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Interkulturelle Ethik im Vergleich
Die großen Tugendethiken der Achsenzeit: Aristoteles – Konfuzius ; Sind ihre Ansätze für ein interkulturelles Miteinander eine reale Chance oder nur optimistischer Fortschrittsglaube?
Antonia Erika Hutter
Art der Arbeit
Diplomarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft
Betreuer*in
Franz Martin Wimmer
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Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.1893
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-29539.40245.475769-3
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)

Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Der Verlust an Gemeinschaftswerten, sowie die ständig stärker hervortretende Individualisierung führen in unserer Gesellschaft zu einer immer größer werdenden Verunsicherung. Mannigfaltigkeit und Variationsvielfalt der Nationen und ihrer Kulturen, die jeweils ihre eigenen traditionellen Sitten und Wertvorstellungen aufweisen, verwirren zusätzlich. Eine universell begründete Moral, die weitgehend globale Zustimmung finden würde, ist nicht nur ein Thema der interkulturellen Philosophie, sondern auch von soziologischer und politischer Relevanz. Religion als Moralbegründung heranzuziehen, erweist sich angesichts der Vielfalt an Religionen nicht zielführend, da die Differenzen zwischen den Kulturen hauptsächlich am Festhalten dogmatischer Einstellungen zu religiösen Inhalten bestehen. Gefordert wäre wechselseitige Toleranz für ein humanes Miteinander in einer allumfassenden menschlichen Kultur des Friedens und der Menschlichkeit. Dazu braucht es ein verändertes Denkmuster, dessen Grundlage tugendhafte Charakterdispositionen sind. Tugenden sind mit der Identität von Personen verknüpfte Einstellungen und Haltungen, die durch das Handeln sichtbar werden. Daher ist das Interesse der gegenwärtigen Ethik an einer Wiederbelebung der tugendhaften Werte stark gestiegen und bewirkt ein verstärktes Interesse an den antiken Tugendethiken. Die Anfänge der Ethik in China und in der europäischen Antike, hatten unabhängig voneinander beide dieselbe Zielvorstellung: Das Streben nach gutem Handeln, um tugendhafte Lebenshaltung zu erreichen. Dieses Ziel der Charakterbildung sollte bei Aristoteles, wie bei Konfuzius über die Formen von Erziehung, Belehrung und Gewöhnung, zu einer inneren, sittlichen Vervollkommnung führen. Wie weit ist dieses Konzept auf heutige Lebensformen übertragbar? Um jedoch den derzeitigen Anforderungen der kulturellen Vielfalt und des weltumfassenden Dialogs entsprechen zu können, ist es nicht die Frage nach der Moral, in modernen Tugendethiken, die gestellt werden muss, sondern ihre Universalierbarkeit. Kulturübergreifende universale Werte, die den Begriff der ‚Gleicheit’ implizieren, lassen sich kaum vermitteln; es sind eher soziale Werte, die universalierbar sind. Daher können antike Ethiken in ihrem Ganzheitsstruktur nicht auf unsere Lebenswelt übertragen werden, doch ihr universaler Kernbestand, nämlich die Fundierung von Tugenden als eine zu erwerbende Lebenshaltung, die für ein humanes Miteinander bürgen kann, sollte das moralische Zentrum jedes globalen Ethik-Entwurfes sein. Dieser universale Kern besteht vorrangig aus sozialen Tugenden mit gleichem Moralverständnis, der sich jedoch an seinen Rändern öffnen muss, da auch sozial-moralische Tugenden in ihrem Kontext und Ausprägung Unterschiede aufweisen. Adam Smith entwickelte vor zweihundertfünfzig Jahren eine solche universale, umfassende Theorie einer Tugendethik, aufbauend auf den universalistischen Kern Aristoteles’. Moralisches Bewusstsein ist für ihn nicht auf Handlungen reduzierbar wird nicht geprägt von traditionellen Regeln und Prinzipien; moralisches Bewusstsein wird geformt durch Übereinstimmung oder Nicht-Übereinstimmung mit den Anderen, einem Sich - Verhalten dem Anderen gegenüber. Dazu braucht es die zwei Grundtugenden der Sensibilität und der Selbstbeherrschung – zwei universalistisch moralisch geforderte Haltungen, die durch das normative Prinzip der Schicklichkeit, Schicklichkeit steht für angemessen und nicht angemessen, ständig überprüft werden. Humanität und Menschlichkeit heißt das universalistische Potential der Tugendlehre Konfuzius’. Die Menschlichkeit muss um ihrer selbst- und nicht um eines Vorteils willen ausgeübt werden und wird mit dem Terminus ‚Achtung’ bestimmt, die unterschiedslos jedem zukommt, mit dem man auch immer Kontakt hat. Die ausführliche und detaillierte Beschreibung der idealen Persönlichkeit als höchstes Ziel individueller Vollkommenheit umrahmt diese für ihre Zeit außergewöhnliche Moral. Konfuzius mag gehofft haben auf die Verwirklichung dieser idealistischen Vorstellung, doch war er auch zu sehr Realist, um wirklich daran zu glauben. So betont er ja nachdrücklich, dass die Kluft zwischen Einsicht und Tun für viele unüberbrückbar ist und weist im Lunyu immer wieder darauf hin, wie schwer korrigierbar das Verhalten der Menschen tatsächlich ist. Interkulturelle Ethik mit ihrem Ziel, Vorurteile und Klischees über Andersdenkende abzubauen und die erreichte Einsicht in die Struktur moralischen Handelns einzubringen, hat m. E. die Aufgabe den universalistischen Kern der Tugendethiken, wie Mitmenschlichkeit, Gerechtigkeit und Toleranz als Basis in ihrer Struktur zu verankern.
