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Gender, Religion und Entwicklung – wie passt das zusammen? Der Diskurs zu Gender und Entwicklung in glaubensbasierten Entwicklungsorganisationen
Noreen Seyerl
Art der Arbeit
Diplomarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Betreuer*in
Hanna Hacker
DOI
10.25365/thesis.28753
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-29518.09944.266766-5
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)
Abstracts
Abstract
(Deutsch)
Die Entwicklungszusammenarbeit und auch Entwicklungsforschung ist ein Feld, das wie kein
anderes vor allem durch (versteckte) Interessen dominiert wird. Im Grunde gibt es keine allgemeingültige Definition von Entwicklung und auch die eigentlichen Ziele von
Entwicklung sind nicht immer klar ersichtlich. Trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb genießt Entwicklung weiterhin den Ruf eines altruistischen Unterfangens, welches moralisch legitim und auf jeden Fall zu unterstützen ist. Zahlreiche sehr unterschiedliche AkteurInnen sind im Entwicklungsfeld tätig, nicht mehr nur Nationalstaaten und deren Agenturen, sondern
private Unternehmen genauso wie eine Vielzahl von Nichtregierungsorganisationen, unter ihnen viele religiöse Einrichtungen. Die so genannten glaubensbasierten
Entwicklungsorganisationen sind in den vergangen Jahren in das Zentrum des Entwicklungsdiskurses geraten und haben dabei sehr kontroverse Reaktionen ausgelöst.
Feministische Theorien zu Gender und Entwicklung haben in den vergangen Jahrzehnten wichtige Impulse für Veränderung in der Entwicklungsforschung und Entwicklungszusammenarbeit gegeben. Diese Diplomarbeit setzt sich nun auf Basis
feministischer Theoriekonzepte zu Gender und Entwicklung mit glaubensbasierten Entwicklungsorganisationen auseinander. Ziel ist es grundsätzlich zu verstehen wie religiöse Organisationen als neue AkteurInnen in der EZA wahrgenommen werden, welche Besonderheiten sie von säkularen Entwicklungsorganisationen unterscheiden und vor allem welche Auswirkungen ihre Arbeit auf Auffassungen von Gender im globalen Norden und
Süden haben.
Das Konzept Gender wurde in feministischen Kreisen entwickelt, zum einen, um die Frauenforschung weiterzuentwickeln und damit die Komplexität des „Frau-seins“ besser erfassen zu können, andererseits aber auch um die duale, heterosexuelle Geschlechternorm –
„Frau, „Mann“ – zu durchbrechen. Den feministischen Theorien folgend sind Geschlechter soziale Konstruktionen. Mittels Gender-Theorien ist es möglich Machtunterschiede
aufzudecken, nicht nur zwischen den konstruierten Geschlechtern, sondern auch auf anderen
Ebenen. Aus diesem Grund sind Gender-Theorien auch geeignet, um Situationen und AkteurInnen der EZA zu untersuchen, da diese durch sehr ungleiche Machtverhältnisse
dominiert wird.
Im Zuge dieser Diplomarbeit werden daher die komplexen Beziehungen zwischen Gender, Religion und Entwicklung untersucht, basierend auf feministischen Theorien. Zunächst wird kurz auf die Entstehungsgeschichte der modernen Entwicklungszusammenarbeit eingegangen auch deren zahlreiche Verbindungen zu Imperialismus und Kolonialismus in die auch die christlichen Kirchen verstrickt waren. Hierbei werden spannende Wechselwirkungen
zwischen Mission und Gender aufgedeckt. Des Weiteren setzt sich die Diplomarbeit mit feministischen Theorien auseinander und zeichnet hierbei die wichtigsten Einflüsse auf die Entwicklungsforschung und Praxis nach. Auf diesem Kapitel aufbauend wird untersucht welche Rolle religiöse AkteurInnen in der Entwicklungszusammenarbeit spielen und vor allem auch wie sich ihre Arbeit auf Geschlechtergerechtigkeit nicht nur im globalen Süden
sondern auch im Norden auswirkt. Die wissenschaftlichen Meinungen bezüglich einer verstärkten Einbindung und Kooperation mit religiösen AkteurInnen sind unterschiedlich.
Einerseits wird darauf hingewiesen, dass Religionen identitätsstiftend wirken und vor allem im globalen Süden auch Orte sind an denen ansonsten Marginalisierte sich einbringen können.
Andererseits wird aber auch der ausschließende Charakter religiöser Gemeinschaften hervorgehoben. Die größte Gefahr sehen eine Vielzahl von AutorInnen für Frauen und die
bereits gewonnen Fortschritte in der Geschlechtergerechtigkeit, da Religionen oftmals als
bremsende, konservative und auch sexistische Institutionen verstanden werden.
