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Grundherrschaft und Christianisierung als prägende Elemente des Grenzsaumes zu Ungarn und Mähren
vom Ende der Frankenherrschaft bis zum Beginn des hohen Mittelalters
Rainald Dubski
Art der Arbeit
Dissertation
Universität
Universität Wien
Fakultät
Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Betreuer*in
Meta Niederkorn
DOI
10.25365/thesis.20643
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-30293.04675.734254-0
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)
Abstracts
Abstract
(Deutsch)
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Prozess der schrittweisen Entstehung einer linienhaften Grenze entlang der Flüsse Leitha, Raab, March und der Thaya. Der Zeitrahmen, in dem sich diese von uns beobachtete Entwicklung vollzieht, erstreckt sich vom 9. bis ins 11. Jahrhundert. Im Laufe dieser Jahrhunderte prägten unterschiedliche Machtsphären die Entwicklung dieses Grenzraumes. Zunächst waren es die Herrscher des karolingischen Imperiums, sowie deren ostfränkische Nachfolger, die ihre Macht entlang der Donau bis ins damalige Pannonien auszubauen begannen. Bei der Ausdehnung der Herrschaftsbereiche trafen die Franken nicht nur auf die Awaren, die von Karl d. Gr. geschlagen wurden. Im Osten und Südosten stießen die fränkischen Kolonisatoren auf die seit dem 6. Jahrhundert anwesenden Slawen im Raum des heutigen Ungarn und auf dem Gebiet des Großmährischen Reiches. Dabei ergab sich mit dem Ausklingen der karolingischen Herrschaft auch das Ende der fränkischen Expansion. Zeitgleich mit dem Ende der ostfränkischen Karolinger erschienen die Magyaren im Raum westlich des Karpatenhauptbogens. Waren sie zunächst noch von weit her anrückende Verbündeten, die im Kampf zwischen Karolingern und dem Großmährischen Reich eingesetzt wurden, so wurden sie im Rahmen der Landnahme zu einem fixen Machtfaktor in der betrachteten Grenzregion. Die Etablierung magyarischer Dominanz in der pannonischen Tiefebene, war begleitet von den Streifzügen der schnellen Reiter, die keine Grenze zu kennen schienen. Der Schrecken der magyarischen Streifzüge konnte erst mit der Lechfeldschlacht 955 beendet werden. Damit stieß Otto I. das Tor zur Christianisierung der Ungarn auf. Er hatte damit einen Prozess in die Wege geleitet, der es ermöglichte, dass ungarische, ehemals heidnische Herrscher auf Augenhöhe mit den anderen christlichen Großen Europas verkehren konnten. Mit dem vom Papst legitimierten Königtum Stephans I. erreichten die Magyaren erstmals eine politische Gleichstellung mit ihren westlichen Nachbarn in Europa. Die Hinwendung zum römischen Glauben erforderte die Tätigkeit vieler Missionare von denen in der Arbeit auf den hl. Adalbert und den hl. Gellert als Spitzen der Bekehrungsstätigkeit eingegangen wird. Sie bilden gemeinsam mit König Stephan I. eine Gruppe von Heiligen, die das ungarische Selbstverständnis auf eine neue Stufe stellten. Am Beispiel dieser drei Personen wird dargelegt, wie hoch die Relavanz kirchlicher und dynastischer Netzwerke war. Adalbert stammte selbst aus einem führenden Adelshaus (Slavnikiden) und pflegte beste Kontakte zum Papst und Kaiser Otto III. Selbst Boleslaw
Chrobry und Stephan I, den er taufte, zählten zum Kreis der Personen, zwischen denen sich Adalbert bewegte. Die Gefährlichkeit der Missionstätigkeit kann an den Martyrien des hl. Gellert und des hl. Adalbert bestens nachvollzogen werden. Die Arbeit zeigt auch ein Beispiel für dynastische Vernetzung. Es handelt sich dabei um die Ehe zwischen Stephan I. und Gisela, der Schwester Kaiser Heinrichs II. Der These von der Mitgift der Gisela muss in diesem Zusammenhang eine deutliche Absage erteilt werden, da der Raum des heutigen Burgenlandes keinesfalls als Gegenstand der Mitgift Giselas im juristischen Sinne nachgewiesen werden kann. Die Arbeit zeigt auch, dass dem Werden einer linienhaften Grenze der schrittweise Ausbau der Grenzregion durch Klöster und Erzbistümer voranging. Es handelte sich dabei vor allem um Passau und das Erzbistum Salzburg, welche neben einer ganzen Reihe anderer Klöster die Landeserschließung entlang der Donau bis hin zur Leitha und der March und darüber hinaus betrieben. Jenseits dieser Linie erschien zunächst lediglich Salzburg mit Besitz ausgestattet. Wie sehr selbst feste politische Grenzen nicht mit kirchlichen Grenzen ident waren, zeigen die immer wieder bestätigten Ansprüche des Erzbistums Salzburg. Diese Ansprüche waren nach der Christianisierung der Ungarn lediglich anachronistisch. Trotzdem wurden sie aufrecht erhalten. Die Errichtung des Erzbistums Gran und die damit einhergehende Gründung anderer ungarischer Bistümer (Györ, Veszprem, Csanad, …) und Klöster (Martinsberg, Tihanyi, Bakonybel) zog eine Verschriftlichung der Besitzansprüche der ungarischen Kirche nach sich. Damit wurde den Ambitionen Salzburgs ein Ende gesetzt und der magyarische Anspruch fixiert. Die Entwicklung hin zur linienhaften Grenze erfuhr damit eine Förderung. Das Erreichen einer von Dauer geprägten Grenzlinie wurde erst unter den Saliern möglich. Während der Herrschaft Heinrichs III. wurden die Thaya, die March und die Leitha zur äußeren Manifestation einer an sich nicht physischen Grenze.
