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Kippeffekt in Schulklassen
ein multidimensionales Geschehen
Bettina Fischer
Art der Arbeit
Diplomarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft
Betreuer*in
Stefan Thomas Hopmann
DOI
10.25365/thesis.19965
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-30299.43469.618154-5
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)
Abstracts
Abstract
(Deutsch)
Eine geringe Anzahl fremdsprachiger Kinder in einer Schulklasse scheint kein Problem darzustellen. Fakt ist aber, dass immer mehr Kinder mit Migrationshintergrund die Schule besuchen. Es drängt sich nun die Frage auf wie viele Migrantenkinder eine Klasse verträgt und wann der Punkt erreicht ist, wo es „kippt“ und sich der Anteil jener Kinder negativ auf den Schulerfolg auszuwirken scheint.
Um dies beantworten zu können, wird ausgehend von der Definition Moser und Rhyn (2000, S.92) wonach ein Kippeffekt dann auftritt, „wenn sich ab einem bestimmten Anteil fremdsprachiger Kinder in einer Schulklasse die Schulleistungen deutlich verschlechtern“, nach möglichen Bedingungen zur Entstehung von Kippeffekten in Schulklassen in der deutschsprachigen Literatur gesucht.
Da die Problematik der steigenden Anzahl der Kinder mit Migrationshintergund zwar in einigen Studien behandelt wird, aber der Kippeffekt im deutschsprachigen Raum in dieser Weise bisher nur von Moser und Rhyn beschrieben worden ist, erscheint die Anwendung des methodischen Ansatzes der Sekundäranalyse am sinnvollsten, da sie mit bereits erhobenem Datenmaterial arbeitet, welches unter einem neuen Gesichtspunkt analysiert wird.
Die hier vorliegende Arbeit versteht sich daher als theoretische Debatte zu einem Thema, welches im deutschsprachigen Raum noch kaum Beachtung gefunden hat.
Nach Auswertung aller vorliegenden Studien wird deutlich, dass das Entstehen von Kippeffekten in Schulklassen durch ein mehrdimensionales Modell erklärt werden kann. Dieses Modell beschreibt drei Bereiche, die einen Einfluss auf die Schulleistungen haben können.
Es wirken sowohl individuelle Hintergrundmerkmale der Schüler als auch Kompositionseffekte und Effekte der Institution auf die Schulleistungen. Daher kann nicht ausschließlich von der Fremdsprachigkeit als Problem gesprochen werden, sondern vielmehr von einem Wechselspiel ungünstiger Bedingungen, die Migrantenkinder oft mit sich bringen.
Werden in der Literatur häufig die Kinder zum Problemträger gemacht, wird bei einer genauen Auseinandersetzung mit den wissenschaftlichen Publikationen deutlich, dass vielmehr auch das differenzierte Schulsystem als Ursache für die schlechteren Schulleistungen der Migrantenkinder auszumachen ist. Bringen Kinder mit Migrationshintergrund ungünstige Voraussetzungen mit, werden diese häufig durch das selektive Schulsystem noch verstärkt. Migrantenkinder, die bereits aufgrund ihrer Herkunft benachteiligt sind – sei es durch kulturelle oder finanzielle Ressourcen der Familie - werden meist den weniger anspruchsvollen Schultypen, wie zum Beispiel Hauptschulen oder Mittelschulen zugewiesen, was zu einer mehrfachen Benachteiligung dieser Schüler und zu einer Überrepräsentation der Kinder mit Migrationshintergrund in jenen Schultypen führt.
Neben den individuellen Voraussetzungen und Effekten der Institution spielen Kompositionseffekte beim Entstehen von Kippeffekten eine große Rolle. Sie sind auf die Zusammensetzung der Schülerschaft zurückzuführen. Je nachdem wie Fremdsprachigkeit definiert wird, kann ein Kippeffekt früher oder später nachgewiesen werden. Aus den meisten Studien geht hervor, dass bei Kontrolle aller anderen Kompositionseffekte (soziale Risikofaktoren, lernbiographische Belastungsfaktoren u.a.) der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund nicht mehr signifikant ist. Dies ist ein weiteres Indiz, dass das Auftreten der schlechteren Schulleistungen nicht ausschließlich auf den Faktor der Fremdsprachigkeit zurückzuführen ist, sondern sich hier ein viel komplexeres Zusammenspiel mehrerer Faktoren abzeichnet.
