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Die deutschen Dialekte in Ungarn - ein Forschungsüberblick
Tanja Eckel
Art der Arbeit
Diplomarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Betreuer*in
Franz Patocka
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Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.25696
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-30427.91051.762564-6
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)

Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Die Erforschung der deutschen Dialekte in Ungarn entwickelte sich von einer geringen Anzahl an Einzelforschungen hin zu einer organisierten, universitär geleiteten eigenständigen Forschungsdisziplin mit vielseitigen Forschungsschwerpunkten. Der Anfang der Erforschung der deutschen Dialekte ist charakterisiert durch Einzelforschungen und die fast ausschließliche Beschäftigung mit den mittelalterlichen Siedlungen in Siebenbürgen und der Zips. Im 17. Jahrhundert kam es aufgrund des Wandels der Sprachwissen-schaft zu einer vermehrten Auseinandersetzung mit der eigenen Sprache. Trotz dieses Wandels blieb die Forschung oft unwissenschaftlich und durch Phantasmen geleitet. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts zeiget sich wieder ein Aufschwung der Volkskunde- und Mundartforschung, und die ungarndeutsche Forschung trennte sich allmählich von den Forschungen in den mittelalterlichen Siedlungen, die eigentliche Abspaltung vollzog sich jedoch erst im 20. Jahrhundert. Gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts traten allmählich wichtige Forscher hervor, die die Forschung intensiv vorantrieben und Anhänger fanden, die ihre Forschung fortführten. Wichtige Forschende dieser Zeit waren KARL JULIUS SCHRÖER, GIDEON PETZ und JAKOB BLEYER, nach dem Tod PETZENs und BLEYERs folgten HEINRICH SCHMIDT und ELMAR SCHWARTZ. Von diesem Zeitpunkt an, ab der Gründung der Ungarischen Ethnografischen Gesellschaft kann man von einer organisierten Form der ungarndeutschen Forschung sprechen. Es etablierte sich jedoch nicht nur in Ungarn eine neue Forschergeneration, auch in Deutschland und Österreich begann man sich für die deutschen Siedlungen in Ungarn zu interessieren. Einen Wendeunkt in der Erforschung der Dialekte brachten die Erkenntnisse WALTER KUHNs auf dem Gebiet der Sprachinselforschung, was zu einer „ganzheitlichen“ Betrachtung der Sprachinseln führte. Die Forschung während der beiden Weltkriege wurde vermehrt soziologisch-dokumentativ ausgerichtet und es kam zu einem Rückgang der organisierten Forschung und einer Vermehrung von Einzelforschungen. Durch den Zweiten Weltkrieg änderte sich die Forschung drastisch, da viele Forschende fluchtartig das Land verließen oder getötet wurden. Zudem gingen viele der Arbeiten während des Krieges verloren oder wurden zerstört. Während bzw. nach dem Krieg trat ein weiterer Forscher hervor, der daran interessiert war, die Forschung so schnell wie möglich wieder aufzunehmen und fortzuführen, KARL MOLLAY. Ab den 60er Jahren wurde die ungarndeutsche Forschung nun wieder so intensiv durchgeführt wie vor dem Krieg. Zu verdanken ist dies unter anderem CLAUS JÜRGEN HUTTERER, der von der Ungarischen Akademie der Wissenschaften eingestellt wurde, um die Forschung wieder großflächig durchführen zu können. HUTTE-RER wurde aufgrund seiner Forschungen auf dem Gebiet der Dialektologie zum „Begründer der ungarndeutschen Dialektologie“ erhoben. Seine Dissertation über das