Detailansicht

Das österreichische Notariat in der Ersten Republik
Bernhard Distlbacher
Art der Arbeit
Dissertation
Universität
Universität Wien
Fakultät
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Betreuer*in
Christian Neschwara
Volltext herunterladen
Volltext in Browser öffnen
Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.20819
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-30238.01332.767063-2
Link zu u:search
(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)

Abstracts

Abstract
(Deutsch)
In Ansehung des österreichischen Notariates muss von der historischen Epoche der Jahre von 1918 bis 1938, sohin von der Gründung der Ersten Republik bis zum „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich, als einem „janusköpfigen Zeitalter“ gesprochen werden. Auf der einen Seite konnten die Initiativen zur Gesamtreform des österreichischen Notarenrechtes, welche vom Delegiertentag 1900 ihren Ausgang genommen und mit den Regierungsvorlagen zur Notariatsordnung 1911 und 1918 ihren legislativen Höhepunkt erreicht hatten, auch nach der Demokratisierung des Staates und der Justizverwaltung nicht zum Erfolg geführt werden. In den Teilnovellen zur Notariatsordnung der Jahre 1919, 1921 und 1929 wurde den Forderun-gen der Notare dann auch nur insoweit entsprochen, als es sich um solche zur Standesauto-nomie und -organisation oder notariellen Geschäftsführung handelte. So regelte die Novelle 1919 im Wesentlichen die Folgen des Zerfalls Altösterreichs und die Anpassungen an die Staatsform der Republik. Dies galt in geringerem Ausmaß auch für die Novelle 1921. Den Anträgen auf Erweiterung des notariellen Wirkungskreises, allen voran die Ausdehnung des Anwendungsbereiches des vollstreckbaren Notariatsaktes und die Einführung des obligatori-schen Gerichtskommissariates in Nachlasssachen in den ländlichen Gerichtsbezirken, wurde hingegen in den Novellen nicht gefolgt. Ebenso wenig konnten verbindliche Richtlinien für die Gerichte bei der gerichtskommissionellen Beauftragung im fakultativen Gerichtskommis-sariat durchgesetzt werden. Der gesetzlich eingeschränkte Wirkungskreis der notariellen Amtsausübung war zudem in erheblichem Ausmaß den gesetzwidrigen Eingriffen durch Winkelschreiberei ausgesetzt. Der Niedergang der Volkswirtschaft erfasste auch die notariel-len Tarife voll und wirkte sich in wiederholten Herabsetzungen der Tarifsätze aus. Diese un-günstige Entwicklung der notariellen Gesamttätigkeit und der wirtschaftlichen Verhältnisse führte im Ergebnis dazu, dass die österreichischen Notare, besonders jene auf den Amtsstellen am „flachen Land“, im Vergleich zu den Jahren vor 1918 eine Verschlechterung ihrer wirt-schaftlichen Stellung hinnehmen mussten. Auf der anderen Seite konnten die österreichischen Notare in Bezug auf ihree Stellung als freier Berufsstand im Betrachtungszeitraum durchaus beachtliche Erfolge erringen. Neben der Überleitung des Notariates und seiner Einrichtungen in den neuen Staat Deutschösterreich gelang es bereits mit den Notariatsordnungsnovellen 1919 und 1921 die wesentlichsten Forde-rungen des altösterreichischen Notariates zur Standesautonomie und -organisation, das heißt die Einsetzung von Notarenrichtern in der Disziplinargerichtsbarkeit, die Eingliederung der Kandidatenschaft in die Notariatskollegien und Notariatskammern, sowie die gesetzliche Ein-führung des Delegiertentages, umzusetzen. Mit der Novelle 1929 wurden zudem mit der Er-höhung der Voraussetzungen zur Ernennung auf eine Amtsstelle und zur Eintragung in das Kandidatenverzeichnis sowie der Unterwerfung der Kandidatenschaft unter das notarielle Disziplinarrecht das Niveau des Standesnachwuchses angehoben. Das mit der Novellierung des Nachlasspatentes 1923 eingeführte vereinfachte Verlassenschaftsverfahren brachte eine Entlastung der Notare in ihrer Tätigkeit als Gerichtskommissäre. In diesem Wirkungsbereich konnten zudem die von bäuerlichen Organisationen sowie einzelnen politischen Parteien vor-getragenen Angriffe auf das notarielle Gerichtskommissariat und die österreichische Verlas-senschaftsabhandlung abgewehrt werden. Den