer*in
Gerhard Weber
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Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.15984
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-29277.23746.701462-7
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)

Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Das Thema menschliche Evolution ist ein schnell wandelbares Feld der Forschung, das die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich zieht, da Berichterstattungen neuer Funde unserer Vorfahren sich laufend in den Medienfinden. Unsere gemeinsame Abstammung mit den modernen Menschenaffen gilt heutzutage als gesichert. In den letzten Jahren hat sich allerdings eine Gegenströmung etabliert, die die Evolutionslehre im Sinne Darwins in Zweifel zieht. Anhänger religiöser Schöpfungstheorien, wie Intelligent Design und Kreationismus, greifen in den USA in die Ausbildung in Biologie an öffentlichen Schulen ein. Auch die Akzeptanz der Bevölkerung hinsichtlich der darwinschen Evolutionstheorie ist eher im Schwinden als im Ansteigen begriffen. Dies ist mittlerweile nicht mehr ausschließlich ein Phänomen in den USA, sondern auch der alten Welt, wie Beispiele aus Polen und der Türkei zeigen. Die vorliegende Studie beschäftigt sich daher mit Aspekten der Ausbildung der heimischen SchülerInnen in Hominidenevolution. Die menschliche Evolution wurde in der letzten Lehrplanreform für die AHS stark gekürzt. Auf Grund der oben geschilderten Entwicklungen sollte aber im Gegenteil die Ausbildung in menschlicher Evolution an Schulen, aber auch generell die Weiterbildung der Bevölkerung, ein wichtiges Anliegen sein. Ziel dieser Studie war es herauszufinden, wie die Ausbildung in Hominidenevolution in den Abschlussklassen der allgemeinbildenden Schulen in Österreich zurzeit aussieht. 157 MaturantInnen allgemeinbildender höherer Schulen in den Bundesländern Niederösterreich, Oberösterreich, Steiermark und Wien wurden für diese Studie herangezogen. Das Ausmaß des Wissens österreichischer gymnasialer MaturantInnen bezüglich der menschlichen Evolution wurde mittels Fragebögen erhoben, ebenso wie Fragen über den Unterricht in Hominidenevolution und nach den allgemeinen Merkmalen des Biologieunterrichts. Dieses Bild wurde erweitert durch die Befragungen mit den an der Universität Wien für die Ausbildung der BiologielehramtskandidatInnen verantwortlichen Universitätsprofessoren, sowie Befragungen einzelner BiologielehrerInnen österreichischer Gymnasien. Zusätzlich wurde ein Interview mit Prof. Kattmann, einem Experten der Didaktik in Biologie geführt. Abschließend wurden nationale und internationale PaläoanthropologInnen ersucht, ihre Erfahrung über das Wissen der StudentInnen bezüglich dieses Themas und die Situation der schulischen Ausbildung in ihrem Land zu schildern. Die Ergebnisse zeigen, dass 87% der österreichischen AHS-MaturantInnen das Thema menschliche Evolution im Unterricht behandeln und 75% aller SchülerInnen daran interessiert sind, wie auch die interviewten BiologielehrerInnen bestätigen können. Der Großteil der befragten SchülerInnen weiß über zwei wichtige Aspekte der menschlichen Evolution Bescheid: Der nächste heute lebende Verwandte des modernen Menschen ist der Schimpanse und die relative Größe des Gehirns steht in Zusammenhang mit seiner Leistungsfähigkeit. Andere, auch einfache Fragen (beispielsweise nach dem ungefähren Zeitraum der Entstehung unserer eignen Art) zur Hominidenevolution können sie jedoch großteils nicht korrekt beantworten, weit weniger als die Hälfte der Befragten wusste die richtigen Antworten auf die anderen Wissensfragen, manche Fragen konnten nur von einer absoluten Minderheit korrekt beantwortet werden. Dies führt zu dem Ergebnis, dass, wäre dieser Fragebogen ein Test im Biologieunterricht gewesen und nach schulischen Kriterien benotet worden, 61% der SchülerInnen mit einem "Nicht genügend" beurteilt worden wären. Es entsteht der Eindruck, dass hier durchaus Aufholbedarf besteht. Generell zeigt sich, dass zwar die meisten der befragten SchülerInnen mit menschlicher Evolution im Unterricht konfrontiert werden, aber nur wenig über neuere Erkenntnisse(etwa der letzten 10 Jahre) in diesem Forschungsfeld informiert sind und veraltetes Wissen sich auch sehr lange halten kann. Der Biologieunterricht findet in jeder der befragten Schulen in einem ähnlichen Ausmaß