Ungarische Mittelgebirge wird als grundlegend angesehen und seine Kritik an der Suche nach der „Urheimat“ beeinflusste die Forschung weitreichend. Zudem verfasste er sieben Thesen zur Dialektfor-schung und beschrieb die wichtigsten Aufgaben der ungarndeutschen Mundartforschung. HUTTERERs Erkenntnisse und Vorgaben beeinflussen die ungarndeutsche Forschung bis heute. Obwohl HUTTERER in der Nachkriegszeit viele Werke hervorbrachte, gestaltete sich die Zeit nach dem Weltkrieg für viele Forschende schwierig, da man die Werke fast ausschließlich in Deutschland, vor allem in der Deutschen Demokratischen Republik veröffentlichen konnte. Dort untersuchte man unterdessen die sprachlichen Besonderheiten der Ungarndeutschen, die während des Zweiten Weltkrieges nach Deutschland geflüchtet waren. Erst in den 70er Jahren löste sich die Problematik der Veröffentlichung und man konnte wieder Arbeiten in Ungarn publizieren. Neben dem Aufkommen der Werke KARL MANHERZ begannen auch die Universitäten in Fünfkirchen, Debrezin und Budapest ihre Arbeit auf dem Gebiet der ungarndeut-schen Mundart- und Volkskundeforschung wieder aufzunehmen. Erst 1975 kann man jedoch wieder von einer organisierten ungarndeutschen Forschung sprechen, da die Ungarische Ethnographische Gesellschaft und der Demokratische Verband der Ungarndeutschen dies wieder möglich machten. 1981 begann man unter der Anleitung MANHERZ zudem mit der Herausgabe der Ungarndeutschen Studien, die Arbeiten aufzeigen, die während bzw. nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden. Eine dieser Arbeiten stammt von WILD, die sich besonders durch ihre Erforschung der Syntax in den deutschen Dialekten einen Namen machte. In den 90er Jahren etablierte sich eine neue Generation an Forschenden. KNIPF-KOMLÓSI tat sich durch ihre Untersuchung der Morphologie und der Wortbildung in den deutschen Dialekten hervor, und MARIA ERB durch ihre Untersuchungen des Sprachkontakts und der Zweisprachigkeitssituation der Ungarndeutschen und der Betrachtung der ungarischen Lehnwörter. KNIPF-KOMLÓSI und ERB prägen zudem die bisherigen Forschungen im 21. Jahrhundert, die sich vor allem durch eine Spannung zwischen dem Festhalten an alten Forschungstraditionen und dem Zugang zu neuen Forschungszugängen und Forschungsparadigmen auszeichnen. Die Forschung dieses Jahrhunderts ist sehr vielseitig und umfasst beinahe alle Forschungsbereiche wie die Soziolinguistik, die Systemlinguistik, die Psycholinguistik und die pressegeschichtliche Forschung. Auf dem Gebiet der Phonetik und Phonologie sticht vor allem KOLOMAN BRENNER hervor, der sich bereits gegen Ende des 20. Jahrhunderts mit akustischen Analysen von Dorfmundarten auseinandersetzte. Zudem betrachtet er den theoretischen und geschichtlichen Hintergrund der phonetischen bzw. phonologischen Analysen, und auf sprachsoziologischer Ebene setzte er sich mit der Rolle der Dialekte, der sprachlichen Situation der Minderheit und dem Sprachgebrauch auseinander. Neben der Phonetik und Phonologie betreibt man im 21. Jahrhundert zudem pressegeschichtliche Forschung und betrachtet die ungarndeutsche Medienlandschaft, die man mit der sprachlichen Situation der Ungarndeutschen in Beziehung stellt. Ein weiteres, sehr intensiv behandeltes Forschungsgebiet ist die Kontaktlinguistik, die die Bereiche Sprachmischung, Spracheinstellung und Sprachfunktion umfasst. Auf diesem Gebiet arbeitet vor allem ATTILA NÉMETH, der sich mit den Forschungsschwerpunkten