Detailansicht

Der Einfluss der Lexik des Argots auf das Russische nach der Perestrojka
Isabella Temper
Art der Arbeit
Diplomarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Betreuer*in
Michael Moser
Volltext herunterladen
Volltext in Browser öffnen
Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.25876
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-29112.51895.532253-9
Link zu u:search
(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)

Abstracts

Abstract
(Deutsch)
In der vorliegenden Arbeit wird der Einfluss der Lexik des Argots – also der Sprache der Verbrecher – auf das Russische ab dem Einsetzen der Perestrojka untersucht. Die Perestrojka und das bald darauf folgende Ende der UdSSR stellten entscheidende Einschnitte im Leben der russischen Bevölkerung in politischer und gesellschaftlicher Hinsicht dar. Auch die Sprache war neuen Einflüssen ausgesetzt – unter anderem dem Einfluss des Argots. Manche Linguisten sprechen sogar von einer „Kriminalisierung“ der russischen Sprache in den letzten zwei Jahrzehnten. Das Argot ist vielen unter den Termini „fenja“, „blat“, „blatnaja muzyka“ und „muzyka“ bekannt. Auf diese Begriffe wird kurz eingegangen. Die These, „blat“ würde vom deutschen „Blatt“ kommen, wird verworfen. Stattdessen wird von einer Herkunft aus dem Jiddischen ausgegangen. Desweiteren wird ein Überblick über die Erforschung des Argots geboten: Ab wann beschäftigt sich die Linguistik mit dem Argot und wie hat sich dessen Erforschung im Laufe der Jahre entwickelt? Um die Sprache der Verbrecher möglichst ohne Fehlinterpretationen untersuchen zu können, ist eine Auseinandersetzung mit deren Kultur und der Geschichte unentbehrlich. Es wird gezeigt, dass die gesellschaftlichen Umwälzungen ab Ende der 1980er Jahre einen großen Einfluss auf die Struktur der russischen Kriminalität hatten: Konnte man in der UdSSR noch von einer einheitlich organisierten Verbrecherwelt, die durch als „Diebe im Gesetz“ bezeichnete kriminelle Autoritäten – oft von den Lagern aus, die als „Schaltzentralen“ der Kriminalität fungierten – angeführt wurde, sprechen, so setzt sich die heutige „Russenmafia“ aus vielen zersplitterten Gruppierungen zusammen. Ein weiterer grundlegender Unterschied der heutigen im Vergleich zu der in der UdSSR vorherrschenden Verbrecherwelt ist der, dass Kriminelle immer mehr am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Dies war den traditionellen, einem „Ehrenkodex“ folgenden Verbrechern in der Sowjetzeit strengstens untersagt. Um die Denkweise der Mitglieder der Unterwelt besser verstehen zu können, wird auch auf deren grundlegende Einstellungen zu der Religion, den Frauen und den Staatsorganen Bezug genommen. Tätowierungen und Gaunerlieder – die sogenannten „blatnye pesni“ oder „Chansons“ – werden als wichtige Elemente der Verbrecherkultur erkannt und werden in vorliegender Arbeit immer wieder als Beispiele herangezogen. Die Wortbildung im Argot kann auf verschiedene Art und Weise erfolgen. Wichtig ist dabei die Erkenntnis, dass als Basis von Argotismen meist Lexeme der Gemeinsprache (russ. „obščenarodnyj jazyk“) dienen. Es wird auf Wortspiele, phonetische Prozesse, Stammverkürzung, Reduplikation, Präfigierung, Suffigierung, Komposition, Abreviaturen, Substantivierung, Tropen (Metapher, Metonymie, Synekdoche) und auf Entlehnungen aus anderen Sprachen – insbesondere aus dem Deutschen – eingegangen. Im Anschluss an diese theoretischen Teile wird auf die zentralen Fragestellungen der Arbeit eingegangen: Wieso kommt es gerade nach der Perestrojka zu einem vermehrten Eindringen der Lexik des Argots in die Gemeinsprache? Welche Prozesse haben dazu beigetragen? Welche Rolle spielen die Massenmedien bei der Verbreitung von Argotismen? Ebenfalls analysiert wird die Verwendung der Verbrechersprache in der Politik. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf die Sprache des russischen Präsidenten Vladimir Putin, der 1999 mit der Verwendung von „zamočit terroristam v sortire“ auf einer Pressekonferenz für Aufsehen sorgte und seitdem sich immer wieder der Lexik des Argots bedient, gelegt. Abschließend werden auch noch einzelne aus dem Argot stammende Wörter und Ausdrücke, die seit der Perestrojka besonders oft von einem Großteil der Bevölkerung verwendet werden, analysiert. Konkret handelt es sich dabei um „babki“, „bespredel“, „zabit’ strelku“, „kozël“, „krutoj“, „loch“, „ment“, „opustit’“, „otstojnik“, „pachan“, „pjatichatka“, „razborka“, „tusovka“ und „chaza“. Dabei wird auf die Etymologie, den Zeitpunkt des Übergangs in das Russische, die Bedeutung in den verschiedenen Sprachvarietäten sowie auf Beispiele der Verwendung näher eingegangen. Die genauere Analyse der in die Gemeinsprache in den letzten Jahren eingedrungenen Lexik zeigt, dass die Sprache der Verbrecher tatsächlich einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf das Russische nimmt. Dies ist nicht zuletzt dadurch bedingt, dass die Kultur der Unterwelt immer mehr in das öffentliche Leben Einzug hält. Die vorliegende Arbeit bezieht sich immer wieder auf die Forschungsergebnisse von Michail Gračëv, einem der führenden Linguisten am Gebiet des Argots. Wertvolle Erkenntnisse für diese Arbeit konnten während eines einmonatigen Forschungsaufenthaltes in Nižhnij Novgorod in persönlichen Gesprächen mit Michail Gračëv gewonnen werden.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Deutsch)
Argot russisches Argot Verbrechersprache Einfluss Perestrojka
Autor*innen
Isabella Temper
Haupttitel (Russisch)
Der Einfluss der Lexik des Argots auf das Russische nach der Perestrojka
Publikationsjahr
2013
Umfangsangabe
138
Sprache
Russisch
Beurteiler*in
Michael Moser
Klassifikation
17 Sprach- und Literaturwissenschaft > 17.24 Gruppensprachen, Fachsprachen, Sondersprachen
AC Nummer
AC10720445
Utheses ID
23111
Studienkennzahl
UA | 243 | 361 | |
Universität Wien, Universitätsbibliothek, 1010 Wien, Universitätsring 1