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Die Entscheidungen des OGH in Strafsachen im Jahr 2004
eine statistische und dogmatische Analyse
Patrick Aulebauer
Art der Arbeit
Dissertation
Universität
Universität Wien
Fakultät
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Betreuer*in
Alexander Tipold
DOI
10.25365/thesis.24027
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-29147.01432.164953-3
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)
Abstracts
Abstract
(Deutsch)
Insgesamt entschied der OGH im Jahr 2004 in Strafsachen über 551 Nichtigkeitsbeschwerden, 65 Nichtigkeitsbeschwerden zur Wahrung des Gesetzes, 34 Grundrechtsbeschwerden, drei Anträge auf außerordentliche Wiederaufnahme nach § 362, drei Beschwerden in Auslieferungssachen , zwei Anträge auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a, zwei Anträge nach dem StEG, eine Beschwerde gegen einen Beschluss des OLG nach dem StEG, eine Beschwerde gegen einen Gebührenbeschluss des OLG sowie über zwei Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Somit befassten sich im Jahr 2004 über 77% aller Entscheidungen des OGH in Strafsachen mit Nichtigkeitsbeschwerden gegen Urteile von Schöffen- oder Geschworenengerichten.
Von den insgesamt 551 Nichtigkeitsbeschwerden wurde 89, das sind rund 16%, Folge gegeben, in weiteren 24 Fällen wurden materielle Nichtigkeitsgründe gemäß § 290 Abs 1 von Amts wegen wahrgenommen. In 76 der 89 stattgebenden Erkenntnisse entschied der OGH kassatorisch, hob das Urteil auf und verwies die Sache zur neuerlichen Verhandlung an das Erstgericht zurück, in den übrigen 13 Fälle entschied er in der Sache selbst.
Am häufigsten Folge gegeben wurde dabei Nichtigkeitsbeschwerden aus den Nichtigkeitsgründen nach § 281 Abs 1 Z 10 (in 33 Fällen), nach Z 9b (in 21 Fällen) sowie nach Z 10 (in 16 Fällen). Der letztgenannte Nichtigkeitsgrund wurde überdies in 27 Fällen gemäß § 290 Abs 1 von Amts wegen wahrgenommen und war somit insgesamt am häufigsten verwirklicht. Die mit Abstand höchste Anzahl nichtiger Urteile entstammt dabei Schuldsprüchen nach dem SMG, alleine Urteile nach § 28 aF SMG waren in insgesamt 36 Fällen nichtig.
Die überwiegende Zahl der insgesamt 551 Nichtigkeitsbeschwerden blieb hingegen erfolglos, wobei 400, das sind 72,6%, bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückgewiesen wurden.
Die Zurückweisung erfolgte dabei fast durchwegs, weil in der Nichtigkeitsbeschwerde kein Nichtigkeitsgrund deutlich und bestimmt bezeichnet wurde oder weil der OGH die Nichtigkeitsbeschwerde – soweit sie sich auf § 281 Abs 1 Z 1 bis 8 und 11 bzw § 345 Z 1 bis 5, 10a und 13 stützte – einstimmig als offenbar unbegründet verwarf. Da – anders als bei den zuletzt genannten Nichtigkeitsgründen – bei jenen nach auf § 281 Abs 1 Z 9, 10 und 10a bzw § 345 Z 11, 12 und 12a eine Zurückweisung als offenbar unbegründet nicht möglich ist, wies der OGH auf diese Nichtigkeitsgründe gestützte Nichtigkeitsbeschwerden besonders häufig mangels „prozessordnungskonformer Ausführung“, dh mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung eines Nichtigkeitsgrundes zurück, wobei viele Beschwerden am vom OGH für die Geltendmachung materieller Nichtigkeitsgründe aufgestellten Erfordernis der „methodengerechten Argumentation“ scheiterten .
Die dabei gestellten hohen Anforderungen an die prozessförmige Ausführung materieller Nichtigkeitsgründe sind für den Angeklagten jedoch nicht von Nachteil, weil materielle Nichtigkeitsgründe, sofern sie sich zu dessen Nachteil auswirken, gem § 290 Abs 1 ohnehin von Amts wegen wahrzunehmen sind, was im Jahr 2004 in immerhin 36 Fällen erfolgte (6,5%). Soweit hingegen im Bereich der prozessualen Nichtigkeitsgründe hohe Anforderungen an die prozessordnungskonforme Geltendmachung von Nichtigkeitsgründen gestellt werden, könnte dies hingegen insofern bedenklich sein, als der Angeklagte von der Qualität seines Verteidigers abhängig gemacht wird, wenn es letzterem nicht gelingt, einen tatsächlich vorliegenden Nichtigkeitsgrund prozessordnungskonform auszuführen .
Freilich darf jedoch die Tatsache, dass ein Großteil aller Nichtigkeitsbeschwerden mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung eines Nichtigkeitsgrundes bzw mangels „prozessordnungskonformer Ausführung“ zurückgewiesen wurde, nicht zu dem Schluss verleiten, die meisten Beschwerden seien lediglich wegen der vom OGH gestellten Anforderungen an die Ausführung von Nichtigkeitsbeschwerden gescheitert. Vielmehr kann es idR dann, wenn dem erstinstanzlichen Verfahren und Urteil keine Nichtigkeitsgründe anhaften, gar nicht gelingen, einen solchen – ohne aktenwidriges Vorbringen zu erstatten – prozessordnungskonform darzustellen.
Insgesamt ist die hohe Anzahl der zurückweisenden Entscheidungen über Nichtigkeitsbeschwerden systembedingt: Die StPO sieht im kollegialgerichtlichen Verfahren nur eine Tatsacheninstanz vor und ermöglicht keine Bekämpfung der Beweiswürdigung nach Art einer im Einzelrichterverfahren vorgesehenen Schuldberufung. Gerade das versuchten jedoch die Nichtigkeitswerber meist, besonders häufig in jenen 351 Beschwerden (73,0% aller Nichtigkeitsbeschwerden), in denen Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 5, und jenen 218 Fällen (45,3%), in denen Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 5a behauptet wurde.
Während demnach der insgesamt überwiegende Teil der Entscheidungen des OGH über Nichtigkeitsbeschwerden von der (prozessualen) Frage des Zulässigkeit des Rechtsmittels geprägt waren, wurden strittige Rechtsfragen an den OGH primär im Wege der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes an den OGH herangetragen. Zwar diente damit die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes in diesen Fällen in besonderem Maße auch der Rechtseinheit bzw -fortbildung, der zahlenmäßig überwiegende Teil aller Wahrungsbeschwerden diente jedoch schlicht der Korrektur mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr bekämpfbarer verfehlter Einzelentscheidungen.
Schlagwörter
Schlagwörter
(Deutsch)
Entscheidungen des OGH 2004 statistische und dogmatische Analyse
Autor*innen
Patrick Aulebauer
Haupttitel (Deutsch)
Die Entscheidungen des OGH in Strafsachen im Jahr 2004
Hauptuntertitel (Deutsch)
eine statistische und dogmatische Analyse
Publikationsjahr
2012
Umfangsangabe
245 S.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*innen
Christian Grafl ,
Helmut Fuchs
Klassifikationen
86 Recht > 86.33 Strafrecht: Allgemeines ,
86 Recht > 86.36 Strafprozessrecht
AC Nummer
AC10681854
Utheses ID
21487
Studienkennzahl
UA | 783 | 101 | |