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Despot der Freiheit
Schillers Rhetorik im Spannungsfeld zwischen Freiheitsethos und Rezeptionssteuerung
Barbara Drucker
Art der Arbeit
Dissertation
Universität
Universität Wien
Fakultät
Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Betreuer*in
Franz Eybl
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Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.26830
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-29475.26218.541754-9
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)

Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Wie kein anderer dominiert der Gedanke von Freiheit und Autonomie Schillers Werk, sein ästhetisches Programm zielt auf das Einlernen von Freiheit ab, und Kunst wird zum Propädeutikum des Lebens. Gleichzeitig ist jedoch die Rhetorik als nicht wegzudenkendes Wesenselement all seinen schriftstellerischen Produkten eingeschrieben und Schillers Sprache von einer äußerst suggestiven, wenn nicht gar manipulativen Kraft geprägt. Schiller scheint sich seiner Sprachgewalt durchaus bewusst gewesen zu sein, und so begleitet der Konflikt zwischen Rezeptionssteuerung und Leserautonomie sein gesamtes Schaffen. Anhand einer repräsentativen Textauswahl, die Schillers eigenste Gattung, das Drama, ebenso berücksichtigt wie die Erzählung, die Selbstauslegung, historische und philosophische Abhandlungen, Gedankenlyrik und die Ballade, wird gezeigt, wie sehr er nach dem adäquaten künstlerischen Ausdruck ringt und nach dem angemessenen Verhältnis von Beeinflussung durch (Sprach)kunst und Freiheit sucht. Es wird dargestellt, welche Figurationen der Leserbeeinflussung Schiller erprobt, welche Konflikte mit seiner eigenen Kunsttheorie dabei auszuhalten waren, und wie er das Repertoire der Wirkmächtigkeit entfaltet, ohne dabei sein Freiheitsideal zu verraten. Schillers bevorzugte Stilmittel lassen sich in zwei Gruppen teilen: in jene, die den sinnlichen Gehalt des Textes ausmachen und in denen er die musikalische Qualität seiner Sprache nützt, und in die Formen, die sich primär an den Verstand wenden, nämlich Antithese, Frage und Negation. Als vermittelndes Element, sozusagen als Brücke zwischen diesen beiden Positionen, fungiert die Pause. Auf Sinnlichkeit stützt er sich vor allem, wenn er verführen will. Er vermag es, allein durch klangliche Elemente Stimmung und ganze Szenen zu erzeugen, ebenfalls ein akustisches Element sind die von ihm favorisierten Alliterationen, die die Verlautbarung der Autorenmeinung stützen. Neben dem akustischen Reiz beschäftigen Bilder die Vorstellungskraft, ganze Szenerien treten vors Auge und werden so in der Imagination des Rezipienten verankert. Schiller bedient sich der Phantasie seines Publikums und beteiligt es auf diese Weise am Text. Entsprechend der wirkungsästhetischen Ausrichtung seiner Poetik denkt Schiller seinen Rezipienten stets mit und ist ständig auf Interaktion mit seinem Publikum aus. Das geht so weit, dass er den Leser direkt anspricht und eine Kommunikationssituation herstellt, die mediengeschichtlich durch die Entwicklung des sich anonymisierenden Buchmarktes längst überholt ist. Fragen und Leerstellen dienen ihm dazu, den Leser zu Eigenleistung zu animieren, doch dichtet er die Leerstellen durch die Vorgabe konkreter Bilder oder schlüssiger Argumente sofort wieder ab, sie halten selten echte Freiheit für den Leser bereit, sondern sind, von Schiller eingesetzt, ein ausgezeichnetes Mittel der Manipulation. Auch eine weitere Lieblingsform Schillers, die Antithese, suggeriert zwar Alternativen, eröffnet jedoch keine echte Option. Aus den Gegensätzen entsteht zwar Spannung und Dynamik, die Opposition lädt aber auch zur Besetzung unterschiedlicher Standpunkte ein, von denen meist einer favorisiert wird. Um den Leser zum ruhigen Nachdenken zu zwingen, variiert Schiller das Tempo, baut Lesehemmungen, Negationen oder Widersprüche ein. Er versucht nie, seine Manipulationskunst zu verbergen, sondern legt seine Mittel offen und thematisiert immer wieder die Rolle des Rezipienten. Wenn der sich auf den Text einlässt, sich durch Schillers Methodik, durch seine Wortgewalt und seine Gedankenkonstrukte verführen lässt und seinen Verstand und sein Gefühl nutzt, kommt er zwangsläufig zu einem freien Urteil über den Text.
