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Von der Deutschtümelei zum Deutschnationalismus, von der Volksgeschichte zum Volkstumkampf
kämpfende Wissenschaft im Dienst nationalsozialistischer Politik für den deutschnationalen Kultur- und Volkstumskampf in Südosteuropa
Herbert Fürst
Art der Arbeit
Dissertation
Universität
Universität Wien
Fakultät
Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Betreuer*in
Marija Wakounig
DOI
10.25365/thesis.23589
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-29698.47964.868360-1
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)
Abstracts
Abstract
(Deutsch)
Die vorliegende Dissertation verfolgte die Entstehung und Entwicklung von Deutschtümelei und Deutschnationalismus seit Beginn des 19. Jahrhunderts bis zu des-sen unseliger Verquickung mit der deutschen Volkskunde, Volks- und Kulturbodenfor-schung und dem sich daraus entwickelnden nationalsozialistischen Kultur- und Volks-tumskampf, als dessen Vollendung die menschenverachtende „angewandte und kämp-fende Wissenschaft“ in Gestalt der seit 1930 gegründeten außeruniversitären Südosteu-ropainstitute und des dort „tätigen“ wissenschaftlichen Personals anzusehen ist.
Schon seit dem Mittelalter wurde von „Deutschen“ gesprochen, gemeint waren aber immer nur die durch die gleiche Sprache, nämlich „deutsch“ in verschiedensten Dialek-ten, verbundenen „Deutschsprachigen“, eine sogenannte deutsche Nation gab es nicht, auch wenn ab der Frühen Neuzeit immer öfter dem Terminus „Heiliges Römisches Reich“ der Zusatz „deutscher Nation“ beigefügt wurde, entsprach das nicht den Tatsa-chen. Ein „Deutsches Reich“ gab es erst ab 1871. Seltsamerweise sprach man trotzdem schon im Mittelalter von „deutscher Kolonisation“ in Ost- und Südosteuropa.
Bestimmte Formen der deutschen Geschichtswissenschaft haben das „Deutsche“ immer mit dem westeuropäischen Kulturkomplex gleichgesetzt und alle Einflüsse und Entwicklungen im ost- und südosteuropäischen Raum pauschal dem Deutschtum zuge-schrieben. Kein oder kaum ein Wort fiel über die lateinische Kirchentradition, die uni-versalistisch und über-, also auch vor- und international war, unter deren Mantel der von Kolonisten aus dem deutschen Binnenraum besorgte Kulturtransfer erfolgte. Diese Art der Geschichtsschreibung, die das deutsche Volk und seine Geschichte zum ausschließ-lichen Forschungsobjekt erhob, übertrug Kategorien der Volksforschung vorbehalts- und differenzlos auf die vornationalen Zeitabschnitte. Stereotypisch wurde, fast gebets-mühlenartig, das deutsche Kulturbringertum angestrengt und obsessiv auf die „deut-schen Kulturleistungen“ im Osten und Südosten verwiesen. Man nahm einfach nicht zur Kenntnis, dass allgemeine Kultur- und wissenschaftliche Prozesse, die auf dem Aus-tausch von Werten beruhten, niemals einseitig erfolgten, weil sie ein stetes Nehmen und Geben bedingten. Daher waren auch die aus dem binnendeutschen Raum siedelnden Kolonisten keinesfalls nur überlegene Geber, sondern ebenso auch Empfänger. Eine Hauptursache ihres Jahrhunderte währenden Fortbestandes als Gruppe(n) war genau das, was die solipsistische Volksgeschichts- und Volkstumsforschung a priori aus-schloss, nämlich die Bereitschaft von der anderssprachigen, zuweilen anderskonfessio-nellen Mehrheitsbevölkerung der Gastländer bestimmte Haltungen und Umgangsfor-men, selbst technische Errungenschaften, anzunehmen und sich zueigen zu machen.
Die Südosteuropahistoriographie der Deutschen war als „kämpfende Wissenschaft“ eng verbunden mit der Volkskunde. Max Hildebert Böhm hielt bereits 1932 den „Kampf“ für die „gegebene Urform der Völkerbegegnung“ und offenbarte sich schließ-lich 1935 als Programmatiker der faschistischen „Heim ins-Reich-Bewegung“: „Der Grundbefund, von dem aus allein ein Verständnis für die südostdeutsche Volkstumslage gewonnen werden kann, ist das instinktsichere Überlegenheitsbewusstsein, mit dem der Deutsche als Missionar, als Kolonist, als Gutsherr und Bauer, als Städtegründer, als Träger gewerblichen und geistigen Fortschritts den Südosten seit mehr als einem Jahrtausend als zusätzlichen deutschen Lebensraum einem wachsendem Volk erschlossen hat“. Man sprach vom „aristokratischen Verhältnis des Deutschen zu seiner südosteuropäischen Umwelt“, seinem „eigentümlichen Herrenbewusstsein, das seine Kraft aus einem großartigen gesamtvölkischen Zielbild, dem Drang nach Osten“ schöpfe. Damit wurden massiv ideologische Positionen besetzt, die auch anderswo in der Volkskunde wirksam waren und die faschistische Gleichschaltung ermöglichten.
Zur Forschungslage wäre zu bemerken, dass sich die Geschichtswissenschaft erst in den letzten dreißig Jahren intensiver mit den Problemen Volkstum, Volksgeschichte und den dazu gehörenden Forschungseinrichtungen, dem Anteil der Geschichtswissenschaft und ihrer Historiker am Volkstumskampf im Osten und Südosten, sowie dem Miss-brauch und der Pervertierung von „Deutschtum“ und „deutschem Volkstum“ durch das nationalsozialistische Regime beschäftigt hat.
