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Musik und Gebärdensprache
"Verlorenwasser" (aus: Der Ort / "Musikalisches Opfer") für Soli, Gebärdenchor, großes Orchester, CD-Zuspiel und Live-Elektronik von Helmut Oehring
Johanna Weber-Guskar
Art der Arbeit
Diplomarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Betreuer*in
Gernot Gruber
DOI
10.25365/thesis.3436
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-29797.83802.585454-0
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)
Abstracts
Abstract
(Deutsch)
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Thema Musik und Gebärdensprache. Die zentrale Frage lautet dabei: Gibt es eine Gebärdenmusik und, wenn ja, was bedeutet dies und wie lässt sich diese beschreiben? Ziel ist es, verschiedene gebärdenintegrierende musikalische Ausdrucksformen vorzustellen und zu untersuchen, welche musikalischen Parameter in Gebärdensprache übertragbar sind. Einen Schwerpunkt stellt dabei die Analyse des Werkes Verlorenwasser (aus: Der Ort / Musikalisches Opfer) für Soli, Gebärdenchor, großes Orchester, Live-Elektronik und CD-Zuspiel von Helmut Oehring dar. Zu Beginn wird eine Einführung in die Deutsche Gebärdensprache gegeben. Dabei handelt es sich um ein komplexes, unabhängiges Sprachsystem mit einer eigenen Grammatik des Raums. Grundlage der Gebärdensprache bilden die manuellen (Hände und Arme) und die nicht-manuellen (Bewegungen des Oberkörpers und des Kopfes; Mimik und Mundgestik) Artikulatoren. In der Auseinandersetzung mit der Gehörlosenkunst werden verschiedene gebärdenintegrierende musikalische Ausdrucksformen vorgestellt, die sich ausgehend oder in Kombination mit Theater, Tanz und Poesie in den letzten rund dreißig Jahren international entwickelt haben. Dazu zählen das sogenannte song signing, die Gebärdensprachpoesie und der große Bereich der Musikperformances von Gehörlosen. Diese Formen können der populären Musik zugeordnet werden und finden überwiegend mit und seltener ohne Begleitung von Musik statt. Eine Sonderstellung nimmt das Musikdolmetschen ein, da es in der Regel von Hörenden für Gehörlose ausgeübt wird und daher nicht als Gehörlosenkunst verstanden werden kann. Allen Ausdrucksformen gemeinsam sind jedoch einerseits die Übertragung bestimmter musikalischer Parameter, wie Rhythmus, Tempo und Lautstärke in die Gebärdensprache, und andererseits ihre visuelle Modalität. Dadurch ist eine Verwandtschaft zur sogenannten visible music gegeben, die sich im Zuge musikalisch-theatraler Experimente in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelte. Solche sichtbare und gestische Musik, basierend auf Körperbewegungen aller Art, Gesten und Gebärden, führte zu einem Umdenken und infolgedessen zu einer Erweiterung des traditionellen Musikbegriffs. In der Verlängerung dieser musikhistorischen Achse ist das Werk Helmut Oehrings, hörender Sohn gehörloser Eltern, anzusiedeln. Im Zentrum seiner Kompositionsweise steht zum einen die Umwandlung von Gebärden in Klang, und zum anderen die Einbeziehung von gehörlosen Darstellern. Vergleichbar dem Einsatz musikalischer Gesten in Werken von Dieter Schnebel werden in Verlorenwasser die Gebärden von Gehörlosen zu musikalischem Material und zu einer eigenen Stimme des Orchesters. In diesen Musikgebärden vereinen sich die Eigenschaften des song signing, des Musikdolmetschens und der Gebärdensprachpoesie. Für die Partitur und das Programmheft wurden die Gebärden annäherungsweise in Lautsprache übersetzt. Als weitere Schicht der Oehringschen Kompositionsweise entsteht dadurch eine poetische Kunstsprache. Musik zu schreiben bedeutet für den Komponisten eine Möglichkeit, die Gebärdensprache schriftlich festzuhalten, und stellt somit den Versuch dar, die Welt der Gehörlosen mit jener der Hörenden zu verbinden. Durch den Einsatz von Gebärdensprache in seine Kompositionen erschafft Helmut Oehring eine künstlerische Ausdrucksform, welche poetischen Inhalt mit Musik verknüpft.
