Detailansicht

Erdöl und Ethnizität im Niger-Delta
zu Genese und Wandel eines Konfliktes
Paul Beitzer
Art der Arbeit
Diplomarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Betreuer*in
Ingeborg Grau
Volltext herunterladen
Volltext in Browser öffnen
Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.28701
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-29598.98940.661769-2
Link zu u:search
(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)

Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Als der Ölkonzern Shell im Jahr 1956 die ersten Erdölfelder im Niger-Delta entdeckte und erschloss, erschienen die wirtschaftlichen Zukunftsperspektiven Nigerias überaus viel- versprechend. Über 50 Jahre später ist der Optimismus längst verflogen: Nigerias Staatshaushalt stützt sich fast ausschließlich auf die Einkünfte aus der Ölindustrie, das empfindliche und komplexe Ökosystems des Niger-Deltas ist bereits kollabiert und die in der Region lebenden ethnischen Minderheiten leiden seit Jahrzehnten unter einer andauernden politischen und sozialen Marginalisierung. Die Benachteiligung und Repression der BewohnerInnen des Niger-Deltas führte in den 1990er Jahren zur Entstehung zahlreicher sozialer Bewegungen, die auch auf internationaler Ebene auf die katastrophalen Zustände in ihrer Heimat aufmerksam machten, und auch gewaltsam für eine Verbesserung ihrer Situation kämpften. Dieser Konflikt, zwischen den sozialen Bewegungen auf der einen und der Allianz von Regierung und transnationalen Ölkonzernen auf der anderen Seite, steht im Zentrum dieser Diplomarbeit. Vor dem Hintergrund einer historischen Analyse der politischen Entwicklung Nigerias, untersucht die Diplomarbeit die Ursachen der zunehmenden Militarisierung des Konfliktes und die Gründe für die hohe Gewaltintensität. Dabei geht der Text über bestehende Erklärungsansätze, wie die des „Ressourcen-Konfliktes“ hinaus und unterstreicht die Mehrdimensionalität des Konfliktes, dessen Ursachen und Ausprägungen das Ergebnis eines komplexen Beziehungsgefüges sind. So sind nicht nur regionale und lokale Gruppierungen/ Institutionen und die nigerianische Regierung von Bedeutung, sondern auch die inter- nationalen Akteure, wie etwa die transnationalen Ölkonzerne und die Regierungen der Industriestaaten, die mit ihrem Handeln maßgeblich zur Eskalation der Situation beitragen. Die kritische Auseinandersetzung mit der politischen Entwicklung im Kontext des Überganges zur Vierten Republik im Jahr 1999 zeigt, dass die neue Verfassung einen zentralen Konfliktgegenstand darstellt und das die Zentralregierung durch ihren Umgang mit den Protestbewegungen des Niger-Deltas zur Militarisierung des Konfliktes beitrug. Auf regionaler Ebene zeigen sich die politischen Eliten maßgeblich mitverantwortlich für die hohe Gewaltintensität. Durch die Etablierung eines komplexes Systems der Patronage instrumentalisierten sie zahlreiche soziale Bewegungen für ihre eigenen Interessen. Vor allem im Kontext der Wahlen 2003 und 2007 führte die Kooption der Widerstandsbewegungen zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den unterschiedlichen Gruppierungen, was die Legitimität der Wahlen stark schädigte. Internationale Akteure, wie die Ölkonzerne, spielten nicht nur in den 1990er Jahren eine wichtige Rolle in der Eskalation des Konfliktes, sondern tragen gegenwärtig z.B. durch die Privatisierung der Sicherheit zur Militarisierung des Niger- Deltas bei. Der zweite Schwerpunkt der Diplomarbeit thematisiert die Bedeutung von Ethnizität für die Entstehung der sozialen Bewegungen und den Verlauf des Konfliktes. Die weitreichende Marginalisierung der ethnischen Minderheiten des Niger-Deltas resultiert aus einem politischen Tribalismus, welcher die Beziehungen zwischen den zahlreichen ethnischen Gruppen Nigerias maßgeblich beeinflusst. Neben den inter-ethnischen Beziehungen unter- sucht die Diplomarbeit die Bedeutung der Ethnizität für die Entstehung und Mobilisierung der sozialen Bewegungen. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt, ob es zur Entstehung eines pan-ethnischen Widerstandes kam, welcher die unterschiedlichen Bewegungen in ihrem Kampf gegen ihre Marginalisierung näher zusammenbringen würde. Anhand des Beispiels des Generationenkonfliktes, der die Machtbeziehungen innerhalb der ethnischen Gruppen des Niger-Deltas neu gestaltet, zeigt sich deren innere Heterogenität. Die Analyse der Mobilisierungs- und Handlungsstrategien der sozialen Bewegungen macht deutlich, dass es bereits eine bemerkenswerte Leistung darstellt, die unterschiedlichen Interessensgruppen innerhalb der eigenen Gruppe in einer Bewegungen zu vereinen. Der Widerstand gegen die Ölkonzerne und die Regierung wird daher vor allem innerhalb der jeweiligen ethnischen Gruppe organisiert und praktiziert.