Es wurde versucht, an ausgewählten Paradigmen und Quellentexten die ganze Ab-surdität und teilweise Lächerlichkeit der Deutschtümelei im Allgemeinen, der allge-genwärtigen, zeitgenössischen Germanophilie und des nationalsozialistischen Kampfes an den Kultur- und Volkskampffronten aufzuzeigen. Die Instrumentalisierung und insti-tutionelle Vernetzung der Volkstumswissenschaft mit dem sogenannten Deutschtum im Dienste des Nationalsozialismus sowie die Hintergründe der NS-Volkstums- und Kul-turpolitik und des Volkstums- und Kulturkampfes führten letztlich zur Errichtung der teils mit äußerst fragwürdigen Tätigkeiten agierenden außeruniversitären Südosteuro-painstitute, die durch anerkannte Wissenschaftler dem NS-Regime die wissenschaftli-chen Begründungen für seine verbrecherischen Vorgehen in Südosteuropa (ethnische Säuberungen und „Umvolkungen“) lieferten bzw. zu liefern hatten.
Abstract
(Englisch)
The intent of this dissertation is to reconstruct the origin and development of hyper Germanness and German Nationalism since the early 19th century until its unfortunate amalgamation with German ethnology and the so called “Volks- und Kulturboden-forschung” with the result of the National Socialist cultural and racial struggle. The foundation of the independent Southeastern European Institutes established 1930 apart from the university and his “active” scientific staff are the cynical completion of the inhuman “angewandte und kämpfende Wissenschaft” (applied and fighting science).
Already in the Middle Ages under “Germans” one understood only people which spoke the same language “german” with its various dialects which were the so called “Deutschsprachigen”. A German Nation did in fact not exist even though in the Early Modern Times to the term “Holy Roman Empire” often the expression “of German Na-tion” was added, but this didn’t correspond with the facts: a “German Empire” only started in 1871, but strangely enough the term “German Colonisation” in Eastern and Southeastern Europe has been used already existed since the Middle Ages.
Certain trends in German Historiography treated always “German” as only equiva-lent to the Western European Culture Complex and all the positive influences and de-velopments within the Eastern and Southeastern Region were exclusively described as result of “Germanness”. No or hardly a word was mentioned about the universalistic and international Latin Church tradition which actually contributed to the culture trans-fer by colonists coming from central german regions. This kind of historiography treat-ing as sole object the german population and its history mentioned stereotypically the “German cultural achievements” in the east and southeast obsessively as success of the one and only German Culture. They ignored the fact that cultural and scientific process-es are based on the exchange of knowledge and experience and not a one way develop-ment. Therefore the german colonists were not only superior “bringers” of german cul-ture but also recipients of the eastern and southeastern european culture. A main reason of the centuries lasting existence of the german groups in this region was just what the solipsist folk history and “Volkstumsforschung” a priori excluded, based on the will-ingness of the local host population to accept and partly adopt attitudes and manners including.
The historiography of the south-eastern (Südosteuropahistoriographie) of Germans as a “fighting science” closely connected with the folklore. Max Hildebert Boehm con-sidered already in 1932 a “fight” as the “natural archetype of nations encounter” and finally revealed himself 1935 as programmatic fascist of the “home to-Reich-movement” (Heim-ins-Reich-Bewegung): “The basic finding, obtained from which alone we may understand of the Southeast German ‘Volkstumslage’ may be possible, the instinctive superiority consciousness with which the German has a missionary, as a colonist, a landowner and farmer, as a founder of cities, as support industrial and intellectual progress opened the Southeast for more than a millennium as additional German living space grows, people are”.
One spoke of the“aristocratic relationship” between the Germans to his Southeast European Environment”, his “peculiar and dominant ‘Herrenbewusstsein’, that his en-ergy from a grand total ethnic target image, the urge ‘Go to East’” scoop. Massively ideological positions have been filled, which were effectively elsewhere in folklore and allowed the fascist conformity.
For research would be able to notice that the study of history in the last thirty years had been engaged intensive with the problems of folklore, folk history and the associat-ed research institutions, the proportion of historiography and its historians on racial struggle in the east and southeast, and the abuse and perversion “Germanness” and “German nationality” was employed by the Nazi regime.
An attempt was made at selected paradigms and source texts reveal the absurdity and ridiculousness of some “Germanomania” in general, the ubiquitous, contemporary “germanophilia” and the Nazi campaign to the culture and people fighting fronts. The exploitation and Institutional networking “Volkstumswissenschaft” with the so-called “Germanness service of National Socialism” and also the background of the Nazi “na-tional-folklore” and culture policy. Also as the nationality and cultural struggle ulti-mately led to the establishment of some operating with highly questionable activities outside the university Southeastern Europe institutions which by recognized scientists Nazi regime, the scientific justification for his criminal actions in Southeast Europe de-livered (ethnic cleansing and “Umvolkungen”) and had to deliver.
Schlagwörter
Schlagwörter
(Deutsch)
Deutschnationalismus Deutsches Volkstum Kämpfende Wissenschaft Südosteuropainstitute
Autor*innen
Herbert Fürst
Haupttitel (Deutsch)
Von der Deutschtümelei zum Deutschnationalismus, von der Volksgeschichte zum Volkstumkampf
Hauptuntertitel (Deutsch)
kämpfende Wissenschaft im Dienst nationalsozialistischer Politik für den deutschnationalen Kultur- und Volkstumskampf in Südosteuropa
Publikationsjahr
2012
Umfangsangabe
275 S. : Ill.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*innen
Marija Wakounig ,
Christoph Augustynowicz
Klassifikation
15 Geschichte > 15.49 Ostmitteleuropa
AC Nummer
AC10506363
Utheses ID
21088
Studienkennzahl
UA | 092 | 312 | |