Detailansicht
Marina Cvetaevas Werk im Kontext ihres dichterischen Dialoges mit Osip Mandelʹštam
Anna Viktoria Jolan Roters
Art der Arbeit
Diplomarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Betreuer*in
Fedor B. Poljakov
DOI
10.25365/thesis.27073
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-30078.76796.564959-1
Link zu u:search
(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)
Abstracts
Abstract
(Deutsch)
Die vorliegende Diplomarbeit beleuchtet bestimmte, klar umgrenzte Ausschnitte aus dem Werk der Dichterin Marina Cvetaeva in Hinblick darauf, welchen erkennbaren Einfluss der Dichter Osip Mandel’štam auf deren Entstehung hat.
Mandel’štams Einflüsse betreffen einerseits Cvetaevas durch ihr zwischenmenschliches Zusammentreffen im Jahre 1916 (deren Hintergründe und Ereignisse einführend kurz zusammengefasst werden) entstandenen Gedichte, wobei die dialoghaft aneinander gerichteten Gedichte beider Dichter in Abschrift und Analyse in Hinsicht auf Inhalt und Aussage in Folge ausführlich untersucht werden. Der Mandel’štam gewidmete Gedichtzyklus zeigt sich als ostentatives Beispiel für Cvetaevas eindringliche Darstellung eines immer wiederkehrenden und sich dabei verwandelnden Bildes ihrer geographischen und geistigen Geburtsstadt Moskau – ein wesentlicher Faktor für Cvetaevas Selbstverständnis als Mensch und Künstler und daher ebenso undabdingbar für das Verständnis ihrer Person und ihrer Werke. Cvetaeva legt es in diesen Gedichten explizit so an, dass sich Moskau und die beiden Dichter gegenseitig durchdringen und bedingen; denn ebenso wie Cvetaeva und Mandel’štam durch Moskau in seinem physischen Aufbau spazieren, spaziert ‚Moskau‘ in seiner historischen, geistigen und kulturellen Gestalt durch deren Gedanken und Gespräche.
Ferner ist es allerdings auch ein seltenes Phänomen, dass sich die Gedichte zweier Dichter einer Periode, die eindeutig gleichartige Situationen thematisieren, sich im selben Kontext bewegen, miteinander korrespondieren und einander inspirierend beschenken, und sich freilich was den ästhetischen Grad ausmacht, als gleichwertig nebeneinander stellen lassen. In ihrer Quintessenz sind diese Gedichte das Geschenk Marina – die lichte Verkörperung Moskaus und also das Geschenk Moskau – dem dreifach Fremden Mandel’štam. Dem gegenüber steht dessen Annahme und Erwiderung der vorgegebenen Geste des Schenkens – sein Sand der Ewigkeit: poetische Unsterblichkeit durch Verbundensein mit dem ewig Ewigen im Anderen. Die darlegende vergleichende Erforschung der Gedichte birgt und bringt das erhellende Verständnis, dass ohne das Wissen jener, die in späteren Jahren – als Reaktion auf ihre Bekanntschaft mit Mandel’štam – entstandene Prosa Cvetaevas (quasi schriftstellerische Nachspiele, die diese Begegnung in der Folge erlebt) keinen Sinn ergibt.
Insofern und andererseits betrachtet und untersucht die vorliegende Arbeit in direktem Bezug zu Mandel’štam und hinsichtlich seines Einflusses zwei künstlerische Essays aus Cvetaevas weitläufigem Prosawerk und zwar ihre literaturkritische Prosareaktion Meine Antwort an Osip Mandel’štam – Мой ответ Осипу Мандельштаму (1926) und ihren autobiographischem Erinnerungsprosa-Essay Die Geschichte einer Widmung – История одного посвящения (1931). Zunächst wird eine knappe Einleitung zu Cvetaevas Prosaarbeit im Allgemeinen und zu ihrer Art der autobiographischen Erinnerungsprosa im Besonderen gegeben, bevor dann diese Spezifika anhand von jenen zwei Essays genauer betrachtet werden. Bei beiden handelt es sich gewissermaßen um Antwortschreiben Cvetaevas, die, angeregt durch die ihrer Meinung nach verfälschende und erniedrigende Erinnerungsprosa anderer (im ersten Falle Mandel’štam selbst – und zwar sein autobiographischer Prosaessay Das Rauschen der Zeit – Шум времени (1925), im zweiten ein Zeitungsfeuilleton (1930) des Literaturkritikers Ivanov), ihre eigenen Gegenargumente und Gegenerinnerungen aufstellt. Indes können wir auch sagen, dass sich Cvetaevas Essays in Bezug auf Mandel’štam diametral unterscheiden: So ist das erste gewissermaßen gegen ihn und seine Prosa gerichtet, das zweite unter anderem zu seiner Verteidigung und zur Verteidigung seiner Kunst entstanden. Und wiederum ist man mit einem bemerkenswerten Phänomen konfrontiert: Cvetaeva schreibt – aus dem Selbstverständnis einer Dichterin heraus – in Prosa einen kritischen Aufsatz über die Prosa des Dichters Mandel’štam und von diesem Standpunkt der Dichterin aus betrachtet und untersucht Cvetaeva Mandel’štams autobiographische ‚Erinnerungsprosa‘, sucht darin den darüber erhabenen Dichter und lässt dabei selbst in aller Lebendigkeit ein Stück solcher autobiographischer Erinnerungsprosa entstehen. Abgesehen von den philosophischen Aspekten und einer Darstellung ihrer eigenen Prosakunst bietet die Geschichte einer Widmung ferner ein großartiges Bild des Dichters und Menschen Mandel’štam, wie es in seiner überzeichneten Kompaktheit wohl kein zweites Mal in der Literatur zu finden ist.
Subsumierend lässt sich sagen, dass die von starken Gefühlen der Sympathie aber auch der Antipathie geprägte Beziehung auf beide Dichter künstlerisch anregend, ja aufrüttelnd und erweiternd wirken muss. Zudem geleitet diese zwischenmenschliche Begegnung, freilich nicht als einziger Faktor, beide Dichter definitiv in eine jeweilig neue Schaffensphase, da es sich von selbst versteht, dass zwei – an sich schon herausragende Dichter sich und ihre Kunst in ihrem Zusammentreffen durchdringend und beeinflussend, zusätzlich erhöhen und im Raum multiplizieren, was wir eben explizit an den entstandenen und in dieser Arbeit diskutierten Werken empirisch nachvollziehen können und auch stets aufs Neue können.
Schlagwörter
Schlagwörter
(Deutsch)
Marina Cvetaeva Osip Mandel’štam dichterischer Dialog
Autor*innen
Anna Viktoria Jolan Roters
Haupttitel (Deutsch)
Marina Cvetaevas Werk im Kontext ihres dichterischen Dialoges mit Osip Mandelʹštam
Publikationsjahr
2013
Umfangsangabe
99 S.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Fedor B. Poljakov
Klassifikation
17 Sprach- und Literaturwissenschaft > 17.70 Literaturwissenschaft: Allgemeines
AC Nummer
AC10772339
Utheses ID
24215
Studienkennzahl
UA | 243 | 361 | |