Soziolinguis-tik, Sprachsoziologie, Dialektologie und der gesprochenen Sprache beschäftigt. Mit der Historie der Kontaktlinguistik beschäftigen sich unter anderem FÖLDES und HESSKY. Dem Gebiet der Sprachfunktion widmen sich ERB und KNIPF-KOMLÓSI. Wie bereits erwähnt umfasst die Forschungstätigkeit des 21. Jahrhunderts weitreichende und vielschichtige Bereiche, darunter auch die Beschäftigung mit der Vergangenheit der Ungarn-deutschen und der schulischen Situation dieser. Da die schulische Situation für die deutsche Minderheit aufgrund eines Mangels an Deutschstunden bzw. deutschsprachigen Lehrenden oder KindergärtnerInnen und anderen Problemen nicht gerade ideal ist, kamen in den letzten Jahrzehnten immer wieder Bestrebungen auf, die schulische Situation der Ungarndeutschen zu verbessern bzw. Verbesserungsvorschläge hervorzubringen. In den vergangenen Jahren entstanden in Folge dessen einerseits Publikationen, die sich mit dem Schulsystem auseinandersetzen und andererseits Lehrwerke für Studierende, die die Minderheitenkunde und den Minderheitenunterricht betreffen. Das wohl wichtigste Werk, das bisher in der Geschichte der ungarndeutschen Forschung veröffentlicht wurde, ist wohl der erste Teil des Ungarndeutschen Sprachatlasses, der nach beinahe einem Jahrhundert der Planung 2008 (erster Halbband) und 2012 (zweiter Halbband) erschien. Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts schmiedete man ausgehend von WENKERs Sprachatlas des Deutschen Reiches Pläne, einen Sprachatlas über die deutschen Dialekte in Ungarn anzufertigen. Im Laufe der Jahre versuchten einige Forscher dieses Projekt zu starten, scheiterten jedoch. Erst durch CLAUS JÜRGEN HUTTERER, der in den 60er Jahren die konkre-ten Pläne zum UDSA schmiedete und den Auftrag bekam, die Pläne in die Tat umzusetzen, wurde das Vorhaben konkreter und fassbarer. HUTTERER gab konkrete Vorgaben für das Instrument, das Forschungsdesign, die Abfragemodalitäten und das Forschungsgebiet. Neben HUTTERERs Dissertation zum Ungarischen Mittelgebirge stellte auch MANHERZ Dissertation über Westungarn eine wichtige Vorarbeit zum UDSA dar. HUTTERER begann selbst damit Daten zu erheben, die Sammeltätigkeit wurde dann im Laufe der Jahre zuerst von MANHERZ und dann von WILD weitergeführt. 2008 konnte dann schlussendlich der erste Halbband über Südungarn veröffentlicht werden und 2012 der zweite. Demnächst soll der Band über Westungarn veröffentlicht werden und darauf folgend der Sprachatlas über das Ungarische Mittelgebirge. Wie man an der Zusammenfassung des Forschungsüberblicks erkennen kann, hat sich die Erforschung der deutschen Dialekte in Ungarn immer weiter ausgebreitet und immer mehr Forschende und Forschungsbereiche ergriffen. Den aktuellen Höhepunkt der bisherigen Forschungsgeschichte stellt wohl die Veröffentlichung der ersten beiden Halbbände des Ungarndeutschen Sprachatlas dar.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Deutsch)
deutsche Dialekte Ungarn Ungarndeutsche
Autor*innen
Tanja Eckel
Haupttitel (Deutsch)
Die deutschen Dialekte in Ungarn - ein Forschungsüberblick
Publikationsjahr
2013
Umfangsangabe
110 S.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Franz Patocka
Klassifikationen
17 Sprach- und Literaturwissenschaft > 17.18 Dialektologie ,
17 Sprach- und Literaturwissenschaft > 17.23 Mehrsprachigkeit
AC Nummer
AC10714264
Utheses ID
22944
Studienkennzahl
UA | 190 | 333 | 299 |
Universität Wien, Universitätsbibliothek, 1010 Wien, Universitätsring 1