Ist die Summe und Komplexität der Probleme größer als die Kapazität und Kompetenz des lokalen Schulsystems kippt das interne Gleichgewicht.
Daher ist es von großer Brisanz sich mit dieser Problematik verstärkt auseinander zu setzen, um dem Auftreten von Kippeffekten entgegenwirken zu können.
Abstract
(Englisch)
It appears to be no problem if a small number of children in one school class speak a foreign mother tongue. However, it is a fact that more and more children with a migratory background are attending school. In this context, the question arises how many children with a migratory background can be absorbed by one class and when the “tipping point” is reached and the proportion of these children appears to affect the performance of the class negatively.
In order to answer this question, the present work aims to identify possible conditions for the occurrence of tipping point effects in school classes that have been discussed in German-speaking literature. The work is based on the definition by Moser und Rhyn (2000, p. 92), which states that a tipping point effect occurs “when school performance deteriorates considerably once the number of children with a foreign mother tongue has reached a certain proportion”.
Although several studies address the problem that the numbers of children with a migratory background are rising, in the German-speaking area the tipping point effect has only been described by Moser und Rhyn so far. Therefore it appears most useful to pursue the methodical approach of the secondary data analysis as it draws on already existing data, which is analysed from a novel perspective.
Hence the present work is intended as a theoretical discussion of an issue which has received scant academic attention in the German-speaking area up to now. The results of the analysis of all existing studies show that the occurrence of tipping point effects in school classes can be explained by means of a multidimensional model. This model specifies three dimensions which can affect school performance.
School performance is affected by attributes related to the students´ individual backgrounds, by compositional effects, and by effects related to the institution. Consequently the problem cannot be traced back exclusively to the foreign mother tongue(s) of students, but rather to an interplay of unfavourable conditions that frequently characterise the situation of children with a migratory background.
While in the literature the problem is frequently ascribed to the children, a detailed analysis of the scholarly publications reveals that it is also the differentiated educational system which accounts for the inferior school performance of children with a migratory background. Where children start out with unfavourable conditions, these are frequently reinforced by the selective educational system. Children from a migratory background, who are already at a disadvantage owing to their family background – be it in terms of culture or in terms of financial resources – are frequently assigned to the less demanding types of schools, such as the secondary general school. This leads to these students being put at a disadvantage in several ways and to children with a migratory background being overrepresented in these types of schools.
Besides individual attributes and effects exercised by the institution, compositional effects play a major part in the occurrence of tipping point effects. These result from the composition of the group of students. Depending on how the attribute of speaking a foreign mother tongue is defined, a tipping point effect can be shown to occur sooner or later. Most studies indicate that the proportion of children with a migratory background is no longer significant when all other compositional effects are controlled (e.g. social risks, factors that affect the ability to learn, etc.). This provides further indication that inferior school performance cannot exclusively be traced back to students´ foreign mother tongues, but rather that a much more complex interplay of several factors is at work.
Where the sum and the complexity of the problems exceed the capacity and the competence of the local school system, the internal balance collapses. Therefore it appears highly relevant to devote more attention to this issue in order to be able to counteract the occurrence of tipping point effects.
Schlagwörter
Schlagwörter
(Englisch)
tipping point children with migratory backgrounds compositional effects effects related to the institution
Schlagwörter
(Deutsch)
Kippeffekt Kinder mit Migrationshintergrund soziale Klassenzusammensetzung individuelle Hintergrundmerkmale Kompositionseffekte Institutionseffekte
Autor*innen
Bettina Fischer
Haupttitel (Deutsch)
Kippeffekt in Schulklassen
Hauptuntertitel (Deutsch)
ein multidimensionales Geschehen
Publikationsjahr
2012
Umfangsangabe
92 S. : graph. Darst.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Stefan Thomas Hopmann
Klassifikationen
80 Pädagogik > 80.20 Teilgebiete der Pädagogik ,
81 Bildungswesen > 81.21 Soziale Ungleichheit im Bildungswesen
AC Nummer
AC09366242
Utheses ID
17839
Studienkennzahl
UA | 297 | | |