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Eine sozialökologische Perspektive auf die landwirtschaftliche Revolution in England und Wales, 1700 - 1850
Reza Nourbakhch-Sabet
Art der Arbeit
Diplomarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Fakultät für Lebenswissenschaften
Betreuer*in
Fridolin Krausmann
DOI
10.25365/thesis.2322
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-30402.38129.340453-0
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)
Abstracts
Abstract
(Deutsch)
In dieser Arbeit wurden biophysische Aspekte der landwirtschaftlichen Revolution in
England und Wales in der Zeitspanne zwischen 1700 und 1850 analysiert. Die zentrale
biophysische Entwicklung dieser Periode stellt das rasante Bevölkerungswachstum dar.
Daraus ergibt sich für die vorliegende Arbeit die Frage, wie das landwirtschaftliche System
eine konstante Nahrungsversorgung ermöglichen konnte und das trotz eines sinkenden
Anteils an landwirtschaftlichen Arbeitskräften an der Gesamtbevölkerung.
Indem landwirtschaftliche Biomasse- und Energieflüsse, sowie die Landnutzung analysiert
wurden, konnte die landwirtschaftliche Intensivierung quantitativ erfasst werden. Es wurde
nachgezeichnet, dass es zu einem deutlichen Anwachsen der Flächen- und
Arbeitsproduktivität kam. Aber auch die Effizienz der Energienutzung (Energy Return on
Investment) und der Nahrungsproduktion wuchsen deutlich an.
Zuletzt wurde der Frage nachgegangen, welche Faktoren diese Entwicklungen
ermöglichten. Dabei zeigte sich deutlich, dass es sich um einen Komplex an Ursachen
handelte, die auf der einen Seite durch die Veränderung der landwirtschaftlichen Praxis
sehr konkrete und direkte Auswirkungen auf die Steigerung des landwirtschaftlichen
Outputs hatten. Auf der anderen Seite waren institutionelle Faktoren ebenso
bedeutungsvoll. Sie bewirkten oft sehr viel grundlegendere Veränderungen und schufen
damit die Rahmenbedingungen, die für die Agrarrevolution notwendig waren.
Zu den landwirtschaftlichen und agrartechnischen Antriebsfaktoren der Agrarrevolution
sind das Ausweiten und die intensivierte Nutzung der landwirtschaftlichen Fläche zu
zählen. Mittels Daten zur Landnutzung konnte dies auch quantitativ festgehalten werden.
Neue Feldfrüchte wurden in neuen Systemen der Fruchtwechselwirtschaft angebaut. Vor
allem in Kombination mit der ganzjährigen Stallhaltung von Rindern ermöglichte diese
Bewirtschaftungsform einen nachhaltigeren Umgang mit Bodennährstoffen. Der Einsatz
von importiertem Dünger scheint eine vergleichsweise geringe Rolle zu spielen.
Die These, nach der der Anteil der pflanzlichen Produktion aufgrund von
Effizienzvorteilen in der Produktion steigt, konnte nicht nachgewiesen werden. Innerhalb
des tierischen Produktionssektors ist jedoch ein Anstieg der Milchproduktion im Vergleich
zur Fleischproduktion zu sehen. Milch kann deutlich effizienter produziert werden als
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Fleisch. Es konnte ebenfalls quantitativ gezeigt werden, dass, durch Züchtungserfolge und
qualitativ hochwertigeres Futter mitbedingt, die Konversionseffizienz des Viehbestandes
steigt.
Die Einflüsse des kulturalen Wirkungszusammenhangs auf den materiellen und
energetischen Stoffwechsel werden in Form des institutionellen Wandels beschrieben. Es
konnte gezeigt werden, dass die beiden beschriebenen Transportrevolutionen
unterschiedliche Auswirkungen auf das landwirtschaftliche System und die
Nahrungsproduktion hatten. Der Einfluss der so genannten zweiten Transportrevolution, in
der die Eisenbahn als Transportmittel entstand, hatte während der Untersuchungsperiode
keine Auswirkungen auf das landwirtschaftliche System, da rurale Gebiete vom
Eisenbahnnetz erst später erschlossen wurden. Durch die erste Transportrevolution konnten
wachsende Transportgeschwindigkeiten, ein dichteres Verkehrsnetz, sinkende
Transportkosten und höhere Regelmäßigkeit der Fahrten erreicht werden. Damit wurde die
Grundlage für die Urbanisierung und die Entwicklung des kapitalistischen Marktes
geschaffen.