statt. Drei Jahre dauert er in der Oberstufe, zwei bis vier Stunden werden insgesamt in der Oberstufe dem Thema menschlicher Evolution im Schnitt gewidmet. Anschauungsmaterialien, wie bildliche und schriftliche Ergänzungen in Gestalt von Fernsehdokumentationen und Powerpointpräsentationen, werden oft verwendet. Abgüsse fossiler menschlicher Funde sind im Unterricht zu knapp 34% in Verwendung, da sie nach den Schilderungen mancher BiologielehrerInnen zeitaufwändig und für die SchülerInnen wenig informativ sind. Generell wären die LehrerInnen an der Verwendung neuer Lehrmittel interessiert, vorausgesetzt sie werden gemeinsam mit Aufgabenblättern in den Unterricht eingebunden. Der finanzielle Aspekt spielt bei der Anschaffung neuer Lehrmittel allerdings eine nicht unbedeutende Rolle. Die Ausbildung der LehramtskandidatInnen in menschlicher Evolution gestaltet sich rudimentär, da es keine gesonderte, verpflichtende Vorlesung zu diesem Thema im Rahmen ihres Studiums gibt. Die befragten UniversitätsprofessorInnen können das bestätigen. Wird nun der Wissensstand der Diplom-Studentinnen der Biologie und ähnlicher Disziplinen betrachtet, zeigen die Erkenntnisse der internationalen ExpertInnen, dass ihre StudentInnen zu Studienbeginn, wenn überhaupt, wenig über die menschliche Evolution wissen. Auch ist die Ausbildung an den Colleges in den Vereinigten Staaten hinsichtlich Hominidenevolution äußerst rudimentär, wie einige ExpertInnen zu berichten wissen. In Österreich gestaltet sich die Situation ähnlich, wobei aber zu erwähnen ist, dass die StudentInnen zumindest mit einem Basiswissen zu diesem Thema beginnen. Dies bezieht sich auf die Absolventen allgemeinbildender, höherer Schulen, da in den berufsbildenden höheren Schulen kein Biologieunterricht stattfindet. Die befragten ProfessorInnen, besonders die PaläoanthropologInnen der USA, sind der Ansicht, dass Hominidenevolution auf jeden Fall Bestandteil des schulischen Lehrplanes sein sollte. Bei der Frage nach dem Ausmaß, sind sie sich nicht ganz einig. Dennoch sind die ProfessorInnen der Meinung, dass auch schon jüngere SchülerInnen, im Alter ab zehn Jahren, die menschliche Evolution begreifen können und das Thema sich wie ein roter Faden durch den Biologieunterricht aller Schulstufen ziehen sollte. Auf die geologischen Zeiträume sollte ein besonderes Augenmerk gerichtet werden, da die SchülerInnen gewisse Verständnisprobleme damit haben. Diese Ergebnisse zeigen, dass die menschliche Evolution an den Schulen unterrichtet wird, wenngleich auch in einem rudimentären Ausmaß und mit wenig Bezug zu aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Die religiösen Schöpfungstheorien ID und Kreationismus dürften in Österreich noch keinen allzu großen Einfluss ausüben. Da die SchülerInnen an Hominidenevolution und an Biologie allgemein durchaus sehr interessiert sind, ergibt sich hier ein Ansatz zur Verbesserung des Unterrichts. Dieses Interesse beeinflusst das Wissen der SchülerInnen positiv und sollte gefördert werden. Hominidenevolution könnte bereits in der Unterstufe unterrichtet werden, am besten begleitend zu anderen Themen der Biologie, da Kinder in diesem Alter durchaus in der Lage sind, diesen Stoff zu begreifen. Querverbindungen von der Evolution zu anderen Themen können das Verständnis für diesen doch komplexen Sachverhalt fördern und auf der anderen Seite medizinische und genetische Themen viel verständlicher machen. Die Frage "Was ist der Mensch?" kann nur beantwortet werden, wenn seine Evolution mit einbezogen wird (Simpson 1966). Andernfalls bleibt der Biologieunterricht eine verkürzte Sicht auf das "Wie funktionieren wir", aber lässt alles im Dunkeln was das "Warum funktionieren wir so" betrifft. Die Verwendung von Unterrichtsbehelfen, unter anderem auch brauchbarer Abgüsse menschlicher Fossilien, sollte im Unterricht forciert werden. In Zusammenhang mit Aufgabenblättern wäre es den SchülerInnen möglich, mit Hilfe von Abgüssen fossiler Schädel und postcranialen Knochen sich Wissen selbstständig anzueignen. Unsere Resultate zeigen, dass ein starker Zusammenhang zwischen der Verwendung von Anschauungsmaterialien und dem Wissen über menschliche Evolution besteht. Weitere Verbesserungsvorschläge könnten zukünftig von UniversitätsprofessorInnen der Paläoanthropologie und BiologielehrerInnen im Rahmen einer Arbeitsgruppe entwickelt werden. Auch scheint das Interesse der SchülerInnen an Biologie eine gewisse positive Rolle bei der Vermittlung des Wissens in Hominidenevolution zu spielen. Weitere Studien könnten über diesen Sachverhalt konkretere Ergebnisse liefern.