Abstract
(Englisch)
When the oil company Shell discovered and exploited the first oil fields of the Niger Delta in 1956, the economic prospects of Nigeria appeared very promising. Over 50 years later, the optimism has long gone: Nigeria's state budget almost exclusively relies on the income of the oil industry, the fragile and complex ecosystem of the Niger Delta has already collapsed and the ethnic minorities living in this region have been suffering for decades under an ongoing political and social marginalization. The discrimination and repression of the people of the Niger Delta in the 1990s led to the development of numerous social movements that drew global attention to the disastrous conditions in their homeland and who also fought violently for an improvement of their standards of living. This conflict between the social movements on the one hand and the alliance of government and transnational oil companies, on the other hand, is at the center of this thesis. Against the backdrop of a historical analysis of the political development of Nigeria, the thesis examines the causes of the increasing militarization of the conflict and the reasons for the high intensity of violence. The text goes beyond existing explanations, like the “resource- war-thesis“ and emphasizes the multidimensionality of the conflict, whose causes and manifestations are the result of a complex pattern of relationships. Not only regional and local groups/institutions and the Nigerian government are of significance, but also the international actors, such as transnational oil companies and the governments of the industrialized countries. Their actions also play a significant role in the escalation of the situation. A critical analysis of the political development in the context of the transition to the Fourth Republic in 1999 shows that the new constitution is a central controversial argument of the conflict. Besides the central government contributed to the militarization of the conflict by their handling of the protest movements of the Niger Delta. At the regional level, the political elites are substantially responsible for the high intensity of violence. Through the establishment of a complex system of patronage they exploited numerous social movements for their own interests. Especially in the context of the elections of 2003 and 2007, the co- option of the resistance movements led to violent clashes between the different groups, which severely damaged the legitimacy of the elections. International actors such as the oil companies, not only played an important role in the escalation of the conflict in the 1990s. Their privatization of security in the Niger Delta constitutes an essential part of the militarization of the region. The second focus of the thesis is about the importance of ethnicity for the evolution process of the social movements and the course of the conflict. The widespread marginalization of the ethnic minorities of the Niger Delta is routed in a political tribalism, which affects the relations between the various ethnic groups in Nigeria. Besides the inter-ethnic relations, the thesis investigates the relevance of ethnicity for the emergence and mobilization of the social movements. The central question is if it came to the creation of a pan-ethnic resistance, which would unify the different movements in their struggle against their marginalization. The example of the generational conflict that reshaped the power relations within the ethnic groups of the Niger Delta, reveals the inner heterogeneity. The analysis of the mobilization and action strategies of the social movements makes clear, that it is already a remarkable achievement that the numerous heterogenous interest groups within the various ethnic groups came to a common line of action within a single movement. The resistance against the oil companies and the government is therefore still organized and mainly practiced within each ethnic group.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Englisch)
Nigeria Niger Delta oil transnational oil companies ethnic minorities social movements militarization "resource-war-thesis" ethnicity
Schlagwörter
(Deutsch)
Nigeria Niger-Delt Erdöl transnationale Ölkonzerne ethnische Minderheiten soziale Bewegungen Militarisierung "Ressourcen-Konflikt" Ethnizität
Autor*innen
Paul Beitzer
Haupttitel (Deutsch)
Erdöl und Ethnizität im Niger-Delta
Hauptuntertitel (Deutsch)
zu Genese und Wandel eines Konfliktes
Publikationsjahr
2013
Umfangsangabe
162 S.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Ingeborg Grau
Klassifikationen
15 Geschichte > 15.92 Afrika südlich der Sahara ,
43 Umweltforschung > 43.63 Umweltbelastung durch Industrie, Bergbau und Energieerzeugung ,
71 Soziologie > 71.38 Soziale Bewegungen ,
71 Soziologie > 71.63 Minderheitenproblem ,
73 Ethnologie > 73.73 Ethnische Identität ,
73 Ethnologie > 73.74 Interethnische Beziehungen
AC Nummer
AC10898605
Utheses ID
25627
Studienkennzahl
UA | 057 | 390 | |
Universität Wien, Universitätsbibliothek, 1010 Wien, Universitätsring 1