Abstract
(Englisch)
The loss of community values and steadily growing individualisation are fostering an ever-greater feeling of uncertainty in our society. The multiplicity and diversity of the nations and their cultures, each with its own traditional customs and values, add to the confusion. A universally established moral system based supported by an overall consensus is not only a point of interest for intercultural philosophy but also of sociological and political relevance. In light of the great variety of religions, it does not appear expedient to draw upon morality as a moral justification since the differences between cultures mainly arise from the adherence to dogmatic beliefs about religious matters. What is needed is mutual tolerance for humane coexistence in an all-encompassing human culture of peace and humanity. For this, we would need a new pattern of thought based on virtuous dispositions of character. Virtues are the attitudes and manners that are tied to a person’s identity and manifested in a person’s actions. Contemporary ethics is therefore now far more interested in reviving virtuous values. As a result there interest in the ethics of virtue in Antiquity. The beginnings of ethics in China and in European Antiquity both set the same objective independently from one another: striving for good action in order to live a virtuous life. In the works of both Aristotle and Confucius on the forms of education, teaching and adaptation, this purpose of character-building ought to result in inner, ethical perfection. To what extent can this concept be carried over to modern lifestyles? What it is important in endeavouring to meet the current requirements of cultural diversity and a universal dialogue, however, is not to examine the question of morality, in modern ethics of virtue, but rather the question of whether morality can be universally applied. It is very difficult to convey cross-cultural universal values that imply the concept of “equality”; rather, it is the social values that are universally applicable. For this reason, the ethics of Antiquity cannot be carried over as a monolithic structure to the world in which we live. If anything, then it is the universal core – namely the foundation of virtues as a way of life to be acquired, which can guarantee humane coexistence – that should be the moral centre of any new design of global ethics. This universal core primarily consists of social virtues based on the same understanding of morality that would require some degree of openness around its margins, however, since the social-moral virtues also show differences in their context and form of expression. Two hundred and fifty years ago, Adam Smith developed such universal, comprehensive virtue ethics, building on Aristotle’s universalistic core. For him, moral conscience is not reducible to actions and is not formed by traditional rules and principles; moral conscience is formed through concordance or dissonance with others, by one’s behaviour toward the others. Thus, the two basic virtues of sensitivity and self-control are needed: two attitudes required by universalistic morality that are constantly tested through the normative principle of propriety, i.e., that which is appropriate or that which is inappropriate. Humanity and humaneness constitute the universalistic potential of the Confucian virtue ethics. Humaneness should be exercised for its own sake and not for the sake of gaining an advantage; it is designated by the term “respect”, which is due to everyone that one meets, without discrimination. The extensive and detailed description of the ideal personality as the highest objective of individual perfection provides the framework for this morality, which was extraordinary for its time. Confucius may have hoped that his idealistic ideas would be put into practice, but he was too much of a realist to actually believe it. Thus he explicitly emphasises that many are incapable of bridging the gap between insight and action and repeatedly points out in Lunyu how difficult it is to rectify people’s behaviour. In my opinion, it is the task of intercultural ethics, with its objectives of eliminating prejudices and clichés vis-à-vis others who think differently and incorporating the resulting insight into the moral structure of action, to firmly enshrine the universalistic core of virtue ethics, such as solidarity, justice and tolerance, as its structural basis.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Englisch)
Intercultural philosophy Morality ethics of Antiquity global ethics social virtues humane coexistenz virtue-ethik
Schlagwörter
(Deutsch)
Tugendethik Sozialethik Achsenzeit Kommunitarismus Liberalismus Aristoteles Konfuzius Interkulturelle Philosophie
Autor*innen
Antonia Erika Hutter
Haupttitel (Deutsch)
Interkulturelle Ethik im Vergleich
Hauptuntertitel (Deutsch)
Die großen Tugendethiken der Achsenzeit: Aristoteles – Konfuzius ; Sind ihre Ansätze für ein interkulturelles Miteinander eine reale Chance oder nur optimistischer Fortschrittsglaube?
Publikationsjahr
2008
Umfangsangabe
122 S.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Franz Martin Wimmer
Klassifikationen
08 Philosophie > 08.10 Nichtwestliche Philosophie: Allgemeines ,
08 Philosophie > 08.38 Ethik
AC Nummer
AC07097680
Utheses ID
1560
Studienkennzahl
UA | 296 | | |
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