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Der ökonomische Wert von Gesundheit am Beispiel Österreich
Markus Pock
Art der Arbeit
Dissertation
Universität
Universität Wien
Fakultät
Fakultät für Wirtschaftswissenschaften
Betreuer*in
Robert Kunst
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DOI
10.25365/thesis.2217
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-29169.64684.564060-1
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Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Die vorliegende Arbeit schätzt den ökonomischen Wert gesundheitlicher Verbesserung der Vergangenheit seit 1980 in Österreich mithilfe zweier in der ökonomischen Literatur etablierten Ansätze: Humankapital- und Zahlungsbereitschafts-Ansatz. Wir konnten die Forschungsfrage nach einer ökonomischen Evaluierung der Gesundheitsverbes-serungen der vergangenen zwei Jahrzehnte positiv beantworten: Die volks-wirtschaftlichen Effekte bzw. der Nutzen aus gesteigerter Lebensqualität und Lebensquantität überwiegt in beiden angewandten Methoden die im Zeitraum von 1980 bis 2003 getätigten Gesundheitsausgaben. Der Humankapital-Ansatz misst mögliche gesamtwirtschaftliche Produktions-steigerungen durch Gesundheit. Dadurch berücksichtigt dieser Ansatz lediglich die Erwerbsbevölkerung. Der Zahlungsbereitschafts-Ansatz (willingness to pay, WTP) im Rahmen der Kosten-Nutzen-Analyse beschreitet zur Bewertung von Gesundheit einen anderen Weg. Im Gegensatz zum Humankapital-Ansatz rückt der monetär bewertete, individuelle Nutzen in den Mittelpunkt der Betrachtungsweise. Somit lässt sich der Nutzen aus Gesundheit auch für ältere Bevölkerungsgruppen und nicht nur für die Erwerbsbevölkerung evaluieren. Hier setzt die ethische Kritik am Humankapital-Ansatz an, da dieser Arbeitsunfähige und Pensionisten keinen gesellschaftlichen Wert beimisst. Zur Umsetzung des WTP-Ansatzes wählten wir das Lebenszyklus-Modell nach Murphy und Topel (2006), das neben Konsum auch Freizeit in die Nutzenfunktion einfließen lässt. Das altersabhängige Nutzenprofil berechneten wir mithilfe der durchschnittlichen Äquivalenzeinkommen und –kon-sumausgaben der österreichischen Haushalte aus dem Jahr 2000. Der eigentliche Vorteil dieses Modells liegt jedoch in der speziellen Implementierung von Lebensqualität. Dadurch lassen sich Mortalität und Morbidität analytisch und empirisch behandeln. Als Annäherung für die Lebensqualität wählten wir die Daten der Gesundheitsbefragung 1999 zur Selbsteinschätzung des Gesundheitszustandes. Die Daten zur Sterblichkeit bezogen wir aus den offiziellen Sterbestatistiken. Im Rahmen des Humankapital-Ansatzes, welcher allein auf Produktivitätsgewinne einer Gesundheitsverbesserung der Erwerbstätigen abstellt, bedienten wir uns eines Lebenszyklus-Modells nach dem Vorbild des im WTP-Ansatz umgesetzten Modells nach Murphy und Topel (2006). Durch den analogen Aufbau der beiden Modelle sind die Ergebnisse vergleichbar. Beobachtete Gesundheitsverbesserungen der Vergangenheit von 1980 bis 2003 werden anhand der Bezugsgröße des jeweiligen Ansatzes zu 2003 bewertet. Da beide Methoden im Gegensatz zu einperiodigen Modellen über den Lebenszyklus eines Individuums hinweg unter Unsicherheit rechnen, ist die Zielfunktion im Zahlungsbereitschafts-Ansatz der Erwartungsnutzen und im Humankapital-Ansatz die Erwartungsproduktivität – gemessen durch den Einkommensbarwert – über