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Frauen in der geschlechtlichen Arbeitsteilung von kleinbäuerlichen Maya-Haushalten in Yucatán
Fallbeispiel aus dem Biosphärenreservat Calakmul
Silvia Wojczewski
Art der Arbeit
Diplomarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Fakultät für Sozialwissenschaften
Betreuer*in
Patricia Zuckerhut
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DOI
10.25365/thesis.16478
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-29053.28992.675265-0
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)

Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Die Diplomarbeit beschäftigt sich mit der geschlechtlichen Arbeitsteilung unter besonderer Berücksichtigung der Rolle der Frau in kleinbäuerlichen Maya-Haushalten aus Pachuitz, einer Dorfgemeinschaft im Biosphärenreservat Calakmul auf der Halbinsel Yucatán in Mexiko. Die sechsmonatige Feldforschung für die Arbeit fand in enger Kooperation mit den Haushaltsmitgliedern sowie dem Forschungsinstitut ECOSUR statt. Die Diplomarbeit besteht grundsätzlich aus drei Teilen: Der erste Teil beschäftigt sich mit feministischer Anthropologie und liefert den theoretischen Rahmen für die Arbeit. In diesem werden euroamerikanische Konzepte zu geschlechtlicher Arbeitsteilung und die Differenzen-Debatte des Feminismus in den Kontext zu indigenen Maya-Geschlechterkonzeptionen gesetzt. Im nächsten Teil wird die Forschungsregion sowie die Feldforschung vorgestellt und erläutert, mit welchen Methoden ich arbeitete. Die Analyse der Geschlechterrollen in der Haushaltsorganisation in Maya-Haushalten ist das Thema des dritten Teils der Arbeit. Die empirischen Daten, die ich aus semistrukturierten Interviews und aus der Teilnehmenden Beobachtung gewinnen konnte werden hier mittels der Qualitativen Inhaltsanalyse von Mayring interpretiert. Ich stelle fest, dass das Konzept der Dichotomie von öffentlich/privat oder Produktion/Reproduktion, wie in einem kapitalistisch-liberalen Kontext von FeministInnen, auch von lateinamerikanischen, untersucht um die historische Kontinuität von Geschlechterasymmetrien zum Nachteil von Frauen weltweit aufzudecken, nicht auf die kleinbäuerlichen Maya-Haushalte angewandt werden kann. Ein Sinnbild dieser benachteiligten Position wäre die Verschiebung des weiblichen Bereichs in den Haushaltsbereich. In den untersuchten Haushalten in Pachuitz verhält es sich nun so, dass die Frauen zwar u.a. auch für haushälterische Tätigkeiten verantwortlich sind; jedoch werden diese nicht als im privaten Bereich angesiedelt angesehen. Denn unterschiedliche Betätigungsfelder sind in Pachuitz nicht dichotomisch getrennten Sphären öffentlich/privat zuzuordnen und so wird die Arbeit, welche Maya-Frauen im Haushaltsbereich erledigen, wie die Essenszubereitung und die Hausgartenbewirtschaftung, genauso als Arbeit angesehen und gewertet, wie die entlohnten Arbeiten oder Subsistenzarbeiten, welche von Männern verrichtet werden. Bei einer anthropologischen Untersuchung gesellschaftlicher Positionierungen des weiblichen Geschlechts müssen folgend kulturelle, ethnische, soziale und historische Unterschiede zwischen Frauen mitgedacht werden, auf die gleiche Weise wie, auf individueller Ebene, persönliche Vorlieben und sexuelle Orientierung bei einer Analyse relevant sind. Dies wird in poststrukturellen feministischen Diskursen zu Differenzen zwischen Frauen betont. Um die geschlechtliche Arbeitsteilung in den kleinbäuerlichen