Um zu untersuchen mit welchen Konzepten von Gender glaubensbasierte Entwicklungsorganisationen arbeiten und inwiefern feministische Theorien Einfluss auf die
Arbeit dieser Organisationen nehmen musste eine Einschränkung vorgenommen werden. Aus
diesem Grund setzt sich diese Arbeit konkret mit dem katholischen Hilfswerk Dreikönigsaktion der katholischen Jungschar Österreich auseinander. Es wird einerseits die
Organisationen vorgestellt, sowie auch ihre Motive für ihre Tätigkeiten im globalen Süden und ihre strukturelle Einbettung in die katholische Kirche und andererseits methodisch mittels einer kritischen Diskursanalyse untersucht wie sich die DKA mit Gender-Konzepten
auseinandersetzt. Für diese Diskursanalyse werden Publikationen der DKA aus den letzten 50
Jahren herangezogen. Ergebnisse dieser kritischen Diskursanalyse zeigen, dass es nicht ersichtlich ist, dass sich die DKA bisher mit feministischen Konzepten zu Gender und Entwicklung auseinandergesetzt hat. Die Publikationen legen den Schluss nahe, dass die DKA auf einem Geschlechterbild aufbaut, das von einer heterosexuellen und zweigeschlechtlichen Norm ausgeht. Zwar werden auch Forderungen unterstrichen, die in feministischen Kreisen
ihren Ursprung hatten, etwa rechtliche Gleichstellung, gerechte Teilhabe an Wirtschaft, Politik und Kultur von Frauen und Männern. Radikalere und transformative feministische Ansätze, die auch für die EZA wichtig sein könnten werden aber nicht aufgenommen.
Abstract
(Englisch)
Development cooperation and Development studies are unlike other fields dominated mostly by hidden interests. It is difficult to agree on one common definition of what Development actually means and the goals it strives to achieve. Nevertheless Development is seen as
something necessary and legitimate, it even seems to have become somewhat of a moral obligation. A number of very diverse players are now active in the Development field, it is no longer dominated solely by nation states, but also by private corporations and a vast amount
of non-governmental organisations, among these also religious organisations. These so called
Faith-based Organistions (FBO) have come to the centre of development discourse recently
and have triggered rather controversial opinions.
Feminist theories about gender and development have lead to important changes in
development cooperation in the past decades. This thesis takes a look at FBOs based on
feminist theories and tries to find out what role they play in the development field, what
makes them special compared to secular organisations and foremost what effects do they have
on gender equality in the global North and South.
Gender theories were developed in feminist studies, on the one hand to broaden the field of
women’s studies and on the other hand to get a better grasp of what it actually meant to be a
„woman“. Gender understands the categories of „men“ and „women“ to be socially
constructed. The concept of gender can be used to analyse situations of power imbalances, not
just between genders, but also on other levels. Therefore gender is also a viable tool to better
understand development cooperation, as this is a field which is strongly affected by very
unbalanced power relations.
This thesis takes a look at the complex relations and interdependencies of religion, gender and
development. Starting off with a brief historical recount of development cooperation and its
historical roots and ties to Christian churches and imperialism and colonialism. This leads to
some very interesting insights concerning the gendered nature of Christian missionary work
itself. Following this chapter I take a look at core feminist theories, key concepts and
controversial topics. Furthermore I will highlight the important influences feminist theories
have had on the field of development studies and cooperation. Based on this I take a closer
look at how the new players – FBOs – are viewed in the eyes of academics from the field of
development studies. Key issues will the question what makes them so different from secular
organisations and most importantly what influence will they and their work have on gender
relations. Academics strongly differ in their opinions regarding an increased cooperation with
FBOs, on the one hand it can be argued that religion is part of what makes up the identity of a
person, religious organisations are also said to be places where those otherwise unheard can
have a voice, but it is also highlighted how religions can act in a very exclusive manner.
Critics regard the potentially harmful effect and influence FBOs have on women’s rights and
gender equality to be the most crucial. Religions are often understood to be conservative,
backward and even sexist institutions.
Analysing the concepts of gender FBOs use in their work is a very big task, therefore this
thesis concentrates solely on one Austrian organisation. Taking a look at publications by the
Austrian “Dreikönigsaktion” of the Austrian “Jungschar” (catholic Youth Organisation) gives
insight into how and whether this religious organisation has incorporated any of the feminist
thinking regarding gender and development. The thesis describes the organisation itself, how
it is embedded within the Catholic Church of Austria and what motivates it to work in the
global South. As a method a critical discourse analysis was chosen, as this is known to be a
valid method for feminist academic work. The analysed publications cover a time frame of
approximately 50 years. Findings show that the “Dreikönigsaktion” has not incorporated
feminist theories on gender and development into its work. The publications lead to the
assumption that the FBO builds on an understanding of gender, which is both heterosexual
and only allows for two possible genders. The organisation does pursue goals first voiced in
feminist discourse such as equal rights for men and women or equal participation in political,
economic and cultural life. However more radical and transformatory concepts developed by
feminist theories were not regarded. This not only means a loss for the organisation itself, but
more importantly for their work in development.
Schlagwörter
Schlagwörter
(Englisch)
development cooperation gender religion
Schlagwörter
(Deutsch)
Entwicklungszusammenarbeit Gender Religion
Autor*innen
Noreen Seyerl
Haupttitel (Deutsch)
Gender, Religion und Entwicklung – wie passt das zusammen? Der Diskurs zu Gender und Entwicklung in glaubensbasierten Entwicklungsorganisationen
Publikationsjahr
2012
Umfangsangabe
143 S.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Hanna Hacker
Klassifikationen
02 Wissenschaft und Kultur allgemein > 02.00 Wissenschaft und Kultur allgemein: Allgemeines ,
10 Geisteswissenschaften allgemein > 10.99 Geisteswissenschaften allgemein: Sonstiges ,
11 Theologie > 11.00 Theologie, Religionswissenschaft: Allgemeines ,
70 Sozialwissenschaften allgemein > 70.00 Sozialwissenschaften allgemein: Allgemeines ,
73 Ethnologie > 73.00 Ethnologie: Allgemeines
AC Nummer
AC11097911
Utheses ID
25676
Studienkennzahl
UA | 057 | 390 | |
