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Verstädterung einer Naturlandschaft
die Entwicklung des 2. Wiener Bezirkes im Zeitraum 1850 - 1900
Ursula Baliko
Art der Arbeit
Diplomarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Betreuer*in
Peter Eigner
DOI
10.25365/thesis.29041
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-29060.81126.283464-0
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Abstracts
Abstract
(Deutsch)
Diese Arbeit untersucht die Entwicklung des 2. Wiener Bezirkes in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Während dieser Betrachtungsperiode bestand der 2. Bezirk aus den späteren Bezirken Leopoldstadt (2.) und Brigittenau (20. Bezirk) und war flächenmäßig der mit Ab-stand größte Wiener Bezirk. Im Betrachtungszeitraum durchlief dieser Bezirk eine Transfor-mation auf mehreren Ebenen, die veranschaulicht und auf die dafür verantwortlichen Faktoren hin untersucht werden. Um 1850 war nur ein geringer Teil des 2. Bezirkes verbaut, jener im Bereich der Jägerzeile – der späteren Praterstraße –, der Taborstraße und des Karmelitervier-tels. Das übrige Bezirksterrain war weitgehend eine Naturlandschaft, die von den unzähligen Flussläufen und Nebenarmen der Donau durchzogen und beherrscht wurde. Das Gelände hier war feucht und bot ständig die Gefahr von Überschwemmungen, in der Folge war nur ein geringer Bereich des 2. Bezirkes baulich erschlossen.
Dieser Umstand wurde von der 1875 vollendeten Donauregulierung geändert, aus dieser resultierten ein gerades, stabiles Strombett sowie 230 Hektar gewonnenes und weitgehend hochwassersicheres Bauland am rechtsseitigen Donauufer. Infolgedessen setzte ab den 1880er Jahren eine zunehmende Besiedlung der Freiflächen in der Leopoldstadt und der Brigittenau ein, und vor allem entlang des Handelskais siedelten sich Industriebetriebe an. Als besonders fortschrittliche Industriebranche prägte die Elektroindustrie den 2. Bezirk, hinsichtlich des Beschäftigtenanteils dominierte jedoch die Bekleidungsindustrie den Bezirk. Die Brigittenau entwickelte sich zu einem klassischen Industriebezirk und daraus resultierend auch zu einem Arbeiterbezirk. In der Leopoldstadt herrschte nach wie vor der Tertiärsektor vor, hier beschäf-tigte der Handel in zunehmendem Maße die meisten Erwerbstätigen, dahinter folgten die Hausdienerschaft sowie der Bereich Verkehr. Zu den weiteren, für die Entwicklung des 2. Bezirkes prägenden infrastrukturellen Ereignissen waren der Bahnbau und die Weltausstel-lung zu zählen. Der Bau der Kaiser-Ferdinands-Nordbahn Ende der 1830er Jahre als Wiens erste Bahnverbindung räumte dem 2. Bezirk verkehrstechnisch größte Bedeutung ein, die durch den Bau der Nordwestbahn ab 1870 noch verstärkt wurde. Die Bahnverbindung war neben dem weitreichenden Raumangebot sowie dem Schiffs- und Hafenanschluss ein wichti-ger Standortfaktor für Industriebetriebe. Die Weltausstellung 1873 bewirkte den Bau eines umfassenden Ausstellungsgeländes im Prater, zusätzlich wurde das Verkehrsnetzt in den 2. Bezirk – vor allem das Netz der Pferdetramway – aus diesem Anlass ausgebaut, und der Wurstelprater wurde reguliert. Der Prater war als Vergnügungszentrum Wiens der ideale Schauplatz für die Weltausstellung, überhaupt passte diese Veranstaltung in den für seine Theater, Kaffeehäuser und Tanzlokale bekannten 2. Bezirk besser als in jeden anderen Stadt-teil Wiens.
Neben diesen infrastrukturellen Entwicklungsfaktoren, die wesentlich zur Urbanisierung des 2. Bezirkes beitrugen, veränderten sich auch die Bevölkerungszusammensetzung sowie die soziale Struktur des Bezirkes stark zwischen 1850 und 1900. Durch die hier endenden Bahn-linien kamen viele Zuwanderer aus dem Norden und Osten der Monarchie in den 2. Bezirk, von denen sich viele gleich hier niederließen. Unter diesen Zuwanderern waren sehr viele Juden aus Ungarn und Galizien, die vorwiegend einer armen Bevölkerungsschicht angehörten. Die meisten Juden Wiens lebten im 2. Bezirk, im Betrachtungszeitraum waren es stets etwa 50 % der jüdischen Bevölkerung in Wien, weshalb der 2. Bezirk im Volksmund als „Mazzesinsel“ bezeichnet wurde. Diese vielen, meist sehr armen und als Hausierer und wandernde Händler ihren Unterhalt verdienenden Juden waren maßgeblich am sozialen Abstieg des 2. Bezirkes im Untersuchungszeitraum beteiligt. Auch die durch die Industriebetriebe angezogenen Arbeiter trugen dazu bei, dass sich der 2. Bezirk von einem der nobelsten Mitte des 19. Jahrhunderts zu einem der sozial am schlechtesten gestellten Innenbezirke bis zur Jahrhundertwende entwickelte. Dies stand noch dazu im Gegensatz zur Entwicklung der übrigen Innenbezirke, die im Allgemeinen in dieser Periode eine soziale Aufwertung durch eine Verbürgerlichung erfuhren. Damit ist der 2. Bezirk diesbezüglich eindeutig als Sonderfall herauszustreichen, der sich in sozialer Hinsicht innerhalb weniger Jahrzehnte – vor allem durch arme Zuwanderer – zu einem sozial sehr durchmischten Bezirk entwickelt hatte. Eine Ausnahme stellte der Bezirk aber auch durch die hier situierten Großprojekte Wiens im 19. Jahrhundert dar, dazu gehörten der Bahnbau, die Donauregulierung und die Weltausstellung. Diese förderten zwar eine Urbanisierung und infrastrukturelle Entwicklung des Bezirkes, standen aber dennoch einem auffallend starken sozialen Abstieg entgegen.
Schlagwörter
Schlagwörter
(Deutsch)
Stadtentwicklung Donauregulierung Weltausstellung Zuwanderung
Autor*innen
Ursula Baliko
Haupttitel (Deutsch)
Verstädterung einer Naturlandschaft
Hauptuntertitel (Deutsch)
die Entwicklung des 2. Wiener Bezirkes im Zeitraum 1850 - 1900
Publikationsjahr
2013
Umfangsangabe
136 S. : graph. Darst., Kt.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Peter Eigner
Klassifikationen
15 Geschichte > 15.08 Sozialgeschichte ,
15 Geschichte > 15.09 Wirtschaftsgeschichte
AC Nummer
AC10905642
Utheses ID
25919
Studienkennzahl
UA | 190 | 347 | 313 |
