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Der Kultivierungseffekt von Tageszeitungen.
eine empirische Untersuchung von zwei kognitiven Prozessmodellen am Beispiel der Kronen Zeitung
Florian Arendt
Art der Arbeit
Dissertation
Universität
Universität Wien
Fakultät
Fakultät für Sozialwissenschaften
Betreuer*in
Peter Vitouch
DOI
10.25365/thesis.28638
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-29093.02658.509163-6
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Abstracts
Abstract
(Deutsch)
Das vorliegende Forschungsprojekt beschäftigte sich mit dem Kultivierungseffekt von Tageszeitungen auf Realitätseinschätzungen der LeserInnen. Nachdem der Kultivierungseffekt von Tageszeitungen (TZ) mittlerweile in einer Reihe an internationalen Studien nachgewiesen wurde, wurde das vorliegende Projekt mit dem Ziel durchgeführt, diesen nun auch zu erklären. Aus diesem Grund wurden theoretische Annahmen aus der bereits länger etablierten TV-Kultivierungsforschung in den TZ-Kultivierungskontext übertragen und differenziert. Aus dieser theoretischen Beschäftigung konnten zwei Modelle entwickelt werden: Das Cumulative Exposure Effects Model (CEEM) versucht den Prozess zwischen einer einzelnen Zuwendung zu Inhalten aus einer Tageszeitung und dem langfristigen Kultivierungseffekt dieser Tageszeitung unter Rückgriff auf Ergebnisse der Priming- und Kultivierungsforschung zu erklären. Das Heuristic Processing Model of Newspaper Effects (HPMN) konzentriert sich auf den späteren Prozess der Urteilsbildung und versucht Variablen, welche während der Bildung eines Realitätsurteils kultivierungstheoretisch als relevant erachtet werden, miteinander in Beziehung zu setzen.
Um die zentralen Annahmen einem empirischen Test zu unterziehen wurden vier Studien mit web- und laborexperimentellen Designs (NStudie 1 = 465, NStudie 2 = 85, NStudie 3 = 501, NStudie 4 = 500) durchgeführt. Beide theoretischen Modelle fanden in den Studien größtenteils unterstützende empirische Evidenz. So zeigt sich, dass das regelmäßige Lesen von Kriminalitätstexten einer Boulevardzeitung, in welchen Personen aus dem Ausland als tatverdächtige Personen überrepräsentiert werden, einen langfristigen Kultivierungseffekt produziert: Kommen in der Realität unter 30% aller tatverdächtigen Personen aus dem Ausland (Quelle: offizielle Statistik), so steigt dieser prozentuelle Anteil in der „Welt“ des untersuchten Boulevardmediums auf über 60% (Quelle: Inhaltsanalyse). Nun zeigt sich, dass diejenigen, welche häufiger diese Zeitung rezipieren, den Anteil von Personen aus dem Ausland an allen tatverdächtigen Personen signifikant überschätzen (= Kultivierungseffekt). Dieser „Modell“-Kultivierungseffekt wurde verwendet um die zentralen Vorhersagen der beiden Modelle zu testen. So konnte etwa nachgewiesen werden, dass …
(1) das Lesen von einigen wenigen verzerrten Kriminalitätstexten ausreichte, um die Anteilseinschätzungen der LeserInnen zu verändern.
(2) dieser kurzfristige Effekt negativ beschleunigt abfiel (d.h. zuerst stärker, anschließend schwächer).
(3) Vigilanz (d.h. die Tendenz sich bedrohlichen Reizen zuzuwenden) den Abfall des kurzfristigen Effektes moderierte. Vigilante Personen zeigten ein höheres residuales Effektniveau.
(4) das Lesen dieser wenigen Texte die Stärke der automatischen Assoziation zwischen den Gedächtnisinhalten „Ausland“ und „kriminell“ kurzfristig stärkte.
(5) dieser Effekt auf die Stärke der automatischen Assoziation auch durch das regelmäßige Lesen dieser Tageszeitung langfristig beeinflusst wurde („implizite Kultivierung“).
(6) der kurzfristige Effekt auf die Stärke der automatischen Assoziation unabhängig davon ist, ob der oder die LeserIn die Zeitungstexte als glaubwürdig einstuften. Anders verhält sich dies bei dem „explizit“ abgefragtem Realitätsurteil nach dem eingeschätzten prozentuellen Anteil. Die attribuierte Text-Glaubwürdigkeit moderierte den kurzfristigen Effekt auf die explizite Anteilseinschätzung, jedoch nicht den impliziten Effekt auf die Stärke der automatischen Assoziation.