die verbleibende Lebensspanne hinweg. Dabei verbessern wirksame Gesundheitsmaßnahmen die Sterblichkeit und den Gesundheitszustand, was bei den Erwerbstätigen verminderte Krankenstände bewirkt, und erhöhen somit die Zielgrößen, nämlich den Wert eines statistischen Lebens (value of life) bzw. eines repräsentativen Erwerbstätigen (value of labour) im WTP- bzw. Humankapital-Ansatz. Eine wertmäßige Erhöhung dieser monetär bewerteten Zielgrößen durch verbesserte Gesundheit misst damit die individuelle Zahlungsbereitschaft für bzw. die Produktivitätsgewinne aus den realisierten Gesundheitsverbesserungen der letzten zwei Jahrzehnte. Im Humankapital-Ansatz profitierten am meisten die 20-40-jährigen erwerbstätigen Männer von den gesundheitlichen Verbesserungen seit dem Jahr 1980, nämlich mit rund € 30.000 pro Kopf. Aufgrund der geringeren Erwerbsquote und höheren Anteils von Teilzeit-Beschäftigung beläuft sich der Produktivitätsgewinn bei den Frauen auf nur € 7.000 pro Kopf. Über die altersspezifischen Produktivitätszugewinne der Periode 1980-2003 bei Männern und Frauen summiert, erhielten wir den gesellschaftlichen Produktivitätswert aufgrund verbesserter Gesundheit bewertet zu 2003 mit € 105,5 Mrd. bzw. im Schnitt € 4,6 Mrd. pro Kalenderjahr; das sind 2,03% des BIP 2003. Während im Humankapital-Ansatz die verbesserte Produktivität der Erwerbstätigen direkt mittels des durchschnittlichen Bruttolohnes bewertet wurde, fungierte das errechnete Altersprofil des Lebenswertes (value of life) zu 2003 als Ausgangspunkt für die WTP-Berechnungen aus verbesserter Gesundheit. Durch die niedrigere Lebenserwartung, z.B. im Jahr 1980, ist das Individuum schlechter gestellt, sodass es den Zustand in 2003 präferiert. Diese altersspezifischen und periodenbezogenen Zahlungsbereitschaften summierten wir über alle Alterskohorten und erhielten den gesellschaftlichen Wert für verbesserte Gesundheit. Zum Beispiel wäre die Bevölkerung 2003 hypothetischerweise bereit für die gesundheitliche Besserstellung der Periode 1980-2003 die gigantische Summe von rund € 830 Mrd. zu zahlen. Dies entspricht pro Jahr im Schnitt € 36,1 Mrd. oder 16% des BIP 2003. Damit übersteigt die Zahlungsbereitschaft die Produktivitätsgewinne um das rund Achtfache. Folgende Schlussfolgerung lässt sich aus unseren Ergebnissen ziehen. Die volkswirtschaftlichen bzw. ökonomischen Effekte der Verbesserungen in Mortalität und Morbidität der vergangenen zwei Jahrzehnte überwogen bei weitem die Gesundheitsausgaben in diesem Zeitraum. Das alleinige Betrachten von volkswirtschaftlichen Kennzahlen wie Produktivität im Rahmen des Humankapital-Ansatzes unterschätzt den tatsächlichen Effekt von verbesserter Gesundheit bzw. einzelner medizinischer Maßnahmen. Ein besserer Ansatz zur Bewertung von politischen Maßnahmen im Gesundheitswesen ist der in der ökonomischen Evaluierung oft verwendete WTP-Ansatz, der auf die Zahlungsbereitschaft aller Individuen einer Volkswirtschaft, nicht nur der Erwerbsbevölkerung, abzielt. Die errechneten Effekte übersteigen bei weitem die des produktivitätsbasierten Ansatzes. Die Erfassung von Effekten aus gesundheitlichen Verbesserungen durch volkswirtschaftliche Kennzahlen wie Produktion und Wertschöpfung für die Beurteilung von bestimmten Gesundheitsmaßnahmen ist zwar notwendig, kann jedoch die wahre Dimension des volkswirtschaftlichen Nutzens von Gesundheit nicht abbilden.
