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Frauenmorde als Verdichtung männlicher Gewalt
Ehrenmorde oder Frauenmorde ; die aktuelle Diskurse und Kämpfe der Frauenbewegung in der Türke
Koc Günes
Art der Arbeit
Dissertation
Universität
Universität Wien
Fakultät
Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft
Betreuer*in
Eva Kreisky
DOI
10.25365/thesis.29111
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-16420.76782.860827-2
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Abstracts
Abstract
(Deutsch)
In der vorgelegten Dissertation werden politische Kämpfe der Frauenbewegung gegen vergeschlechtlichte Gewaltverhältnisse in der Türkei dargestellt. Durch die politischen Kämpfe wird Widerstand gegen männliche Hegemonie, die sich in männlicher Gewalt intensiviert, geübt. Der Fokus der maskulinistischen Gewalt wird auf Frauenmorde gelegt. Frauenmorde erweisen sich als Verdichtung männlicher Gewalt, die als männliche Hegemonie im Staat als Männerbund, in maskulinistischen Institutionen und in direkter männlicher Gewalt verortet ist. Die politischen Kämpfe der Frauenbewegung in der Türkei lassen sich bereits in die 1980er zurückführen. Diese politischen Bewegungen bilden eine gegenhegemoniale Öffentlichkeit (Fraser 2001, 129) mit unterschiedlichen Diskursen und Debatten. Anhand dieser gegenhegemonialen Öffentlichkeit wird Widerstand gegen männliche Hegemonie, hegemoniale Männlichkeit und gegen männliche Gewalt gegenüber Frauen möglich. In dieser Arbeit werden die aktuellen politischen Diskurse und die Kämpfe der Frauenbewegung gegen Frauenmorde sowie die politischen Widerstände der Frauenbewegung gegen die hegemonialen Diskurse über männliche Gewalt dargestellt.
Im juristischen Feld, in dem die hegemonialen Diskurse über männliche Gewalt durch die männlichen Institutionen und Staat hergestellt werden, verdichten sich die politischen Kämpfe der Frauenbewegung gegen maskulinistische Gewalt. Institutionen und Staat als erweitertes Herrschaftsverhältnis spielen eine Rolle in der Stabilisierung und Wiederherstellung der vergeschlechtlichten Gewalt. Mit Hinblick auf die politischen Kämpfe im juristischen Feld gegen die Frauenmorde wird feministische Kritik an Institutionen und in diesem Sinne auch Widerstand gegen die direkte männliche Gewalt dargestellt. Die Kämpfe der Frauenbewegung gegen den „Männerbund“ (Kreisky, 1992) im juristischen Feld erweisen sich als politischer Kampf gegen die institutionelle Männlichkeit, da die AkteurInnen des juristischen Feldes vergeschlechtlichte Herrschaftsverhältnisse und männliche Macht wiederherstellen.
In dieser Arbeit werden gesellschaftliche und politische Diskurse über Frauenmorde herausgearbeitet, die diese als „Ehrenmorde“ oder „Sittenmorde“ bezeichnen. Eine empirische Analyse über die Motive der Täter zeigt, welche Intersektionen zwischen direkter Gewalt gegen
Frauen und der strukturellen und institutionellen Gewalt bestehen. Sie weist gleichzeitig darauf
hin, wie hegemoniale Männlichkeit mit Gewalt interagiert. In der Arbeit wird der gemeinsameNenner der hegemonialen Männlichkeit herausgestellt, der in den juristischen und institutionellen Praktiken und Diskursen wiederhergestellt wird.
Diesen gemeinsamen Nenner bildet das Verständnis der „Ehre“, das eine wichtige Rolle in der Konstitution der hegemonialen Männlichkeit und der Wiederherstellung der männlichen Hegemonie spielt. Die politischen Kämpfe der Frauenbewegung gegen das Gesetz über das Töten „im Namen der Sitte“ sowie gegen das Gesetz des „unrechtmäßigen Anreizes“ und die Forderung der Frauenbewegung, dass das Gesetz über das Töten „im Namen der Sitte“ in Töten „im Namen der Ehre“ umbenannt werden soll, werden aus diesem Aspekt heraus analysiert. Anhand der Widerstände und Kämpfe der Frauenbewegung im juristischen Feld wird sichtbar, wie die Rede über „Ehrenmorde“ diskursiv umkämpft ist. In dieser Dissertation wird herausgearbeitet, wie im lokalen Kontext der Türkei die Forderungen der Frauenbewegung, nämlich dass „alle Frauenmorde Ehrenmorde“ sind und „alle Ehrenmorde mit einer ‘erschwerten’ lebenslänglichen Haftstrafe bestraft werden sollten“, einen emanzipativen und gegenhegemonialen Gewaltdiskurs gegen die institutionelle und symbolische Gewalt konstituieren, der durch die Praktiken und Diskurse des juristischen Felds und durch staatliche Institutionen konstruiert wird.