Abstract
(Englisch)
“Human evolution” is a very fast developing and changing domain in science which attracts attention all over the place. Every new finding of one of our fossil relatives is followed by press coverage. We can be sure about the fact of biological evolution and even about the existence of a common ancestor of modern humans and great apes, although it has not yet been recovered. Nevertheless, Darwin’s theory of evolution gets challenged in the last years. Two religious creation myths, Intelligent Design and Creationism, gained more and more acceptance in the USA over the last years and this already influenced the education in biology at US-American high schools. People in the US lose their faith in Darwin’s theory of life. This situation is not only limited to the United States and starts to appear also in Europe, e.g. in Poland and Turkey. This study therefore deals with aspects of the education in hominid evolution at Austrian secondary schools, the so called “Gymnasium”. The last reform of the syllabus for biology lessons in those secondary schools resulted in a strong reduction of the topic human evolution. However, with regard to the developments mentioned above, there should be a vital interest of developed societies to promote general education in higher schools as well as the education of the general public with regard to its own biological origins, and, of course, to consider the related training at universities. The goal of this study was to gain an overview how Austrian pupils in secondary schools are educated regarding the topic human evolution. Furthermore, the educational design in this area was of interest for this paper. 157 pupils at the end of their final school year ("Maturaklasse") of four Austrian federal states, Lower Austria, Upper Austria, Styria and Vienna, were asked to fill in a questionnaire. One part of the questions dealt with the general structure of the class and the education in biology (how many years of education in biology, how many lessons handling human evolution, etc.). The second part of the questionnaire tried to assess the pupil’s actual knowledge in human evolution. Moreover, interviews with University teachers, who are responsible for the education of future biology teachers at the University of Vienna, experts in palaeoanthropology, biology teachers in Austrian higher schools, and one expert in didactics (Prof. Kattmann) were included. The international experts in palaeoanthropology should describe the situation in their countries, their experience with first year students, and their opinion about what should be taught in human evolution. Results show that 75% of the Austrian pupils included in this study are generally interested in human evolution and 87% covered the topic in school, as was also confirmed by the teachers. Most of the pupils were aware of two important facts: our closest living relative is the chimpanzee, and the relative size of the brain correlates with its performance. Other, even simple questions (as, for instance, the approximate period when our own species emerged) could not be answered correctly by even a half of the pupils, some other questions only by an absolute minority of one or two individuals. This leads to the result that, if this questionnaire would have been an exam corrected by academic criterias, 61% of all pupils would have failed this test. It seems that there is a need to catch up. In general it could be shown that most of the pupils got in touch with the topic human evolution but they were not informed well about current findings (from the last ten or twenty years) in this field of research while outdated "wisdom" may persist for a long time. The extent to which biology lessons were conducted in the schools involved in this study was quite similar. On average, biology is taught three years in higher schools, two to four hours (in total) are devoted to the topic human evolution. Demonstration materials like written und visual supplementations in the shape of TV-documentations und Powerpoint-presentations are used frequently. Casts of human fossils are used