indigenen Haushalten zu verstehen ist es notwendig, sich mit dem Konzept des traditionellen Maya-Wirtschaftssystems zu beschäftigen, welches im Kern aus der Bewirtschaftung von Hausgarten und Milpa, den Näharbeiten und der Ausübung der Bienenzucht besteht. Im Rahmen dieses Systems ist in Pachuitz die Geschlechtsidentität eng an die Ausübung bestimmter Tätigkeiten geknüpft, wobei die Frauen hauptsächlich für den Hausgarten, die Näharbeiten und die Nahrungszubereitung zuständig sind und die Männer für die Bewirtschaftung der Milpa und die Bienenzucht. Die geschlechtliche Teilung der Aufgaben in den kleinbäuerlichen Haushalten ist durch das indigene Prinzip der Komplementarität geprägt. Zentral für die Komplementarität der Geschlechter in der Arbeitsteilung ist die Maispflanze, welche für die wirtschaftlichen Aktivitäten und für die Kultur der Maya von elementarer Bedeutung ist. Der Alltag der Frauen in Pachuitz ist geprägt durch den langwierigen Herstellungsprozess der Tortillas, die aus dem Mais, der auf den Milpas wächst, täglich geformt und gebacken werden. Innerhalb der weiblich konnotierten Arbeitsbereiche können Frauen ein hohes Maß an Selbstbestimmung und Autonomie erfahren. Im Hausgarten bauen Frauen nicht nur für den eigenen Konsum Pflanzen an oder züchten Kleinvieh. Die meisten Frauen tauschen untereinander; aber sie verkaufen auch Kleinvieh, wodurch oft höhere Geldsummen erwirtschaftet werden. Dies macht die Tatsache weniger überraschend, dass es mehrheitlich die Frauen der 155 Haushalte sind, welche die Geldressourcen verwalten. Der Faktor der Einbettung, das Integriertsein in soziale Strukturen der Familie, Großfamilie, Nachbarschaft, Gemeinschaft ist, zu gleichem Maße, essentiell. Frauen stützen sich dafür auf die Kooperationen mit Frauen in- und außerhalb der Familie. Bei dem Thema der Spielräume für Frauen komme ich zu dem Schluss, dass es für Frauen schwierig ist, sich aus den traditionellen Aufgabenfeldern zu lösen, um anderen Tätigkeiten nachgehen zu können, wie auf der Milpa zu arbeiten oder als Imkerin. Für Frauen, die ihre Aufgaben an andere erwachsene weibliche Mitglieder ihres Haushaltes abtreten können, ist die Situation einfacher als für diejenigen, denen das nicht oder nur zum Teil möglich ist. Ob und wie weitgehend eine erwachsene Frau in Pachuitz aus ihrer traditionellen Rolle heraustreten kann, sollte sie dies wünschen, hängt eng mit der Haushaltsgröße, der Altersverteilung sowie der Geschlechterverteilung der Haushaltsmitglieder zusammen. Seit der Kolonialzeit wird das sozioökonomische System der Maya auf verschiedene Art und Weise bedroht. Heute wird die Lebensweise der indigenen Bäuerinnen und Bauern vor allem durch die expandierende industrielle Landwirtschaft bedroht. Ein weiterer Druck entsteht durch die wachsende Emigration in touristische Zentren Yucatáns. Gegenläufig zu diesem Trend ist Pachuitz heute nur von geringer, temporärer Migration betroffen. Viele Haushalte sind Mitglied in einer Biohonig- Kooperative, in der sie ihren Honig verkaufen können und so ein sicheres Einkommen generieren. Nicht zuletzt durch eine gesteigerte touristische Nachfrage stellen auch Webarbeiten der Frauen eine sichere Einnahmequelle dar. Die Gemeinschaft drückt sich auf unterschiedliche Art und Weisen in der modernen Welt aus und die Haushalte suchen stetig nach kreativen und angepassten Strategien, um mit den Herausforderungen der Globalisierung und des Klimawandels umzugehen.
