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Schon tausend Mal erzählt – (Meine) Elektra
Funktionalisierung eines Mythos von der Antike bis in die Gegenwart
Mirjam Eva Preineder
Art der Arbeit
Diplomarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Diplomstudium Theater-, Film- und Medienwissenschaft
Betreuer*in
Michael Gissenwehrer
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Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.35914
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-29672.62738.635559-6
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)

Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Der Atridenmythos war und ist ein beliebter Stoff auf dem Theater. Er wurde häufig dramatisiert, und dabei nicht nur interpretiert, sondern auch benutzt, um damit auf etwas Aktuelles Bezug zu nehmen und natürlich auch um sich künstlerisch zu messen. Die Dramatiker der Antike hatten alte mündliche Traditionen und epische Erzählungen, wie Homers Odyssee und Ilias, als Stoffgrundlage. Aischylos Orestie, eine Trilogie, ist das älteste erhaltene Drama, das den Muttermord erzählt. Auch wenn er eine Oresttragödie schrieb, und Elektra im Hintergrund bleibt, ist es die Grundlage aller folgenden Atridenerzählungen. Als politischer Autor nahm er Bezug auf die aktuelle Situation in Athen, insbesondere auf den Streit um den Areopag und auf das Bündnis mit Argos. 40 Jahre später folgten kurz hintereinander zwei weitere Dramen mit diesem Inhalt, jedoch wählten beide Elektra als Zentrum und Titel. Sophokles zeigt Elektras Leiden und ihren Hass, und ist damit vermutlich derjenige, der Elektra so charakterisierte, wie es bis heute überliefert ist. Euripides reagierte darauf, indem er dem Mythos neue Aspekte abgewann. Elektra ist mit einem Bauern verheiratet, jedoch jungfräulich, Klytämnestra wird aus dem Palast herausgelockt, Ägisth während eines Opfers am Land getötet. Elektras Triebfeder ist nicht die Liebe zu Agamemnon, sondern ihr eigenes Leid. Orest und Elektra bereuen danach auch ihre Tat und können nur vom Deus ex machina freigesprochen werden. Erst im 20. Jahrhundert wurde die Elektrafigur für Dramatiker wieder wichtig. Hofmannsthal nutzte in Elektra die Erkenntnisse Freuds und Breuers über die Hysterie für seine Elektra, deren Verhalten Ähnlichkeiten zu einem hysterischen Anfall zeigt. Nach dem Mord tanzt sie sich in den Tod, da für sie kein Weiterleben möglich ist. O’Neill verarbeitete Freuds Thesen zum Ödipus- und Elektrakomplex in seinem amerikanischen Bürgerkriegsdrama Mourning Becomes Electra. Hier sind Götterglaube und Schicksal durch Erbanlage und Psychoanalyse ersetzt. Für seine Elektrafigur Lavinia, als einzige Überlebende, gibt es keine Erlösung, sie muss ihre Schuld und die aller ihrer Familienmitglieder büßen. Jean Giraudoux schuf mit Électre ein Abbild der politischen Situation Frankreichs, basierend auf seinen philosophischen Gedanken. Seine Elektra überlässt in ihrem Wahrheitsfanatismus und Gerechtigkeitsstreben ihre Heimatstadt der Zerstörung durch die Feinde. Ägisth, dem das Wohl der Stadt am Herzen liegt, ist hingegen positiver gezeichnet. Hauptmanns Atridentetralogie zeigt eine düstere, blutrünstige Welt, aus der es kein Entkommen gibt. Die Menschen sind nur Werkzeuge der Götter, die den Muttermord verlangen. In ihrer Schuld, die sie auf sich laden, sind sie jedoch überfordert. Dies spiegelt Hauptmanns Erfahrungen im zweiten Weltkrieg. Koos Terpstra hingegen schuf 1999 mit Meine Elektra, aufgerüttelt durch den Kosovokrieg, einen Antikriegsappell, und ermahnt nicht wegzusehen, wenn Gräuel geschehen. Nebenbei thematisiert er die lange Erzähltradition des Elektramythos. Bei ihm gibt es kein eindeutig Gut und Böse, sondern jede Figur ist zwiespältig, Ägisth ist aus der Geschichte herausgenommen. Der Erzieher benutzt die Geschwister, um selbst Macht zu erlangen. Nowotny inszenierte 2009 dieses Stück mit einem Fokus auf dem Antikriegsappell. Mit der Gestaltung Orests spricht sie das Thema Kindersoldaten an. Elektra zeigt autoaggressive Tendenzen. Der Chor, bei ihr ein junger Mann, wird zum pazifistischen Kriegsverweigerer, welcher der Gewalt nicht entkommt.
