Detailansicht

Original pharmaceutical patents and human rights
is there a legal barrier to medication?
Carina Steindl
Art der Arbeit
Dissertation
Universität
Universität Wien
Fakultät
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Doktoratsstudium Rechtswissenschaften
Betreuer*in
René Kuppe
Volltext herunterladen
Volltext in Browser öffnen
Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.36365
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-29711.27744.598066-4
Link zu u:search
(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)

Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Die vorliegende Dissertation beschäftigt sich mit dem Konflikt zwischen patentrechtlichen Obligationen unter dem von der WTO im Jahre 1994 unterzeichneten TRIPS-Abkommen und dem Zugang zum Gesundheitssystem als Menschenrecht. Das TRIPS-Abkommen sieht die Verpflichtung für alle WTO-Mitgliedstaaten vor, Patente für pharmazeutische Produkte zu vergeben. Gemäß Artikel 28.1 (a) des TRIPS-Abkommens gewährt ein Patent seinem Inhaber das Recht, es Dritten zu verbieten, ohne die Zustimmung des Inhabers das Erzeugnis herzustellen, zu gebrauchen, zum Verkauf anzubieten, zu verkaufen oder zu diesen Zwecken einzuführen. Im Fokus dieser Arbeit stehen die mit Artikel 28 des TRIPS-Abkommens verbundenen Konsequenzen für die Pharmaindustrie und für die Bevölkerung in ärmeren Entwicklungsländern. Festzuhalten ist, dass aufgrund des kompletten Wettbewerbsausschlusses während der Patentdauer die Preise für Medikamente viel höher sind, als sie dies bei Vorhandensein eines freien Wettbewerbs wären. Die hohen Medikamentenpreise führen gleichzeitig dazu, dass der Bevölkerung in ärmeren Ländern, die im Allgemeinen am meisten betroffen sind von Krankheiten wie Malaria, Tuberkulose und HIV/Aids, der Zugang zu den für sie lebensnotwendigen Medikamente verwehrt bleibt. Das Thema meiner Dissertation hat momentan besondere Aktualität, zumal die letzte Übergangsfrist, die den am wenigsten entwickelten Ländern zur Umsetzung der relevanten TRIPS-Bestimmungen eingeräumt wurde, im Jahr 2021 abläuft. Darin begründet liegt auch der Umstand, dass die Entwicklung in den nächsten Jahren wegweisend für die Zeit nach Ablauf dieser Übergangsperiode sein wird. Die vorliegende Dissertation untersucht die Probleme, die sich aus dem Zusammentreffen zweier komplett unterschiedlicher Rechtsgebiete ergeben – dem System der Patentrechte auf der einen Seite und jenem der Menschenrechte auf der anderen Seite. Im ersten Teil der Arbeit wird zunächst ein informativer Überblick über die relevanten patentrechtlichen Bestimmungen des TRIPS-Abkommens sowie über die Institution der WTO geboten. Daran anschließend widme ich mich der Aufgabe, die unterschiedlichen Ansätze für eine Umsetzung der relevanten TRIPS-Bestimmungen in nationales Recht aufzuzeigen und zu analysieren. Die Analyse zeigt insbesondere, dass die Art und Weise der Umsetzung der relevanten TRIPS-Bestimmungen durch die einzelnen Mitgliedstaaten in nationales Recht eine besonders wichtige Rolle einnehmen, und gerade die Entwicklungsländer in diesem Punkt große Gestaltungsmöglichkeiten zu ihren Gunsten ausüben können. Weitere thematische Abfolge der Dissertation ist sodann die Darstellung und kritische Erörterung der unterschiedlichen Theorien, die die Pharmaindustrie entwickelt hat, um die hohen Medikamentenpreise zu rechtfertigen. Hauptaugenmerk liegt dabei auf der sogenannten “Incentive theory“ (zu deutsch “Anreiz-Theorie“), die davon ausgeht, dass Patente der Pharmaindustrie einen wichtigen Anreiz bieten, in Forschung und Entwicklung zu investieren, und dass ohne entsprechenden Anreiz für Investitionen durch die Pharmaindustrie keine neuen Medikamente entwickelt werden könnten. Meine Dissertation zeigt, dass diese Theorie nur ansatzweise korrekt ist und keinesfalls die ganze Wahrheit