Abstract
(Englisch)
My master thesis deals with the roles of women in the division of labour in Maya households involved in subsistence farming. The community investigated, Pachuitz, is situated in the biosphere reserve Calakmul (BRC) in Yucatán, Mexico. Six months of field work have been conducted in close cooperation with the household members and the research institute El Colegio de la Frontera Sur (ECOSUR). The thesis basically consists of three parts: The first part considers feminist anthropology in order to obtain the theoretical framework of the thesis. Euro-American concepts of gendered division of labour and the feminist discourse on differences are then contextualized to indigenous Mayan gender concepts. In the next part, the region investigated and the fieldwork are presented, afterwards the methods applied are described and commented on. The analysis of gender roles with main focus on women’s roles in the organization of Mayan households is the subject of part three of the thesis. The empirical data analyzed here have been collected through semi-structured interviews and participative observation and are interpreted by means of the qualitative content analysis by Mayring. The principal conclusion is that the concept of a dichotomy between public/private and production/reproduction is not adequate for the understanding of gendered division of labour in rural Maya households. These dichotomies have been analyzed by feminists in a capitalist and neoliberal context to uncover the, from their point of view, historic continuity of gender asymmetries, which, around the world, resulted in a disadvantageous position of women. The shift of women to the household is considered to be evidence for this underprivileged status. In the Maya households investigated it is the case that that women are, among other things, chiefly in charge of the household tasks, but without the performance of these tasks residing in the private sphere. The different fields of activity in Pachuitz, to a certain extent even motherhood, are not assigned according to the domains public/private. And likewise the separation production/reproduction is hardly applicable: the household work done by women is appreciated as work to the same degree and extent as paid labour and subsistence work done by men. In an anthropological investigation into socio-cultural roles of the female gender in distinct societies, the ensemble of cultural, ethnic, social, economic, historical differences has to be taken into account, as well as, on an individual level, personal dispositions, preferences and sexual orientation. And this can be done properly only froma perspective of both agency and social embeddedness. The post-structural feminist discourse on differences between women is emphazising such ideas and therefore provides, in the main, an adequate conceptual framework for this thesis. In this theoretical context the specific situation in pachuitz presents itself as follows: The lives of women and men living in the ejido are strongly determined by the traditional socio-economic system of the Maya, which includes the cultivation of a homegarden, the Milpa (a special form of slash-and-burn tillage), embroidery and beekeeping. One important pillar in this traditional system is a kind of gendered division of labour marked by an ideal of complementarity between two sexes. The maize plant takes a central position in Mayan society due to its outstanding importance for the existence and cultural arrangement of the households. It is an excellent example of complementarity: Grown by men on the milpa, it is then processed and used to make tortillas, the staple food of the Maya, by women. Within the area of female work activities women experience self-determination and autonomy to a high extent. In the homegarden, one of their central spheres, they do not only, for private consumption, cultivate plants and breed animals. Most of them barter with other women; but they also sell animals like chicken and pigs and in this ways sometimes earn considerable sums of money. This makes the fact less surprising that in many households it is the wives who are responsible for the administration of the money. The factor of embeddedness, of being integrated into social structures of family, extended family, neighbourhood, community is, however, equally essential. Women rely heavily on communication and cooperation with other women in- and outside the family. Regarding the constraints on the women by the system of the division of labour, I conclude that it is difficult for women to engage in other work than the traditional female occupations. Women who are able to delegate parts of their work to other female members of their household can more easily take part in male-connoted activities on the Milpa or at beekeeping. If at all and to which extent women have the chance of stepping out of traditional role models and expectations in the community – provided they intend to do so in the first place -, depends on conditions like how binding the role models are, on the size of the household, age- and gender-distribution among household members. Since the colonial period the Mayan agricultural system has been endangered throughout and in different ways. Today one of the most serious threats to the livelihood of the indigenous peasants, even in a protected area as the BRC, is the expansion of industrialized agriculture promoted by the Mexican government. The pressure due to emigration to the touristic centres of Yucatán represents another threat to the traditional farming system. But against this demographic trend, Pachuitz is only affected by temporary migration. Many households are members of an organic beekeeping cooperative to which they can sell their honey and which guarantees a secure income. And the increased embroidery production by women, to a certain extent a result of a growing tourist demand also provides them with secure earnings. The community is in various respects articulating itself in the modern world and trying to find adaptable and creative livelihood strategies of coping with the challenges of globalization.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Englisch)
gendered division of labour Maya Yucatán Mexiko complementarity
Schlagwörter
(Deutsch)
geschlechtliche Arbeitsteilung Maya Yucatán Mexiko Komplementarität
Autor*innen
Silvia Wojczewski
Haupttitel (Deutsch)
Frauen in der geschlechtlichen Arbeitsteilung von kleinbäuerlichen Maya-Haushalten in Yucatán
Hauptuntertitel (Deutsch)
Fallbeispiel aus dem Biosphärenreservat Calakmul
Paralleltitel (Englisch)
Women in the gendered division of labour in Mayan peasant households in Yucatán- Case study from the Calakmul biosphere reserve
Publikationsjahr
2011
Umfangsangabe
161 S.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Patricia Zuckerhut
Klassifikationen
73 Ethnologie > 73.08 Regionale Ethnologie ,
73 Ethnologie > 73.44 Sexualität, Geschlecht ,
73 Ethnologie > 73.84 Umwelt und Kultur ,
73 Ethnologie > 73.88 Ernährung, Nahrungsmittelzubereitung
AC Nummer
AC08792838
Utheses ID
14776
Studienkennzahl
UA | 307 | | |
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