Abstract
(Englisch)
The myth of Atreides was and is a popular subject in theatre. It was often dramatized, thereby not only interpreted but also used for referring to current issues and of course to measure themeselves artistically. The ancient playwright had old oral traditions and epic tales, like Homer's Odyssey and Iliad, as basis of matter. Aeschylus Oresteia, a trilogy, is the oldest surviving drama that tells the matricide. Although he wrote a tragedy about Orestes, and Electra remains in the background, it is the basis of all subsequent Atreides narrations. As a political writer, he made reference to the current situation in Athens, and in particular the dispute over the Areopagus and the alliance with Argos. 40 years on two dramas with this content followed in quick succession, but both chose Electra as center and title. Sophocles revealed Electra's sufferings and hatred, and is thus probably the one that characterized Electra as it is handed down to the present day. Euripides responded by extracting new aspects of the myth. Electra is married to a farmer, but a virgin, Clytemnestra is lured out of the palace, Aegisthus killed during a sacrifice on the country. Elektra's mainspring is not the love for Agamemnon, but her own suffering. Orestes and Electra thereafter repent their matricide and can be cleared only by deus ex machina. In the 20th century, the Electra figure again became important for playwrights. Hofmannsthal used the insights of Freud and Breuer on hysteria for his Elektra, whose behavior shows similarities to hysterics. After the murder, she dances herself to death because there is no survival possible for her. O'Neill processed Freud's theories on the Oedipus and Electra complex in his American Civil War drama Mourning Becomes Electra. He replaced belief in gods and fate with hereditary factor and psychoanalysis. For his Electra figure Lavinia, the only survivor, is no salvation, she has to suffer her fault and the ones of all her family members. Jean Giraudoux created in Électre an image of the political situation in France based on his philosophical thoughts. In her pursuit of truth and justice, Electra leaves her home town being destroyed by the enemies. Aegisthus, however, is more positive, the welfare of the city is near to his heart. Hauptmann’s Atridentetralogie shows a dark, bloodthirsty world from which there is no escape. Mortals only are tools of the gods who demand the matricide, later overwhelmed by guilt burdened on themselves. This reflects Hauptmann's experiences in World War II. Koos Terpstra, however, startled by the Kosovo war, created in 1999 Meine Elektra, an anti-war appeal, and admonished not to look away when atrocities happen. He also discussed the long narrative tradition of Electra’s myth. There is no plain good and evil, but each character is ambiguous. Aegisthus is taken out of the story. The educator uses the siblings to gain power himself. Nowotny put this piece 2009 on stage with a focus on the anti-war appeal. With the configuration of Orestes she discussed the matter of child soldiers. Electra shows auto-aggressive tendencies, the choir, here a young man, becomes a pacifistic war objector, who can not escape the violence.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Deutsch)
Elektra Aischylos Euripides Sophokles Hofmannsthal O'Neill Giraudoux Hauptmann Terpstra
Autor*innen
Mirjam Eva Preineder
Haupttitel (Deutsch)
Schon tausend Mal erzählt – (Meine) Elektra
Hauptuntertitel (Deutsch)
Funktionalisierung eines Mythos von der Antike bis in die Gegenwart
Publikationsjahr
2015
Umfangsangabe
170 S. : Ill.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Michael Gissenwehrer
Klassifikationen
24 Theater > 24.02 Theater: Allgemeines ,
24 Theater > 24.06 Theatergeschichte ,
24 Theater > 24.12 Regie, Dramaturgie
AC Nummer
AC12219571
Utheses ID
31832
Studienkennzahl
UA | 317 | | |
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