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Kultur außer Kontrolle?
über Möglichkeit und Unmöglichkeit oppositioneller Kulturproduktion in der Kulturindustrie
Gregor Mahnert
Art der Arbeit
Diplomarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft
Betreuer*in
Anna Monika Singer
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Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.2232
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-30155.28707.423366-4
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Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Die vorliegende Arbeit stellt den Versuch dar, die klassische Kritische Theorie der Kulturindustrie für Ansätze einer gegenwärtigen, kritischen Kulturtheorie nutzbar zu machen. In jenem Sinne nämlich, dass ihre zentralen Analysen nachvollzogen, theoretisch weiterführende Fragen und Konzepte herausgearbeitet und durch aktuelle Ansätze, wie sie die Cultural Studies darstellen, kritisch ergänzt werden sollen. Dies geschieht mit der Intention, die Radikalität der Analysen der Kulturindustrie, wie sie Theodor W. Adorno und Max Horkheimer in der Dialektik der Aufklärung (1944) und Herbert Marcuse in seiner Untersuchung der „affirmativen Kultur“ (1937) vornehmen, einerseits beizubehalten, sich andererseits aber auf die Suche nach Perspektiven zu begeben, die es ermöglichen, Risse im Gefüge der kulturindustriellen Verwaltung aufzuspüren, politische und kulturelle Handlungsspielräume dort zu artikulieren, wo für Adorno und Horkheimer „kein Ausdruck sich mehr anbietet, der nicht zum Einverständnis mit herrschenden Denkrichtungen hinstrebte“. Eine derart zugespitzte Kritik birgt aber – trotz und vielleicht auch gerade wegen der Scharfsichtigkeit der ihr zugrunde liegenden Untersuchungen – die Gefahr in sich, selbst jene Stabilität der Verhältnisse zu reproduzieren, die zu kritisieren sie angetreten ist: Ein „richtiges Leben“ innerhalb der Kulturindustrie scheint nur mehr in Form einer in weite Ferne gerückten Utopie möglich zu sein. Hinzu kommt, dass ein Nachdenken über Kultur unter den Bedingungen postmoderner Transformationen ein anderes sein muss, als unter den Bedingungen der spezifischen historischen Situation, in der die Vertreter der klassischen Kritischen Theorie das Feld der Kultur politisch problematisiert haben. Wenngleich schon Adorno und Horkheimer den Kapitalismus nicht ausschließlich als ökonomisches System, sondern gerade auch als Kultur- und Gesellschaftsformation begreifen, so müssen ihre Untersuchungen, die – gewissermaßen als marxistisches Erbe – dazu tendieren, kulturelle Phänomene aus den ökonomischen Verhältnissen abzuleiten, durch Perspektiven ergänzt – nicht aber ersetzt – werden, die den politischen, kulturellen und technologischen Transformation der letzten Jahrzehnte Rechnung tragen. Während Adorno und Horkheimer Kulturindustrie als beinahe totalitären Machtinstanz beschreiben, die quasi unmittelbar auf Subjekte zugreifen und diese uneingeschränkt verwalten kann, so muss unter Berücksichtigung der stattgefundenen Transformationen aus heutiger Perspektive von einem generellen gesellschaftlichen Ringen um Hegemonie ausgegangen werden, das Macht immer schon als von oppositionellen Praxen bedingt begreift. In einer in dieser Weise modifiziertem gesellschaftspolitischen Situation erscheint Kultur als zentraler Austragungsort dieser Auseinandersetzungen, zumal die gesellschaftlichen und ökonomischen Strukturen auch und gerade in kulturellen Diskursen legitimiert und reproduziert werden müssen. Dass derlei kulturelle Aushandlungsprozesse nicht auf neutralem Boden, sondern vor dem Hintergrund konkreter gesellschaftlicher und ökonomischer Machtstrukturen stattfinden, muss im Sinne einer politischen Theoretisierung dieser Prozesse berücksichtigt werden. Allerdings, und darin liegt die Brisanz einer solchen Bestimmung von Kultur als Arena der Auseinandersetzung antagonistischer Interpretationsmodelle sozialer Realität, müssen gerade die ökonomischen gesellschaftlichen Strukturen auch über kulturelle Diskurse legitimiert werden. Die Stabilität der gesellschaftlichen Verhältnisse ist also an eine kommunikative Praxis der Legitimation dieser Verhältnisse gebunden, die durch die Konstruktion spezifischer, hegemonialer Semantiken und Deutungsmodelle der gesellschaftlichen Wirklichkeit abgesichert werden müssen. Gerade diese Notwendigkeit, die Verhältnisse kommunikativ zu reproduzieren, birgt freilich auch die Möglichkeit kultureller Interventionen – in Form von alternativen Interpretationsmodellen und oppositionellen Semantiken – in sich. Die Arbeit beschreibt Kultur also als einen durchaus ambivalenten gesellschaftlichen Prozess, der in mehrfacher Weise „außer Kontrolle“ geraten kann. Einerseits nämlich in ihrer Funktion als ideologische, repressive Kraft, die die gesellschaftlichen Verhältnisse affimieren, letztendlich als quasi-natürliche Zusammenhänge verschleiern, und gesellschaftliche Subjekte als „Knotenpunkte der Allgemeinheit“, als „Exemplar einer Gattung“ konstituieren und verwalten soll. Andererseits aber in ihrer Funktion als kritische, emanzipative Kraft der Transformation, die die Möglichkeit in sich trägt, oppositionelle, vielleicht sogar subversive, Dynamiken zu entfachen. Möglicherweise sind in dem Risiko, das Kultur in ersterer Funktion darstellt, bereits die Chancen enthalten, die ihr in zweiterer innewohnen.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Deutsch)
Kulturindustrie Adorno Horkheimer Kritische Theorie Cultural Studies Herrschaft
Autor*innen
Gregor Mahnert
Haupttitel (Deutsch)
Kultur außer Kontrolle?
Hauptuntertitel (Deutsch)
über Möglichkeit und Unmöglichkeit oppositioneller Kulturproduktion in der Kulturindustrie
Publikationsjahr
2008
Umfangsangabe
123 S.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Anna Monika Singer
Klassifikation
08 Philosophie > 08.45 Politische Philosophie
AC Nummer
AC07102308
Utheses ID
1882
Studienkennzahl
UA | 296 | 295 | |
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