Abstract
(Englisch)
The presented paper discusses music and sign language. The central aspects are: Do we have a sign music and if so, what are the effects for communication and how can it be described? The author aims to present different sign integrated forms of music and will examine, which musical parameters can be transcribed into sign language. The main focus lies on the composition Verlorenwasser (part of: Der Ort / Musikalisches Opfer) for soloists, 9 deaf soloists, large orchestra, live-electronics and CD by the German composer Helmut Oehring. The paper will give an introduction to the German Sign Language, which is a complex and independent language with an individual grammar based on the three dimensions of space. Manual articulators (hands and arms) and non-manual (movements of the upper body and the head; facial expressions and oral gesture) are the principal elements of this language. Exploring deaf art, different sign integrating forms of music are introduced that had been developed within the last thirty years from or in combination of performing arts, dance and poetry. That includes the so-called song signing, the sign language poetry and the large field of music performances by deaf artists. These forms are related to popular music and occur predominantly accompanied by music, less often without it. A special role among this many forms plays the music interpreting as it is normally practised by hearing people for deaf or hearing impaired persons and therefore cannot be considered a part of genuine deaf art. However, all these forms of expression have several aspects in common: on one hand the transmission of certain musical parameters as rhythm, tempo and loudness and on the other hand their visual modality. We find an affinity to the so-called visible music that emerged out of experiments within the performing arts during the second half of the 20th century. Such visible and gestural music based on body movements, gestures and signs led to a rethinking and consequently to an enlargement of the traditional perception of music. The artistic work of Helmut Oehring, child of deaf parents, follows such an extension of this historic musical axis. Helmut Oehrings compositions focus on the transmutation of signs into sound and on the involvement of deaf soloists. Comparable to the use of musical gestures in the work of Dieter Schnebel the signs of the deaf soloists in Verlorenwasser become an independent musical material and an individual voice of the orchestra. These musical signs combine the characteristics of song signing, music interpreting and sign language poetry. The result can be described as a poetic art language and constitutes another level of Oehrings composing. Writing music provides for the composer an opportunity to fix sign language in writing and is therefore an attempt to connect the world of the deaf with the one of the hearing people. By integrating sign language into his compositions, Helmut Oehring creates an artistic form of expression that combines poetic content with music.
Schlagwörter
Schlagwörter
(Englisch)
music contemporary visible deaf art hearing impaired sign language theatre dance song signing interpreting pantomime Verlorenwasser Helmut Oehring musica viva Dieter Schnebel
Schlagwörter
(Deutsch)
Musik Neue Visuelle Gebärdensprache DGS Gebärdenchor Gebärdenmusik Gehörlosigkeit Gehörlosentheater Tanz Pantomime Geste Poesie Dolmetschen Verlorenwasser Helmut Oehring musica viva Dieter Schnebel
Autor*innen
Johanna Weber-Guskar
Haupttitel (Deutsch)
Musik und Gebärdensprache
Hauptuntertitel (Deutsch)
"Verlorenwasser" (aus: Der Ort / "Musikalisches Opfer") für Soli, Gebärdenchor, großes Orchester, CD-Zuspiel und Live-Elektronik von Helmut Oehring
Publikationsjahr
2008
Umfangsangabe
145, 51, 5 S. : Ill., zahlr. Notenbeisp.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Gernot Gruber
Klassifikationen
20 Kunstwissenschaften > 20.05 Kunst in Beziehung zu anderen Wissenschaftsgebieten ,
20 Kunstwissenschaften > 20.10 Kunst und Gesellschaft
AC Nummer
AC07493432
Utheses ID
3010
Studienkennzahl
UA | 316 | | |