more rarely (only about 34%) because they need too much time for handling and, as some teachers claim, are not very informative. In general, the polled teachers would be interested in new teaching aids but only if they are offered together with working sheets for the class. The financial aspect also seems to be an important part in the acquirement of new demonstration materials. The training of future teachers at universities can be characterised as being rudimentary with regard to human evolution. There is no obligatory particular course regarding this topic during their education. The interviewed university professors can confirm this situation and add that beginning students in biology have very little knowledge about human evolution. The education at the colleges in the United States is also similarly rudimentary, as some experts reported. The results here concern only alumni of secondary schools which focus on general education because there is no biology class at all in many professional schools (for instance technical schools). The polled university professors, especially the paleoanthropologists in the US, think that human evolution should be part of the school curriculum in any case. With regard to the extent of such an education, experts do not agree. Nevertheless, the professors are in complete agreement that younger pupils, approximately from year ten of age, are able to understand human evolution and that the topic should be a central theme in all biology classes with connexions to other fields as well. The attention also should be drawn on geological epochs because the pupils have comprehension problems with this field of science. The results of this pilot study show that human evolution is taught at higher schools although to a minor extent and often with only little relation to current scientific developments. The religious creation myths like ID and creationism do not seem to have a big influence in our sample. There is a good chance for improvement since results document the high interest of pupils in biology and human evolution. This interest influences the knowledge of the pupils in a positive way and should be brought forward. Education in human evolution could be started already in lower grades because children of this age are likely able to understand this topic, especially in companion with other topics in biology. Cross links from evolution to other topics might improve the understanding of this complex issue considerable and at the same time create comprehension in other topics such as medicine or genetics. The question “What is the human being?” can only be answered if evolution is considered (Simpson, 1966). Otherwise the biology class offers only a shortened view on the question “how do we function”, but it does not shed light on the question “Why are we functioning this way?”. The frequency for using demonstration materials, among them for instance quality casts of human fossils, should be increased in the education of human evolution in higher schools. In combination with working sheets the pupils would be able to acquire knowledge on their own by using casts of hominid skulls and postcranial elements. Our results show that there is a strong correlation between the use of demonstration materials and the knowledge about human evolution. Further suggestions for improvements could be developed in a collaboration of paleoanthropologists and biology teachers. The available interest of the individual pupils for biology plays an important role in the transfer of knowledge. Further studies could provide more detailed data in this respect.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Englisch)
Human evolution Highschool
Schlagwörter
(Deutsch)
Hominidenevolution Gymnasium allgemeinbildende, höhere Schule Unterricht
Autor*innen
Cornelia Fitsch
Haupttitel (Deutsch)
Das Thema Hominidenevolution im Oberstufen-Biologieunterricht österreichischer Gymnasien (allgemeinbildende, höhere Schulen)
Publikationsjahr
2011
Umfangsangabe
144, XV S. : Ill., graf. Darst., Kt.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Gerhard Weber
Klassifikationen
42 Biologie > 42.04 Ausbildung, Beruf, Organisationen ,
42 Biologie > 42.21 Evolution
AC Nummer
AC08794584
Utheses ID
14340
Studienkennzahl
UA | 442 | | |
Universität Wien, Universitätsbibliothek, 1010 Wien, Universitätsring 1