Detailansicht
Beratungsprozesse als Ausdruck pseudoreligiöser Vergemeinschaftung
exemplifiziert am Modell der „Familienaufstellungen“ von Bert Hellinger
Robert Franz Urbanek
Art der Arbeit
Diplomarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Fakultät für Sozialwissenschaften
Betreuer*in
Friedhelm Kröll
DOI
10.25365/thesis.2768
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-29467.50700.241063-0
Link zu u:search
(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)
Abstracts
Abstract
(Deutsch)
Beratung wird in der vorliegenden Arbeit in Anlehnung an angelsächsischen Traditionen verwendet. Counseling, das oft synonym zu psychologischer Beratung gebraucht wird, liefert die Basis für verschiedenste eklektisch angelegte Formen intimer Beratung. In erster Linie bezieht sich Beratung auf aktuelle Problemlagen. Die Zielsetzungen der sich als Dienstleistung präsentierenden Beratungsformen sind - im Unterschied zu traditionellen religiösen Glaubenssystemen oder wissenschaftlichen Herangehensweisen - mehr individualistisch als sozial angelegt und entsprechen so den Erfordernissen einer fragmentierten Moderne.
Beratungssettings stellen ritualisierte Rahmen für Bekenntnisse und für die Vermittlung von Glauben an die sogenannte „Meisterbarkeit der eigenen Probleme“ her. Wie die Priester sehen sich Berater mitunter als Vermittler eines sich geradezu exklusiv gebenden „humanistischen Reich Gottes“ (vgl. Halmos 1972): Berater würden sich selbst durch Techniken verkaufen, denn um eine Handlungsmobilisierung hervorzurufen oder Identität zu stützen, sei mitunter ein durch Vertrauen geschütztes Wiedererlebensszenario nötig.
Das Finden von „Fehlern“ als Diagnose bildet den Ausgangspunkt einer Therapie bzw. Beratung. Widersprüchlichkeiten in den Theorien der Berater können deswegen als Glaubenssysteme identifiziert werden, weil sie in der Praxis durch Unwägbarkeiten paradoxiert werden.
Ein Glaubenssystem wie die Freudsche Psychoanalyse als Urtyp für diesseitige Selbstthematisierung will in einem Zweiersetting sehr aufwändig biografische Problempunkte kontrollierbar und ebenso moralisch wie rational behandeln. Aktuell zeigen sich in der Beratungslandschaft stark gegenläufige Tendenzen: Es dominieren Richtungen, die vor allem auf der Zeit- und der Effektebene beschleunigte Erlebnisse ohne langfristige Ausrichtung generieren wollen. Ein konsumorientiertes und der persönlichen Arbeit an sich selbst entfremdetes Publikum nimmt dieses Angebot auffällig dankbar an. Bert Hellingers offene Methode steht exemplarisch für diese beraterische Ausrichtung.
Die von Comte konstatierte „Existenzialisierung der Wissenschaft“ als Antwort auf krisenhafte Ordnungssysteme findet sich als Hintergrund in psychotherapeutischen Glaubensssystemen genausowie in esoterisch irrational argumentierenden Beratungsformen. Auch Bert Hellinger bedient sich neben einer phänomenologischen Sichtweise der Existenzphilosophie. Da er durch „anti-rational“ charismatische Gaben den Geist der Zeit trifft, vertrauen sich viele Ratsuchende oder Heilsbedürftige ihm und seiner offen angelegten Methode der Familienaufstellung an. Seine Ausstrahlung gründet sich auf seine Gabe, die mangelnde Angeleitetheit „verzweifelter“ Individuen zu erahnen und in einem stark dramatisierten Setting rituell durch Gruppendynamiken zu verorten.
Das offene Ordnungssystem des Hellingerschen Familienstellens soll anhand von Aussagen Hellingers und seiner Adepten auf Sinnstrukturen hin sowohl phänomenologisch – religionssoziologisch als auch hermeneutisch entschlüsselt werden. Hellinger verwendet altbekannte Ordnungsschemata als „Steinbruch“ und kompiliert sie zu abwechslungsreichen Gruppen-Selbsterfahrungsinszenierungen, die gerade dadurch für die widersprüchlichen Bedürfnisse Zweifelnder Zugänge eröffnen. Im Kern bedienen diese Settings augenblicklich (für einen Moment) die alte Sehnsucht, die Paradoxie von Weltflucht und Weltanpassung aufzulösen. Die Hellingerschen Settings lösen diese Paradoxie freilich weniger auf, als sie diese beiden Pole kurzzuschließen versuchen.
Wenn es keine verbindliche Traditon mehr gibt, bleiben Moden als Ersatz, und im Blickpunkt steht der Modeschöpfer.
Schlagwörter
Schlagwörter
(Deutsch)
Beratung Familienaufstellung Hellinger Religionssoziologie Existenzialismus Halmos Vereinzelung Vergemeinschaftung Gruppentherapie
Autor*innen
Robert Franz Urbanek
Haupttitel (Deutsch)
Beratungsprozesse als Ausdruck pseudoreligiöser Vergemeinschaftung
Hauptuntertitel (Deutsch)
exemplifiziert am Modell der „Familienaufstellungen“ von Bert Hellinger
Publikationsjahr
2008
Umfangsangabe
133 S.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Friedhelm Kröll
Klassifikation
71 Soziologie > 71.99 Soziologie: Sonstiges
AC Nummer
AC07118307
Utheses ID
2399
Studienkennzahl
UA | 122 | 295 | |