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Das Wissen der gerichtlichen Medizin
Erkenntnisinteresse zwischen Naturwissenschaft, Recht und Gesellschaft, dargestellt an der Behandlung des Kindsmordes im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts in Wien
Katja-Angelika Geiger
Art der Arbeit
Dissertation
Universität
Universität Wien
Fakultät
Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Betreuer*in
Carola Sachse
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Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.28443
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-29367.03991.564569-1
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Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Die Dissertation befasst sich mit verschiedenen historischen Kontexten der Entstehung und des Gebrauchs gerichtsmedizinischen Wissens im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. Anhand der Praxis gerichtsmedizinischer Experten in Wien und anhand des Beispiels Kindsmord werden mehrere wissenschaftshistorische Fragen zu Denk- und Arbeitsweisen der Disziplin thematisiert. Die Position der gerichtlichen Medizin an der Schnittstelle von naturwissenschaftlicher Medizin und Recht ist dabei von zentralem Interesse. Der erste Abschnitt ist der Institutionalisierung der gerichtlichen Medizin in Wien gewidmet, wo 1804 die erste Lehrkanzel an einer deutschsprachigen Universität gegründet wurde. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatten Wiener Gerichtsmediziner aufgrund der lokal spezifischen Entwicklung ihres Fachs ein geschichtliches Selbstverständnis ausgebildet, das Arbeitsschwerpunkte und Arbeitsmethoden der Praxis prägte und sich deutlich von den fachlichen Zugangsweisen von Gerichtsmediziner an anderen Universitätsstandorten unterschied. Ein Überblick über Entwicklungen der Disziplin im deutschsprachigen Raum dient dazu, lokale Faktoren, die auf wissenschaftliches Wissen einwirkten, genauer zu bestimmen. Im zweiten Teil steht das Verbrechen Kindsmord, das in allen Abschnitten der Dissertation als Beispiel eines typischen Gegenstandes der gerichtlichen Medizin dient, im Zentrum der Untersuchung. Diskursive Kontexte werden in ihren historischen Verläufen skizziert, um aufzuzeigen, in welchen gesellschaftlichen und kulturellen Zusammenhängen medizinische Sachverständige ihre Expertisen in Gerichtsverhandlungen anfertigten. Zudem wird die soziale Situation jener Frauen dargelegt, die im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts in Wien unter Kindsmordverdacht gerieten oder des Verbrechens angeklagt wurden. Im letzten Kapitel werden Arbeits- und Erkenntnisschritte der gerichtlichen Medizin anhand der drei wichtigsten schriftlichen Produkte aus der professionellen Praxis rekonstruiert. Obduktionsprotokolle, Obduktionsgutachten und publizierte gerichtsmedizinische Fallbeschreibungen werden nicht nur ihrem Inhalt nach untersucht, sondern als materielle Formen verstanden, die am Prozess der Herstellung des Wissens der gerichtlichen Medizin beteiligt waren. Die Textsorten selbst werden dahingehend befragt, nach welchen Regeln sie beschaffen sein mussten, um objektive gerichtsmedizinische Expertisen schriftlich festzuhalten und in fachwissenschaftlichen sowie in rechtlichen Räumen präsent zu machen.
Abstract
(Englisch)
This doctoral thesis addresses several historical contexts surrounding the formation and application of forensic knowledge from 1900 to 1930. Questions concerning the history of science are approached by examining the practice of forensic experts in Vienna and the example of infanticide. The first part describes processes of institutionalization of forensic medicine in Vienna, where the first professorship in this field in the German-speaking world was established in 1804. At the beginning of the 20th century, Viennese representatives of the discipline developed their own specific view on the history of their medical field. Factors that were decisive for creating that self-image can be seen in the local conditions which shaped scientific focuses and techniques. Their impact can be appreciated through a comparison to developments in other locations where forensic medicine was practiced in an academic context. The second chapter focuses on infanticide, which, in this study, serves as an example for a typical scientific object of inquiry in forensic medicine. Different historical discourses concerning the killing of newborn children by their mothers are analysed in their cultural, political and scientific contexts, and are linked to the practice of forensic crime-detection. Furthermore, the living conditions of the unmarried women who were accused of infanticide in the first decades of the 20th century are considered. Finally, methods and forensic work-practices are approached by analyzing the most important written documents within the discipline: autopsy-reports, statements of forensic experts in court cases, and published forensic cases. The focus is not only on their contents but also on the material structures of these scientific texts, which are evaluated with regard to the effects which different written forms had on scientific ways of knowing and on the production of objective medical expertise in criminal cases.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Englisch)
forensic medicine 1900 - 1930 Vienna infanticide history of science
Schlagwörter
(Deutsch)
gerichtliche Medizin 1900 - 1930 Wien Kindsmord Wissenschaftsgeschichte
Autor*innen
Katja-Angelika Geiger
Haupttitel (Deutsch)
Das Wissen der gerichtlichen Medizin
Hauptuntertitel (Deutsch)
Erkenntnisinteresse zwischen Naturwissenschaft, Recht und Gesellschaft, dargestellt an der Behandlung des Kindsmordes im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts in Wien
Publikationsjahr
2013
Umfangsangabe
319 S. : Ill.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*innen
Carola Sachse ,
Gerd Müller
Klassifikation
15 Geschichte > 15.07 Kulturgeschichte
AC Nummer
AC11020038
Utheses ID
25393
Studienkennzahl
UA | 092 | 312 | |
Universität Wien, Universitätsbibliothek, 1010 Wien, Universitätsring 1