größten Erfolg für das Notariat stellte aber das durch den Stand entworfene Notarversicherungsgesetz 1926 dar, welches mit der Errichtung der Notarversicherungsanstalt das dringliche Erfordernis einer umfassenden Sozialversicherung für den Notarenstand erfüllte. Unter dieser Voraussetzung erfolgte schließlich im Jahre 1934 gegen den Willen der Notare die Einführung einer Altersgrenze von 75 Jahren. Die Zäsuren der Jahre 1918/1919, 1934 und 1938 in der staats- und verfassungsrechtlichen Entwicklung Österreichs führten auch in Ansehung auf das Notariat zu weitreichenden Fol-gen. So war das Schicksal der vom österreichischen Notariat abgetrennten deutschen Notare in Böhmen, Mähren, Österreichisch-Schlesien sowie in Südkärnten und der Untersteiermark ein bestimmender Gegenstand der Standespolitik der Nachkriegsjahre. Der Anschluss des Burgenlandes im Jahre 1920 brachte hingegen eine räumliche Ausdehnung des österreichi-schen Notarenrechtes. Mit der Demokratisierung des Staates und der Rechtspflege verbesserte sich zwar das Verhältnis zur Justizverwaltung, die Erwartungen einer umfassenden Notariats-reform blieben aber unerfüllt. In der Zeit des Ständestaates von 1934 bis 1938 kam es zu Ein-schränkungen der Standesautonomie. Weitergehende Pläne zur Eingliederung der Notare in die berufständische Ordnung wurden von den politischen Ereignissen überholt. Der „An-schluss“ Österreichs an das Deutsche Reich 1938 führte zum Untergang des österreichischen Notariates. Nach der Gleichschaltung und berufsrechtlichen Eingriffen in den Notarenstand wurde mit der Einführung der Reichsnotarordnung im ehemaligen Österreich 1939 die Ein-gliederung des österreichischen Notariates in das deutsche Reichsnotariat vollzogen. Das Jahr 1945 brachte mit der Selbständigkeit der Republik Österreich auch die Wiedererrich-tung des österreichischen Notariates. Gemäß den Bestimmungen der NO 1945 traten die Vorschriften der NO 1871 und „damit zusammenhängende Vorschriften“ in der Fassung vom 12. März 1938 wieder in Kraft. Zum Teil wurde auch reichsdeutsches Notariatsrecht in den Rechtsbestand der Republik übernommen. Notare und Kandidaten, welche im Sinne des Verbotsgesetzes als nationalsozialistisch belastet galten, wurden aus dem Notariat ausge-schlossen. Im Jahre 1947 erfolgte unter Einschränkung des Versicherungsgegenstandes die Wiederaufrichtung des NVG 1938 und der Notarversicherungsanstalt. Die ersten freien Wahlen der Notariatskammern, des Delegiertentages und des Vorstandes der Versicherungs-anstalt im Jahre 1948 stellten die Standesautonomie wieder her und setzten zugleich den Schlusspunkt unter die Wiedererrichtung des österreichischen Notariates. Von dieser Geset-zesgrundlage ausgehend, kam es in den Folgejahrzehnten im Bereich des notariellen Berufs- und Standesrechtes zwar zu zahlreichen Novellierungen, eine Gesamtreform des Notaren-rechtes im Sinne eines neuen Standesgesetzes fand jedoch auch nach 1945 nicht statt. Einen besonderen Erfolg für die Notare stellte schließlich das sogenannte Gerichtskommissärsgesetz 1970 dar, welches mit der Einführung des obligatorischen Gerichtskommissariates in Ver-lassenschaftssachen am flachen Lande die längst überfällige gesetzliche Angleichung der Wirkungskreise der Notare in und außerhalb der Gerichtshoforte bewirkte.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Englisch)
notary public solicitor
Schlagwörter
(Deutsch)
Notariat Notar Rechtspflege Außerstreitverfahren Gerichtskommissär Gerichtskommissariat
Autor*innen
Bernhard Distlbacher
Haupttitel (Deutsch)
Das österreichische Notariat in der Ersten Republik
Publikationsjahr
2012
Umfangsangabe
292 S.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*innen
Christian Neschwara ,
Walter Rechberger
Klassifikationen
86 Recht > 86.04 Ausbildung, Beruf, Organisationen ,
86 Recht > 86.08 Rechtspflege, Rechtsprechungslehre ,
86 Recht > 86.09 Rechtsgeschichte ,
86 Recht > 86.17 Freiwillige Gerichtsbarkeit, Schiedsgerichtsbarkeit
AC Nummer
AC09436982
Utheses ID
18616
Studienkennzahl
UA | 083 | 101 | |
Universität Wien, Universitätsbibliothek, 1010 Wien, Universitätsring 1