Abstract
(Englisch)
This dissertation examines the political fights of the women’s movement against the existing violent gender relations in present day Turkey. The political fights represent the resistance against male hegemony that concentrates in male violence. I particularly focus on femicide, the peak of male violence, which –in the form of male hegemony - is rooted in male associations within the state, masculinist institutions and direct male violence. The political engagement of the Turkish women’s movements that formed against male violence can be traced back to the 1980s. These movements create a counter-hegemonic public society (Fraser, 2001, 129) with diverse discourses and debates. With the help of this counter-hegemonic publicity, resistance is forming against masculinist hegemony, hegemonic masculinity and male violence against women. This paper presents the women’s movement’s current debates and political discourses on femicides and their political struggles against the hegemonic discourse on male violence.
The women’s movement criticizes and combats the anchoring of femicide in a legal, institutional and public context that establishes patriarchal power structures. It includes the feminist definition of violence, in which institutions and the state in the form of patriarchal power structures play a role in the stabilization and re-establishment of gender violence. From this aspect and with regard to the fights against femicide, feminist criticism of institutions and therefore also of direct male violence is necessary. The women’s movement’s struggle against the “male association” (Kreisky, 1992) in the legal field are also better understood as a political fight against the institutionalisation of masculinity and the gendered power and domination relations in the judicial system and therefore also in the political field.
In this dissertation the political and social discourses on femicides, that call those killings “honour- or custom killings” are examined. An empirical analysis of the motives of the perpetrators point out the existing intersections of direct violence against women, and structural and institutional violence. At the same time, it shows how hegemonial masculinity interacts with violence. The common denominator of hegemonial masculinity is presented, which is re-established in juridical, as well as institutional discourses and practices.
The mentioned common denominator creates the meaning of “honour” which playes an important role in the constitution of the hegemonic maleness and reproduction of male hegemony. The fights of the women’s movement against the law sentence “killing in the name of custom” as well against the law sentence “unfair mitigation” (haksiz tahrik) and the demands of the women’s movement that the law sentence “killing in the name of custom”, should be called “killing in the name of honour” are analysed from this point of view. By means of the struggles of the women’s movement in the juridical field, one can see how the speech about honour crimes is discursively contested. This dissertation shows, that in the local context of Turkey, the women’s movement’s demand that “all femicides are honour crimes” and that all “honour crimes should be punished with an increased life long sentence” constitute an emancipated and anti-hegemonic violence discourse against institutional and symbolic violence, which is being constructed by the discourses and practices of the juridical field and the state institutions.
Schlagwörter
Schlagwörter
(Englisch)
women's movement institutional violence structural violence symbolic violence male association masculinist hegemony hegemonic masculinity
Schlagwörter
(Deutsch)
Frauenbewegung institutionelle Gewalt strukturelle Gewalt symbolische Gewalt Männerbund männliche Hegemonie hegemoniale Männlichkeit
Autor*innen
Koc Günes
Haupttitel (Deutsch)
Frauenmorde als Verdichtung männlicher Gewalt
Hauptuntertitel (Deutsch)
Ehrenmorde oder Frauenmorde ; die aktuelle Diskurse und Kämpfe der Frauenbewegung in der Türke
Publikationsjahr
2013
Umfangsangabe
176 S.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*innen
Eva Kreisky ,
Otmar Höll
Klassifikationen
70 Sozialwissenschaften allgemein > 70.00 Sozialwissenschaften allgemein: Allgemeines ,
71 Soziologie > 71.40 Soziale Prozesse: Allgemeines
AC Nummer
AC10918258
Utheses ID
25977
Studienkennzahl
UA | 092 | 300 | |