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Erstellung eines numerischen, reaktiven Multispezies-Massentransportmodells zur Gefährdungsabschätzung von Grundwässern an einem Industriestandort in Ostungarn
Henning Wallner
Art der Arbeit
Dissertation
Universität
Universität Wien
Fakultät
Fakultät für Geowissenschaften, Geographie und Astronomie
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Dr.-Studium der Naturwissenschaften Geologie (Stzw)
Betreuer*in
Hermann Häusler
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Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-29985.14732.934365-2
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Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Das natürliche hydrodynamische System der Region Debrecen wird infolge anthropogener Eingriffe in Form des Betriebs dreier Wasserwerke seit mehreren Jahrzehnten nachhaltig beeinflusst. Bedingt durch den Betrieb dieser Wasserwerke und den hierbei geförderten Mengen an Grundwässern, kam es zur Ausbildung eines regionalen Absenktrichters und somit zu einem deutlichen Anstieg des Grundwasserflurabstands. Die daraus resultierenden negativen Folgen betreffen derzeit vor allem das lokale Ökosystem. Eine zusätzliche Problematik ergibt sich durch das Auftreten von Schadstoffen im Grundwasser. Im Falle dieser Schadstoffe handelt es sich primär um chlorierte Kohlenwasserstoffe (LCKW), deren Auftreten im Grundwasserleiter auf ein einzelnes, größeres Eintragsereignis zurückgeführt wird und deren Herkunft mit dem Produktionsbetrieb einer im Bereich des Absenktrichters ansässigen Arzneimittelindustrie in Zusammenhang steht. Die vorliegenden Indizien deuten darauf hin, dass der primär eingetragene Schadstoff TeCA einen Phasenkörper (DNAPL) ausgebildet hat. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Erstellung eines numerischen Strömungs- und Massentransportmodells zur Prognose des Auftretens dieser Schadstoffe in Raum und Zeit. Auf Basis der hierbei gewonnenen Erkenntnisse erfolgt eine Gefährdungsabschätzung für die bisher noch nicht verunreinigten Grundwasserleiter. Als Voraussetzung für das Prozessverständnis wurde für den Standort ein geologisches Strukturmodell (GSM) und in weiterer Folge ein hydrogeologisches-geochemisches Strukturmodell (HGSM) entwickelt. Die hierfür notwendigen Informationen stammen einerseits aus bereits bestehenden Bohrdaten und andererseits aus eigens durchgeführten Zusatzuntersuchungen. Hierzu zählt z.B. der Einsatz einer hochauflösenden DP-Untersuchungsmethode im Hangenden der pleistozänen, sedimentären Abfolge. Durch den Einsatz der CPT-Methode konnten kontinuierliche Tiefenprofile erstellt werden, die aufgrund der Messmethodik eine entsprechend hohe Genauigkeit aufweisen und somit eine exakte Beschreibung des Untergrundaufbaus ermöglichten. In Kombination mit isotopenhydrologischen Methoden sowie der Auswertung von GW-Ganglinien, erfolgte schließlich eine Differenzierung und Charakterisierung von insgesamt drei GW-Stockwerken. Die im Untersuchungsraum vorliegenden Schadstoffe beschränken sich derzeit noch auf das 1. GW-Stockwerk und können im Bereich der Schadstoffquelle bis in eine Tiefe von durchschnittlich etwa 45 m u. GOK nachgewiesen werden. Von den im Liegenden in Tiefen von bis zu 200 m u. GOK positionierten Entnahmebrunnen des Wasserwerks, werden die Schadstoffe durch mehrere in ihrer Mächtigkeit schwankende GW-Geringleiter getrennt. Zur Charakterisierung der hydrogeologischen Eigenschaften der einzelnen GW-Leiter und GW-Geringleiter wurden am Standort Pump- und Wiederanstiegsversuche durchgeführt, sowie mehrere laborgestützte Messmethoden eingesetzt. Der durchschnittliche horizontale Durchlässigkeitsbeiwert beträgt im 1. GW-Stockwerk 1,80 x 10-5 m/s, im Bereich des 2. GW-Stockwerks 7,06 x 10-5 m/s und im wasserwirtschaftlich intensiv genutzten 3. GW-Stockwerk 1,37 x 10-4 m/s. Die vertikalen Durchlässigkeitsbeiwerte wurden in Durchflussversuchen bestimmt sowie im Rahmen der Kalibrierung des numerischen Strömungsmodells angepasst und weisen Werte auf, die zwei Zehnerpotenzen unterhalb der horizontalen hydraulischen Durchlässigkeit liegen. Aufgrund der in der Regel auftretenden Langsamkeit schadstoffabbauender Prozesse und Reaktionen, kommt dem standortspezifischen Prozessverständnis