Die Entwicklung der kapitalistischen Marktwirtschaft im Agrarsektor beeinflusste die
Landwirte bei ihrer Entscheidung, welche landwirtschaftlichen Erzeugnisse sie
produzieren sollten. Nicht mehr der Bedarf an Produkten, die zum Überleben notwendig
waren, sondern die potentielle Inwertsetzbarkeit wurde zum bestimmenden Kriterium für
die Produktion. Mit der Produktion für den Markt wurden Spezialisierungen möglich.
Gleichzeitig kommt es auch durch Einhegungen ausgelöst zu einem deutlichen Anwachsen
der Betriebsgrößen. Sowohl Spezialisierungen, wie auch das Anwachsen der
Betriebsgrößen führten zu Effizienzsteigerungen. Diese können bei regionalen
Spezialisierungen durch das Eingehen auf naturräumliche Faktoren erreicht werden. Bei
dem Anwachsen der Betriebsgrößen nützt man positive Skaleneffekten aus. Mit steigender
Betriebsgröße kommt es zu einem relativen Rückgang der Betriebskosten pro
landwirtschaftlich genutzte Flächeneinheit. Diese Entwicklung kam vor allem den
Großgrundbesitzern zu gute, die auf Kosten von Kleinbauern und Häuslern zu den
Profiteuren dieses Prozesses zählten.
Zuletzt soll auch die zentrale Bedeutung des Außenhandels für die Ernährungssituation in
der Mitte des 19. Jahrhunderts genannt werden. Mit der Abschaffung der
merkantilistischen Schutzzölle auf Getreide (Corn Laws) stieg der Import von
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Nahrungsmitteln rasant an. 1850 stammen ca. 20% der inländisch verfügbaren Nahrung
aus dem Außenhandel.
Mit dieser Arbeit wurde aus einer sozialökologischen Perspektive die landwirtschaftliche
Revolution betrachtet. Deren zentrale Leistung bestand darin für eine drastisch wachsende
Bevölkerung eine konstante Nahrungsversorgung sicher zu stellen. Dies gelang trotz eines
sinkenden Anteils landwirtschaftlicher Arbeitskräfte an der Gesamtbevölkerung. Die
Gründe, die diese Entwicklung ermöglichten, sind nicht auf isolierte Wirkmechanismen
zurückzuführen. Nur aus der Verflechtung biophysischer und kulturaler
Wirkungszusammenhänge heraus entstand ein plausibles Erklärungsmuster für die
landwirtschaftliche Revolution.
Schlagwörter
Schlagwörter
(Englisch)
enclosures agricultural revolution MFA EFA MEFA material flow accounting agricultural history
Schlagwörter
(Deutsch)
landwirtschaftliche Revolution Agrargeschichte Landwirtschaftsgeschichte Einhegungen Sozialgeschichte gesellschaftlicher Metabolismus MFA EFA MEFA Biophyisch Sozial Ökologie Soziale Ökologie
Autor*innen
Reza Nourbakhch-Sabet
Haupttitel (Deutsch)
Eine sozialökologische Perspektive auf die landwirtschaftliche Revolution in England und Wales, 1700 - 1850
Paralleltitel (Englisch)
The agricultural revolution in England and Wales (1700 - 1850) from a socioecological perspective
Publikationsjahr
2008
Umfangsangabe
168 S. : graph. Darst.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Fridolin Krausmann
Klassifikationen
15 Geschichte > 15.07 Kulturgeschichte ,
15 Geschichte > 15.08 Sozialgeschichte ,
15 Geschichte > 15.09 Wirtschaftsgeschichte ,
15 Geschichte > 15.35 Europäische Geschichte 1789-1815 ,
15 Geschichte > 15.64 Großbritannien, Irland ,
15 Geschichte > 15.99 Geschichte: Sonstiges ,
42 Biologie > 42.97 Ökologie: Sonstiges ,
71 Soziologie > 71.11 Gesellschaft ,
71 Soziologie > 71.15 Ländliche Gesellschaft ,
71 Soziologie > 71.41 Sozialer Wandel ,
71 Soziologie > 71.99 Soziologie: Sonstiges
AC Nummer
AC07498838
Utheses ID
1970
Studienkennzahl
UA | 444 | | |