(7) ein Quellen-Prime, der direkt vor der Abfrage des expliziten Realitätsurteils präsentiert wurde, den expliziten TZ-Kultivierungseffekt reduzierte, allerdings nur bei VielleserInnen. Der reduzierende Effekt war allerdings klein. Dieser Befund ist konsistent mit der TV-Kultivierungsforschung.
(8) systematische Urteilsbildung während der Konstruktion des expliziten Realitätsurteils den TZ-Kultivierungseffekt nicht reduzierte. Dieser Befund ist inkonsistent mit der TV-Kultivierungsforschung.
Die Bedeutung der Befunde für die Kultivierungsforschung wird diskutiert. Die Modelle sind nicht nur auf den TZ-Kultivierungskontext beschränkt, sondern beinhalten auch theoretische Gedanken, welche für die TV-Kultivierungsforschung als relevant erachtet werden.
Abstract
(Englisch)
The present study investigated the cultivation effect of newspapers on readers’ conceptions of social reality. Because the cultivation effect of newspapers could have been documented in previous studies, this research tried to explain the effect. For this purpose, theoretical assumptions derived from television cultivation research were used for the newspaper context. Two models were developed based on this theoretical reasoning. The Cumulative Exposure Effects Model (CEEM) tries to explain the process between a single exposure to newspaper content and the long-term cultivation effect by integrating findings from media priming as well as cultivation research. The Heuristic Processing Model of Newspaper Effects (HPMN) discusses the interplay between variables during the judgment construction phase.
Four studies with web- and laboratory-based experimental designs (NStudy 1 = 465, NStudy 2 = 85, NStudy 3 = 501, NStudy 4 = 500) were utilized to test the models’ central assumptions. I found supporting empirical evidence for both models: In previous research, it has been shown that regular reading of crime articles from a specific tabloid, in which foreigners have been overrepresented as criminals, produces a long-term cultivation effect. In reality, under 30 percent of all suspected offenders are foreigners (source: official statistic). In contrast, in the tabloid “world” over 60 percent of all offenders, where the nationality could be inferred, are labeled as foreigners (source: content analysis). Of interest, it could be shown that those, who read this tabloid overestimate the real world incidence of criminal foreigners (= cultivation effect). This “model”-cultivation effect was used to test the theoretical models’ predictions. It could be shown that …
(1) reading of only a few biased crime texts had an impact on reader’s reality estimates (“first-order” cultivation, i.e., estimated real-world incidence of criminal foreigners).
(2) this short-term effect showed a negatively accelerated decay (i.e., stronger at the beginning, weaker later). The effect residual was above the baseline after a temporal delay of two days.
(3) vigilance (i.e., the tendency to intensify the intake of threat-related information) moderated the decay of the short-term effect: Vigilant individuals showed a stronger residual effect level.
(4) reading of these few crime texts strengthened the automatic association between the memory content “foreign country” and “criminal” (measured with the Implicit Association Test) in the short-term.
(5) there was also a long-term effect on the strength of the automatic association due to regular reading of the biased tabloid (“implicit cultivation”).
(6) the short-term effect on the strength of the automatic association was observable irrespective of whether the reader attributed a high or a low credibility to the crime texts. Thus, attributed text-credibility did not moderate the effect on the strength of the automatic association in memory. In contrast, attributed text-credibility moderated the short-term effect on the explicit reality estimate.
(7) a source prime, which had been presented before building the explicit social reality estimate, reduced the first-order cultivation effect, although only in heavy readers. However, this reduction effect by the source prime was a relatively small effect. This finding is consistent with television cultivation research.
(8) systematic processing during the construction of the explicit reality estimate did not reduce the newspaper cultivation effect. This finding is inconsistent with television cultivation research.
I discuss the importance of the findings for cultivation. I argue that the two models are not only relevant for newspaper cultivation research only, but also for television cultivation.
Schlagwörter
Schlagwörter
(Englisch)
cultivation priming newspapers IAT
Schlagwörter
(Deutsch)
Kultivierung Priming Zeitungen IAT
Autor*innen
Florian Arendt
Haupttitel (Deutsch)
Der Kultivierungseffekt von Tageszeitungen.
Hauptuntertitel (Deutsch)
eine empirische Untersuchung von zwei kognitiven Prozessmodellen am Beispiel der Kronen Zeitung
Paralleltitel (Englisch)
Cultivation effect of newspapers.
Publikationsjahr
2012
Umfangsangabe
297 S.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*innen
Jörg Matthes ,
Jürgen Grimm
Klassifikation
05 Kommunikationswissenschaft > 05.00 Kommunikationswissenschaft: Allgemeines
AC Nummer
AC11098156
Utheses ID
25570
Studienkennzahl
UA | 784 | 301 | |