in Hinblick auf Gefährdungsabschätzungen eine entsprechend hohe Bedeutung zu. Da insbesondere die Fließgeschwindigkeit im GW-Leiter sowie die GW-Strömungsrichtung hinsichtlich der Ausbreitung von Stofffahnen wichtige Einflussfaktoren darstellen, erfolgte eine räumliche und zeitliche Analyse der Grundwasserdynamik. Grundsätzlich herrscht im Untersuchungsraum eine von Richtung NE nach Richtung SW verlaufende GW-Strömungsrichtung. Im Zuge der Projektbearbeitung wurde jedoch ersichtlich, dass der Betrieb der Entnahmebrunnen des Wasserwerks einen geringeren Einfluss auf die piezometrischen Höhen und die GW-Dynamik im 1. GW-Stockwerk ausübt, als ursprünglich erwartet. Der aus dem Strömungsbild resultierenden Darcy-Flux weist im Bereich der schadstoffverunreinigten Abschnitte allerdings eine in vertikaler Richtung dominierende Komponente auf. Nur im Bereich des obersten, freien GW-Leiters wird das hydraulische Regime nachhaltig vom Betrieb mehrerer dort positionierter Sanierungsbrunnen sowie einer Versickerungsmaßnahme beeinflusst. Zur Beurteilung und Identifizierung von im Untergrund stattfindenden relevanten NA-Prozessen erfolgte die Anwendung innovativer Untersuchungsmethoden. Sämtliche dieser Tests erfolgten mit standorteigenem Untergrundmaterial, das unter Verwendung spezieller Probenahmetechniken unter in-situ Bedingungen gewonnen wurde. Hierzu zählen einerseits die Durchführung von Batch-Mikrokosmenversuchen, deren primäres Ziel die Identifizierung und Stimulation der am Standort wirksamen Schadstoffminderungsprozesse war, und andererseits die Durchführung einer PCR zum qualitativen Nachweis der am Abbau beteiligten Bakterien. Zusätzlich erfolgte an ausgewählten Wasserproben die Durchführung einer substratspezifischen Isotopenanalytik. Anhand der Ergebnisse der PCR wurde die Präsenz der Bakterien-Gattungen Dehalococcoides und Dehalobacter am Standort nachgewiesen. Durch die Auswertung der Ergebnisse der substratspezifischen Isotopenanalytik konnte ein eindeutiger qualitativer Beweis für das Stattfinden von NA-Prozessen am Standort erbracht werden. Aus den Ergebnissen der Batch-Mikrokosmenuntersuchungen konnte abgeleitet werden, dass die reduktive Dechlorierung der am Standort dominierende Schadstoffabbauprozess ist und dieser durch den Einsatz verschiedener Auxiliarsubstrate signifikant beschleunigt werden kann. Die am Standort identifizierten NA-Prozesse können somit einen wesentlichen Beitrag zur Mineralisation der Schadstoffe beitragen. Die Erkenntnisse und Ergebnisse dieser durchgeführten Untersuchungen wurden schließlich zusammengeführt und fanden Eingang in das mit der Software FEFLOW erstellte numerische GW-Strömungs- und Massentransportmodell. Die Komplexität dieser numerischen GW-Modellierung ist mehreren Umständen geschuldet. Als besonders schwierig stellte sich die Wahl eines ausreichend und korrekt bemessenen Modellraums dar. Einerseits verlangen die vorherrschenden Randbedingungen die Implementierung dreier einzelner GW-Stockwerke sowie die Berücksichtigung der Wasserwerke und andererseits kann die Anzahl der das Modell aufbauenden finiten Elemente aufgrund der limitierten Rechenkapazität nicht beliebig erhöht werden. Schließlich wurde ein Kompromiss gefunden, der zum einen eine möglichst hohe Genauigkeit der Berechnungen gewährleistet und zum anderen noch halbwegs akzeptable Berechnungszeiten ermöglichte. Das numerische GW-Strömungsmodell wurde sowohl stationär als auch transient kalibriert. Als besonders sensitiver Parameter konnte die GW-Neubildungsrate identifiziert werden. Aufbauend auf dem kalibrierten Strömungsmodell wurde für die Langzeitprognose des räumlichen und zeitlichen Auftretens der Schadstoffe im Untergrund ein Stofftransportmodell entwickelt. Konkret handelt es sich hierbei um ein reaktives Multispezies-Massentransportmodell, das die Transformation von TeCA zu TCE zu cis 1,2 DCE zu VC berücksichtigt. In einem ersten Schritt wurde der Einfluss der durch upwind-Gewichtung erzeugten numerischen Dispersion auf die Berechnungsergebnisse untersucht. Aufgrund der eingeschränkten Kenntnis über die bisher erfolgte zeitliche Entwicklung der hydrodynamischen Zustände sowie aufgrund des Fehlens geeigneter, zeitlich gestaffelter Datensätze über die Konzentrationsverteilung der Schadstoffe