Abstract
(Englisch)
We estimated the economic value of health improvements since 1980 in Austria with the help of two in the health economics literature well-established methods: the human capital and the willingness to pay-approach. The results in both approches show that the economic impact or effect of improved life quality and -quantity (i.e. life expectancy) over the period 1980-2003 exceeds the corresponding health expenditures. The human capital approach measures possible macroeconomic productivity increases due to better health. By doing this, the method solely considers the well-being of the working force. Consequently, children or retirees who do not contribute to the productivity of a nation are not assigned any social value – a model characteristic leading to unethical consequences. In contrast, the willingness to pay method (WTP) monetarizes individual utility accrued by better health conditions for all age groups. The value of health is measured by the individual's willingness to pay for improvements in life quality or -quantity. In order to implement the WTP-approach, we chose the life-cycle model by Murphy and Topel (2006) where the utility function is influenced - besides consumption - by the amount of leisure time. The age-dependent utility-profile of a representative Austrian individual was approximated by the average equivalent income and equivalent consumption expenditures of the Austrian households in 2000. Exploiting the simplified structure of the model's implementation of life quality, we approximated the morbidity indicator with the help of self-assessed health, surveyed in the Gesundheitsbefragung 1999. The data of the mortality variable stem from the official mortality data base in Austria. For comparison reasons, we used a life-cycle variant of the human capital method following the model's structure in Murphy and Topel (2006). The observed health improvements over the period 1980-2003 are evaluated by the reference quantities of both methods: gains in productivity and utility, respectively. Because both life-cycle models incorporate survival risk, the value function of the WTP- and of the human capital-approach represents expected utility and expected present value of income (approximating marginal productivity), respectively. In the human capital-model, improved health of the working force decreases sick leaves and premature mortality, leading to a higher value of labour from the viewpoint of a social planner. In contrast, the impact of better health in the WTP-model increases the value of a statistical life (VSL) and thus the willingness to pay for these health improvements. As an ancillary result, we estimated a Austrian-specific VSL by approx. € 1.7 mio. at the age of 20. The main results of the human capital-model are as follows. The employed men between age 20 and 40 benefited most by the observed health improvements since 1980, namely by approx. € 30.000 per capita. Due to the lower income level and participation rate of women we estimated a rise in productivity of employed females by merely € 7.000 per capita. Summing up the productivity gains over all age and gender groups, we calculate a social value of improved health of the period 1980-2003 of € 105.5 bn. or € 4.6 bn. per year on average, amounting to 2.03% of GDP in 2003. Implementing the WTP-approach, we use the age-profile of our VSL-estimate in the reference year 2003. Due to the lower life expectancy and health condition prevailing in 1980, a rational individual prefers the living conditions in 2003. Applying the theoretical model by Murphy und Topel (2006), we calculate age, gender and time specific values of the willingness to pay. Summing up, we derive a social value of all individuals' willingness to pay for the health improvements of the period 1980-2003 of € 830 bn. This translates into € 36.1 bn. per year or 16% of GDP in 2003. Thus, the value of the social WTP exceeds eightfold the value of the aggregated productivity gains generated by the observed health improvements. Concluding, the economic effects of improved mortality and morbidity of the past 20 years have outweighed the corresponding health expenditures in Austria by far. But merely focusing on pure economic indicators understates the true impacts of better health on the well-being of individuals. A better approach for valuating political measures in health care is considered to be the willingness to pay-method, because this approach accounts for unproductive people in our society, too. Our results of the WTP-model exceed the estimates of the productivity-based approach for better health of the last 20 years in Austria by far. Thus, economic indicators such as productivity and aggregated value are still useful in valuating policy measures in health care. However, the true dimension of the better health is better captured by utility-based models such as the WTP-approach.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Englisch)
economic evaluation human capital approach willingness to pay approach value of life value of health
Schlagwörter
(Deutsch)
Ökonomische Evaluierung Humankapital-Ansatz Zahlungsbereitschaft Wert von Gesundheit
Autor*innen
Markus Pock
Haupttitel (Deutsch)
Der ökonomische Wert von Gesundheit am Beispiel Österreich
Paralleltitel (Englisch)
The economic value of health in Austria
Publikationsjahr
2008
Umfangsangabe
VI, 143 S. : graph. Darst.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*innen
Robert Kunst ,
Andreas Wagener
Klassifikationen
83 Volkswirtschaft > 83.03 Methoden und Techniken der Volkswirtschaft ,
83 Volkswirtschaft > 83.13 Theorie der Wirtschaftspolitik, Wohlfahrtstheorie ,
83 Volkswirtschaft > 83.99 Volkswirtschaft: Sonstiges
AC Nummer
AC05038885
Utheses ID
1867
Studienkennzahl
UA | 084 | 140 | |
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