Abstract
(Englisch)
The notion of freedom and autonomy dominates the oeuvre of Friedrich Schiller more than any other concept. His esthetic program was aimed at teaching freedom, with art becoming a propaedeutic to life. At the same time, rhetoric is ingrained as an essential element throughout his entire literary output and Schiller’s language is invested with a strongly suggestive, almost manipulative power. Schiller appears to have been well aware of his powerful eloquence, and the conflict between trying to influence his readers while wishing them to maintain their autonomy is apparent throughout his oeuvre. Based on a representative selection of texts, including Schiller’s favored genre, the drama, as well as novellas, self-interpretations, historical and philosophical treatises, reflective poetry and ballads, this dissertation illustrates Schiller’s struggle for adequate artistic expression and his quest for the appropriate balance between influence through literature and freedom. This thesis further highlights the different types of reader manipulation explored by Schiller, the resulting conflicts with his own theory of art and how he developed a repertoire of effecting devices without betraying his concept of freedom. Schiller’s favored stylistic devices can be divided into two categories – those which determine the sensuous content of his texts and enabled him to use the musical quality of his diction to full effect, and those forms which appeal primarily to reason, such as antithesis, question and negation. Acting as an intermediary element, as a sort of bridge between these two positions, is the pause. Schiller availed himself of sensual devices when he wanted to seduce. He was able to create an atmosphere and depict entire scenes through acoustic elements, one of them being his favored alliterations, which were used to emphasize the author’s opinions. Schiller stimulated his readers’ imagination not only by means of such acoustic elements, but also through literary images with which he conjured up whole scenes before the eyes of his readers, embedding them firmly in their minds. By availing himself of the imagination of his audiences, Schiller involves them in his texts. Seeing as Schiller’s poetry was thus focused on the effect his texts produce with his readers, he thought with his recipients and constantly sought to interact with them. He went so far as to directly address his readers, producing a communicative situation already long obsolete in his times due to the increasing anonymity of the book market. While he employed questions and blanks to encourage readers to think for themselves, he tended to immediately follow them with concrete images and conclusive arguments. Blanks hardly ever hold real freedom for readers, but were rather used by Schiller as an excellent means of manipulation. Another one of Schiller’s favorite devices, the antithesis, may suggest alternatives but does not open up real options either. For while these opposites create a sense of tension and dynamic, they also invite different viewpoints, one of which is usually favored. In order to force readers to calmly contemplate his works, Schiller alternated the tempo of his poetry and incorporated reading impediments, negations and contradictions. He never tried to hide his manipulative abilities, but rather openly disclosed them, making the role played by recipients a subject of discussion. However, if readers immerse themselves in Schiller’s texts, if they allow themselves to be seduced by his methods, his magniloquence and thought constructs, and provided they avail themselves of both their minds and their emotions, they will inevitably arrive at a free assessment of his texts.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Englisch)
Schiller freedom rhetoric reader manipulation poetic of effect Don Karlos Briefe über Don Karlos Abfall der Niederlande Verbrecher aus Infamie Die Götter Griechenlandes Die Ästhetische Erziehung des Menschen Das verschleierte Bild zu Sais Die Braut von Messina
Schlagwörter
(Deutsch)
Schiller Freiheit Rhetorik Wirkungsästhetik Don Karlos Briefe über Don Karlos Abfall der Niederlande Verbrecher aus Infamie Die Götter Griechenlandes Die Ästhetische Erziehung des Menschen Das verschleierte Bild zu Sais Die Braut von Messina
Autor*innen
Barbara Drucker
Haupttitel (Deutsch)
Despot der Freiheit
Hauptuntertitel (Deutsch)
Schillers Rhetorik im Spannungsfeld zwischen Freiheitsethos und Rezeptionssteuerung
Paralleltitel (Englisch)
Despot of freedom
Publikationsjahr
2012
Umfangsangabe
264 S.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*innen
Franz Eybl ,
Juliane Vogel
Klassifikationen
17 Sprach- und Literaturwissenschaft > 17.62 Rhetorik, Stilistik ,
17 Sprach- und Literaturwissenschaft > 17.77 Stilistik, Rhetorik ,
17 Sprach- und Literaturwissenschaft > 17.78 Textkritik ,
17 Sprach- und Literaturwissenschaft > 17.81 Epik, Prosa ,
17 Sprach- und Literaturwissenschaft > 17.82 Dramatik ,
17 Sprach- und Literaturwissenschaft > 17.83 Lyrik ,
17 Sprach- und Literaturwissenschaft > 17.84 Sonstige literarische Gattungen ,
17 Sprach- und Literaturwissenschaft > 17.93 Literarische Stoffe, literarische Motive, literarische Themen ,
17 Sprach- und Literaturwissenschaft > 17.97 Texte eines einzelnen Autors
AC Nummer
AC10801783
Utheses ID
24002
Studienkennzahl
UA | 092 | 332 | |
Universität Wien, Universitätsbibliothek, 1010 Wien, Universitätsring 1