im Untergrund, war eine Kalibrierung des Transportmodells im herkömmlichen Sinne nicht durchführbar. Allerdings konnten eine Kalibrierung der Ratenkonstanten für den Abbau 1. Ordnung der einzelnen im Transportmodell berücksichtigten Schadstoffe durchgeführt werden, die sich von den aus den Batch-Mikrokosmenversuchen approximierten Abbauraten deutlich unterscheiden und somit als konkludente Alternative bei der Modellierung berücksichtigt wurden. Zur Langzeitprognose des Auftretens der Schadstoffe im Untergrund wurden schließlich insgesamt sechs unterschiedliche Szenarien für einen Zeitraum von 100 Jahren simuliert. Diese sechs Szenarien unterscheiden sich einerseits in der Verwendung unterschiedlicher Schadstoffabbauraten und andererseits durch die Zugrundelegung verschiedenartiger Strömungszustände, die durch den Betrieb bzw. den Nichtbetrieb einzelner im Modell implementierter Brunnen simuliert werden. Der Einfluss unterschiedlicher Abbauraten auf die Modellergebnisse manifestierte sich hauptsächlich im Auftreten entsprechend unterschiedlich hoher Stoffkonzentrationen, wobei die im Rahmen der Kalibrierung definierten Abbauraten deutlich verlässlichere und numerisch sinnvollere Ergebnisse lieferten, als die aus den Batch-Mikrokosmenversuchen approximierten Abbauraten. In den sechs Szenarien werden insgesamt vier unterschiedliche Strömungszustände betrachtet. Auf Basis der Simulationsergebnisse ließ sich feststellen, dass der Brunnen Teva 6 einen großen Einfluss auf den Transport der Schadstoffe im Bereich des 2. und 3. GW-Stockwerks ausübt. Die Auswertung der Berechnungsergebnisse machte ersichtlich, dass der Brunnen Teva 6 im Falle einer Nichtinbetriebnahme zu einer schnelleren Ausbreitung der Schadstoffe in den tieferen GW-Leitern führt. Sowohl die Inbetriebnahme des Brunnens Teva 6, als auch dessen kompletter Rückbau führen zu einem verzögerten Transport der Schadstoffe in Richtung eines im 3. GW-Stockwerk positionierten und zum Wasserwerk gehörenden Brunnens. Zudem konnte nachgewiesen werden, dass die innerhalb des Simulationszeitraumes in diesem Brunnen maximal auftretenden Schadstoffkonzentrationen stets oberhalb des behördlich definierten Grenzwerts für den Schadstoff VC liegen. Subsumierend muss daher festgestellt werden, dass unter Zugrundelegung der Berechnungsergebnisse der numerischen Modellierung, die Aufrechterhaltung des Betriebs des Wasserwerks II, zu einer nachhaltigen Verunreinigung des 2. und 3. GW-Stockwerks mit Stoffen wie cis 1,2 DCE sowie VC führen wird. Trotz des nachweislich stattfindenden natürlichen Abbaus der Schadstoffe, kann auf Basis der vorliegenden Prognosen die Durchführung bloßer MNA-Maßnahme die weitere Ausbreitung der Schadstoffe im Untergrund nicht verhindern. Da die Schadstoffe im Quellenbereich in Form von DNAPL vorliegen, weisen sie ein entsprechend langanhaltendes Emissionspotential auf sowie ein daraus resultierendes hohes Risiko für die im Liegenden der Schadstoffquelle anstehenden GW-Leiter. Möglicherweise kann eine ENA-Maßnahme durch Implementierung eines im Rahmen der Batch-Mikrokosmenversuche erfolgreich getesteten Auxiliarsubtrats zu einer Beschleunigung des Abbaus von VC beitragen und somit die Ausbreitung dieses gefährlichen Stoffes minimieren. Andernfalls kommt es in Zukunft zum Eindringen von VC in das wasserwirtschaftlich intensiv genutzte 3. GW-Stockwerk und schließlich zur Förderung schadstoffbelasteter Grundwässer die für Trinkwasserzwecke vorgesehen sind.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Deutsch)
Hydrogeologie numerische Modellierug Transportmodell
Autor*innen
Henning Wallner
Haupttitel (Deutsch)
Erstellung eines numerischen, reaktiven Multispezies-Massentransportmodells zur Gefährdungsabschätzung von Grundwässern an einem Industriestandort in Ostungarn
Publikationsjahr
2014
Umfangsangabe
450 S. : Ill., graph. Darst.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Hermann Häusler
Klassifikationen
30 Naturwissenschaften allgemein > 30.03 Methoden und Techniken in den Naturwissenschaften ,
38 Geowissenschaften > 38.86 Grundwasser ,
38 Geowissenschaften > 38.95 Umweltgeologie, Geoökologie
AC Nummer
AC12164150
Utheses ID
31614
Studienkennzahl
UA | 091 | 431 | |
Universität Wien, Universitätsbibliothek, 1010 Wien, Universitätsring 1