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Claude Cahun und die Ästhetik des Selbst
Katharina Trieb
Art der Arbeit
Diplomarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Betreuer*in
Julia Gelshorn
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Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.26879
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-30452.82644.631670-5
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)

Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Claude Cahun gerät zusammen mit ihrem literarischen und künstlerischen Werk nach ihrem Tod auf der Kanalinsel Jersey 1954 völlig in Vergessenheit. Nur langsam finden einzelne ihrer Photographien in den 1980er Jahren Eingang in Publikationen zu surrealistischer Photographie. Erst zu Beginn der 1990er Jahre kommt es zu ersten ausführlichen Untersuchungen und Ausstellungen einiger Selbstportraits. Als Cahuns photographisches Werk wiederentdeckt wird, befindet sich die kunstwissenschaftliche Rezeption der Butlerschen Thesen zu Geschlecht und Sexualität auf dem Höhepunkt. Claude Cahun wird zur Feministin und Postmodernistin „avant la lettre“ ernannt und in eine künstlerische Linie mit Cindy Sherman oder Francesca Woodman gestellt. Zugleich wird an ihrer Sichtbarmachung als den männlichen Vertretern ebenbürtige Surrealistin gearbeitet. Anders als die meisten Frauen im Umfeld des Surrealismus bietet Cahun scheinbar der misogynen Bewegung die Stirn, indem sie sich als Portraitierte und Portraitierende zugleich dem Objektstatus der Frau verwehrt. Bis zur Gegenwart widmet sich die Forschung einer überschaubaren Zahl an Selbstportraits, mit welchem sie die Kategorie Geschlecht ebenso wie die Realität als Konstruktion enthüllt. Seit der Jahrtausendwende beteiligen sich auch andere wissenschaftliche Disziplinen an der Rezeption Claude Cahuns. Vor allem Untersuchungen von Theater- und LiteraturwissenschaftlerInnen zeichnen dabei für ein differenzierteres Bild ihres vielfältigen Werkes verantwortlich. Die Verortung der Photographien Cahuns innerhalb eines zeitgenössischen Diskurses um Identität wird bereits während der 1990er Jahre kritisiert. In den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts widmen sich VertreterInnen verschiedener Fachrichtungen der Rekontextualisierung Cahuns und ihrer Kunst. Dabei wird ihr historisches Theorie- und Kunstumfeld ebenso untersucht wie ihre politischen Aktivitäten oder ihre Beteiligungen an Theaterprojekten. Auch das photographische Werk Cahuns wird neu beleuchtet, indem eine große Zahl an bisher nicht veröffentlichten Aufnahmen einem breiteren Publikum zugänglich gemacht wird. Die große Zahl an Photographien wird kategorisiert, künstlerisch motivierte Aufnahmen von privaten Schnappschüssen unterschieden. Die Auseinandersetzung mit den vielfältigen und oft widersprüchlichen Strategien Cahuns, welche sich nicht nur auf die oftmals rezipierten Selbstportraits beschränken, lässt die Grenzen zwischen Kunstwerk und Zufallsprodukt, zwischen Öffentlichem und Privatem und letztlich zwischen Kunst und Leben verschwimmen. Ein zentrales Postulat der Avantgarden ist das der Vereinigung von Kunst und Leben. Die menschliche Existenz soll mit dem Ziel der Revolutionierung der Gesellschaft ästhetischen Grundsätzen unterworfen werden. Eine Grundbedingung stellt die Revolutionierung des Werkbegriffs dar, die Montage bläst zum Angriff auf die Institution Kunst. Bereits in der Nachkriegszeit zeigt sich, dass die Utopie einer Einebnung der Grenzen zwischen Kunst und Leben aufgrund der Musealisierung avantgardistischer Werke scheitert. Selbst Marcel Duchamps anonymisierte Readymades werden im Nachhinein als große Subjektleistungen eines Künstlergenies gelesen. Mit Michael Foucaults Idee einer Ästhetisierung des Selbst kann an die Avantgarden zeitgenössisch angeknüpft werden und sie bietet eine Möglichkeit, die historische Utopie der Lebenskunst aktualisiert zu reflektieren. Dabei kommt es jedoch zu einer Verunsicherung des Subjektbegriffs und damit der Rolle des Künstlers. Nicht nur die postmoderne Kunstproduktion, auch die avantgardistische muss in ihrem Status als „Autor-los“ überdacht werden. Damit einher geht die Notwendigkeit, bestehende Theoriemodelle zu surrealistischer Photographie und das in ihnden dargestellte Verhältnis der Photographie zur Realität zu untersuchen. Claude Cahun gilt weithin als Vertreterin einer Ästhetik der staged beziehungsweise manipulated photography, die für viele AutorInnen die Essenz des surrealistischen Projektes verkörpert. Oftmals vernachlässigt die Theorie jene Photographien, welche eine gänzlich gegenteilige ästhetische Strategie verfolgen. Vertreter der straight photography erschüttern das Selbstverständnis des Betrachters nicht aufgrund der Präsentation inszenierter oder manipulierter Bilder, sie erschließen in ihren Aufnahmen utopische Orte für reale Veränderungen. Der Begriff des Archivs soll für die Betrachtung der vielgestaltigen Photographien Cahuns in ihrer Gesamtheit herangezogen werden, um sowohl Cahuns Werk als auch ihre Rolle als Künstlern neu zu beleuchten. Die Ausweitung der Überlegungen auf die bisher als private Schnappschüsse verstandenen Bilder und die Untersuchung ihres Verhältnisses zu den Photomontagen Cahuns eröffnet ein neues Verständnis der Photographien als counter-archive eines autobiographischen Projekts. Damit lassen sich Auswirkungen des Schaffens Claude Cahuns auf die zeitgenössische Kunstproduktion auch in bisher kaum beachteten Bereichen erkennen.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Deutsch)
Claude Cahun Avantgarde Avantgardetheorie/ Utopie Photographie Surrealismus Autobiographisierung Selbst Selbstästhetisierung Subjekt Subjektivität Identität Autor Autorschaft Rolle Selbstdarstellung Lebenskunst Künstlerrollen Künstler Alltag Inszenierung Selbstinszenierung Spiel Maske Maskierung Kostüm Kostümierung
Autor*innen
Katharina Trieb
Haupttitel (Deutsch)
Claude Cahun und die Ästhetik des Selbst
Publikationsjahr
2013
Umfangsangabe
112 S. : Ill.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Julia Gelshorn
Klassifikationen
20 Kunstwissenschaften > 20.06 Kunstphilosophie, Kunsttheorie ,
20 Kunstwissenschaften > 20.10 Kunst und Gesellschaft ,
20 Kunstwissenschaften > 20.23 Mensch ,
20 Kunstwissenschaften > 20.24 Gesellschaft, Kultur ,
20 Kunstwissenschaften > 20.30 Kunstgeschichte: Allgemeines ,
20 Kunstwissenschaften > 20.31 Bildende Künstler ,
20 Kunstwissenschaften > 20.70 Europäische Kunst: Allgemeines
AC Nummer
AC10772224
Utheses ID
24049
Studienkennzahl
UA | 315 | | |
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