Die Arbeit beweist darüber hinaus, wie sehr Grenzen in Köpfen Relevanz in der Realität gewinnen können. Dies wird am Beispiel des hl. Koloman nachvollziehbar. Selbst das einigende Band des Christentums vermochte es nicht, den Pilger vor einem grausamen Tod zu schützen. Die beiderseits der Grenze verbreitete christliche Religion, die ohne Zweifel einen Grundstein für das gemeinsame Europa darstellt, war kein Garant für den Abbau von Mentalreserven angsterfüllter Grenzbewohner.
Abstract
(Englisch)
This doctoral thesis deals with the successive development of a linear border along the rivers ‘Leitha’, ‘Raab’, ‘March’ and ‘Thaya’. The period of time covered lasts from the 9th up to the 11th century. In the course of these centuries, different domains of power coined the development of the stated area. Initially, sovereigns of the Carolingian empire as well as their East-Franconia successors enlarged their power along the Danube up to the former Pannonia. While expanding their domains, the Franconia people not only met the Avars, which were defeated by Charlemagne, but they also had to face the residing Slavs in the East and South-East. The Slavs dwelled in today’s Hungary and in the area of the Moravian realm since the 6th century. With the fading of the Carolingian empire, the Franconia expansion ended, too. At the same time the Magyars arrived in the area west of the ‘Karpatenhauptbogen’. Initially they were federals from afar deployed in the fight between Carolingian people and the ‘Großmährischen’ empire. Within the scope of the land taking, they eventually became an important power in the respective area. The establishment of the Magyar dominance in the Pannonia lowlands was accompanied by wanderings of fast troopers, which apparently disrespected any borders. The horror of these Magyar wanderings could only be ended with the ‘Lechfeld’-battle in 955. Therewith, Otto I. initiated Christianization in Hungary. A process was commenced allowing Hungarian, former pagan emperors, being on par with other Christian, European sovereigns. Due to the pontifically legitimated kingship of Stephan I, the Hungarians were politically on equal terms with their neighbors in the west of Europe. The turning towards the Roman religion was a result of the work of a number of missionaries. In this thesis special focus is paid to the missionary work of Saint Adalbert and Saint Gellert. Together with King Stephan I they represent a group of saints initiating a change in the self-conception among the Hungarian people. These three persons exemplify the relevance of churchly and dynastic networks. Adalbert came from a leading aristocratic house (Slavnikiden) and had best connections to the pope and Emperor Otto III. Even Boleslaw Chrobry and Stephan I, who was baptized by him, belonged to Adalbert’s closer circle. That the missionary work was highly dangerous becomes obvious when looking at the martyrdoms of Saint Gellert and Saint Adalbert. This thesis also focuses on the dynastic networks. One example is the marriage between Stephan I and Gisela, who was the sister of Emperor Heinrich II. The assumption that today’s Burgenland was the marriage portion of Gisela cannot be confirmed in this thesis. It cannot be verified in a judicial manner that the Burgenland was Gisela’s marriage portion then. Furthermore, this thesis also shows that the founding and building of monasteries and archbishoprics supported the extension of a linear border. In this context, especially Passau and the archbishopric Salzburg have to be mentioned in order to exemplify the coverage along the Danube up to the 'Leitha', the 'March' and even further. The claims of the archbishopric Salzburg indicate that fixed political borders were not identical with churchly borders. These claims, however, were only anachronistic after the Christianization of the Hungarian people. Nevertheless, they were upheld. The erection of the archbishopric Gran, the following founding of other Hungarian archbishoprics (Györ, Veszprem, Csanad,…) and monasteries (Martinsberg, Tihanyi, Bakonybel) resulted in written records of the tenures by the Hungarian church. As a consequence, the ambitions of Salzburg were ended and the Magyar claims fixed. The development of a linear border was strengthened. A longer lasting border line was actually implemented under the Salian people. During the rule of Heinrich II, the ‘Thaya’, ‘March’ and ‘Leitha’ manifested a non-physical border.
Furthermore, this thesis contrasts the relevance of borders in the minds of people compared to reality. This is exemplified with the case of Saint Coloman. Even the spreading Christianity could not prevent the pilgrim from a horrible fate. The Christian religion on both sides of the border, doubtless a foundation stone for a united Europe, was no guarantor for the reduction of fears of the borderers.
Schlagwörter
Schlagwörter
(Englisch)
Hungar Moravia border
Schlagwörter
(Deutsch)
Ungarn Mähren Grenze
Autor*innen
Rainald Dubski
Haupttitel (Deutsch)
Grundherrschaft und Christianisierung als prägende Elemente des Grenzsaumes zu Ungarn und Mähren
Hauptuntertitel (Deutsch)
vom Ende der Frankenherrschaft bis zum Beginn des hohen Mittelalters
Publikationsjahr
2012
Umfangsangabe
277 S.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*innen
Meta Niederkorn ,
Ernst Bruckmüller
Klassifikation
15 Geschichte > 15.71 Osteuropa
AC Nummer
AC09364071
Utheses ID
18462
Studienkennzahl
UA | 092 | 312 | |