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Die Konstruktion von Raum als narrative Strategie bei Rainer Maria Rilke und Vladimir Nabokov
Johannes Georg Poyntner
Art der Arbeit
Diplomarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Betreuer*in
Irmgard Egger
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Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.20342
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-30455.05257.643966-6
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)

Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Die Analyse und der Vergleich von Rilkes Die Aufzeichnungen des Malte Laurdis Brigge und Nabokovs Mašenka haben gezeigt, dass die Konstruktion von Raum als narrative Strategie als wesentlicher Textkonstituent zu betrachten ist. Durch die Verbindung mit dem Element der Zeit (Chronotopos) und der Wahrnehmung entsteht eine literarisch-ästhetische Struktur, die bei beiden Texten nachgewiesen werden konnte. Die Theoriemodelle zur literarischen Raumstruktur beschreiben Raum und in weiterer Folge auch Zeit auf zwei Ebenen. Zunächst ist ein philosophisch-kulturwissenschaftlicher Zugang zu nennen, den Rilke teilweise noch persönlich rezipierte (Simmel) und der die maßgeblichen Definitionen für die Raumbetrachtung aufweist. Insbesondere die Arbeiten Lacans und Foucaults zu imaginären Raumstrukturen werden hier der Analyse von abstrakten chronotopischen Relationen in literarischen Texten zu Grunde gelegt. Andererseits geht die vorliegende Arbeit von einer strukturalistischen Literatur-und Raumbetrachtung aus, die für die Beschreibung und Analyse von chronotopischen Relationen und vor allem der Codierungen im Raum-Zeitkontext von essentieller Bedeutung sind. Bachtin und Lotman, selbst Vertreter des russischen (Post-) Strukturalismus, sind durch ihre Überlegungen zur Modellierbarkeit (Codierung) des Raums und der detaillierten Beschreibung von chronotopischen Relationen als Theoriegeber zu nennen. Im textimmanenten Teil steht die Analyse der Stadtdiskurse bei Nabokov und Rilke am Beginn der vorliegenden Arbeit. Die Urbanität wirkt als verunsicherndes Element auf die Protagonisten der beiden Texte und beeinflusst ihre Wahrnehmung – und in weiterer Folge auch die subjektive Konstruktion von Raum und Zeit. Der Rückzug in unwirkliche Raumwelten wird in beiden Fällen von urbanen Objekten begleitet, die als Motive den Beginn der Moderne repräsentieren, von Brigge und Ganin aber als bedrohlich wahrgenommen werden. Die entgrenzten Sichtweisen führen zu einer Verlagerung ins Innere – spätestens hier scheiden sich die Wege der Protagonisten. Während Brigges Erinnerungsräume vor allem mit Ängsten (Krankheit und Tod) aus seiner Kindheit konnotiert sind, begibt sich Ganin in seine Jugend und erlebt die Liebesgeschichte mit Mašenka noch einmal – eine Wiederholung einer vergangenen Handlung, die die Erinnerung nahe in die Gegenwart heranholt. Brigges tiefe Verunsicherung und Selbstzweifel werden durch seine Erinnerungen verstärkt, seine entgrenzte Raumwahrnehmung durch übernatürliche Erlebnisse und die Erinnerung an die Todesfälle in der Familie weiter ins Innere verzerrt. Krankheit und Tod sind somit ebenfalls als raumverändernde Elemente zu nennen, sie codieren reale Raumstrukturen und laden sie ästhetisch auf. Die Verräumlichungen im letzten Drittel der Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge zeigen den Rückzug Brigges ins Innere als Versuch einer existentialistischen Selbsterkenntnis. Über die Verbindung von realen Erinnerungen mit historischen Figuren entstehen imaginäre Raumschichten, in denen herkömmliche chronotopische Relationen außer Kraft gesetzt und ganz der subjektiven Codierung des Protagonisten untergeordnet sind. Die fantastischen Vorstellungen verdichten sich in einer abschließenden Projektion, die das Element der Liebe in Verbindung mit dem Göttlichen als Antwort auf die existentialistischen Fragestellungen Brigges darstellt. Die Verräumlichung ins Innere steht somit am Ende der Suche nach dem Ich, die subjektiv konstruierten Raumwelten sind Prozess, Aufenthalt und Ziel der Figur gleichzeitig. Im Gegensatz dazu löst sich Ganin aus seinen Erinnerungsräumen – er hebt seine eigenen Codierungen auf und distanziert sich von dem drohenden Eindringen eines vergangenen Objekts in die Gegenwart, indem er sich noch weiter von ihm bekannten Orten entfernt. Am Ende der Texte Nabokovs und Rilkes stehen somit zwei Verräumlichungen: ins Innere (Brigge) und ins Äußere (Ganin). Dass diese Verräumlichungen als wesentliche narrative Konstituenten zu betrachten sind und die vorliegenden Texte chronotopische Relationen bewusst einsetzen und verändern hat die vorliegende Arbeit gezeigt.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Deutsch)
Theoriemodelle zu literarischen Raumstrukturen Rilke und Nabokov Stadtdiskurse Die Krankheit im Raum Erinnerungsräume Verräumlichung ins Innere als existentialistische Selbsterkenntnis
Autor*innen
Johannes Georg Poyntner
Haupttitel (Deutsch)
Die Konstruktion von Raum als narrative Strategie bei Rainer Maria Rilke und Vladimir Nabokov
Publikationsjahr
2012
Umfangsangabe
95 S.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Irmgard Egger
Klassifikation
17 Sprach- und Literaturwissenschaft > 17.93 Literarische Stoffe, literarische Motive, literarische Themen
AC Nummer
AC09357471
Utheses ID
18196
Studienkennzahl
UA | 190 | 333 | 362 |
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