wiederspiegelt, zumal viele pharmazeutische Unternehmen beispielsweise mehr als zwei Mal so viel in Marketing als im Vergleich dazu in R&D investieren. In diesem Zusammenhang werden auch die Trends der letzten Jahre kritisch analysiert, wobei auffällt, dass die Ära der großen “Blockbuster“- Erfindungen, insbesondere Medikamente mit therapeutischem Nutzen für Entwicklungsländer, definitiv vorbei ist. Selbst Wirtschaftsanalyten raten pharmazeutischen Unternehmen dazu, nur noch kleine Schritte bei der Entwicklung von “neuen“ Medikamenten durch geringfügige Änderungen bereits bestehender Medikamente zu nehmen, zumal damit auch ein viel geringeres Risiko für die beteiligten Aktionäre verbunden ist. Im Fokus dieser Arbeit steht die Frage, wie pharmazeutische Unternehmen dazu gebracht werden können, wieder eine neue Ära von “Blockbuster“-Medikamenten einzuleiten, die für die Bevölkerung von Entwicklungsländern so wichtig wäre. Ein eigenes Kapitel wird den TRIPS-flexibilities gewidmet, welche die umfassenden Rechte der Patentinhaber in gewissen Aspekten zu Gunsten der Bedürfnisse in Entwicklungsländern limitieren. Den TRIPS-flexibilities wird sodann der jüngste und für Entwicklungsländer überaus gefährliche TRIPS-Plus-Trend gegenübergestellt, der in den letzten Jahren beobachtet werden konnte. Darunter versteht man die vermehrte Ausübung von Druck seitens westlicher Mitgliedstaaten auf Entwicklungsländer, bei der Umsetzung von TRIPS-Bestimmungen in nationales Recht Standards anzusetzen, die über die notwendigen TRIPS-Minimumvoraussetzungen hinausgehen. Es stellt nach wie vor für viele Entwicklungsländer eine große Herausforderung dar, diesem Druck standzuhalten und stattdessen an der so wichtigen Aufnahme entsprechender TRIPS-flexibilities Bestimmungen in nationales Recht festzuhalten. Im Anschluss daran werden anhand von zwei ausgewählten Case-studies (Big Pharma vs. South Africa; United States vs. Brazil) die vorher gewonnenen Erkenntnisse praktisch angewendet. Basierend auf dem im zweiten Teil dieser Arbeit bereiteten Überblick über das rechtliche Rahmenwerk des Zugangs zur Medizin als Menschenrecht, beschäftigt sich die vorliegende Dissertation auch mit der Frage, wer als Adressat von Menschenrechten überhaupt in Betracht kommt. In diesem Zusammenhang wird insbesondere auch der Frage nachgegegangen, inwiefern Menschenrechte im Allgemeinen und das Menschenrecht des Zugangs zur Medizin im Speziellen neben Staaten auch für die WTO und für pharmazeutische Unternehmen bindend sind. Hauptaugenmerk liegt dabei auf dem Aspekt der “Corporate social responsibility“ (zu deutsch: Unternehmerische Gesellschaftsverantwortung), der in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewann. Im Rahmen dieses Kapitels werden auch die einzelnen Umsetzungskonzepte kritisch analysiert. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Konzept der unternehmerischen Gesellschaftsverantwortung noch nicht ausgereift ist und zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch zahlreiche Defizite zu beobachten sind. Insbesondere basiert das gegenwärtige Modell ausschließlich auf dem freiwilligen Beitrag des einzelnen Unternehmens zu einer nachhaltigeren Entwicklung. Bezogen auf das Thema meiner Dissertation müssten demnach pharmazeutische Unternehmen dazu gebracht werden, freiwillig die Preise ihrer Medikamente im Sinne eines unternehmerischen verantwortlichen Handelns zu senken, um den Zugang zu Medikamenten zu gewährleisten. Im Zusammenhang mit den Unternehmensmotiven ist auch problematisch, dass viele Unternehmen nach wie vor “Corporate Social Responsibility“ nur aus ökonomischen Gründen betreiben und dabei überwiegend daran interessiert sind, ihr eigenes Image nach außen hin zu verbessern. Im dritten Teil meiner Arbeit beschäftige ich mich ausführlich mit dem Konflikt zwischen patentrechtlichen Obligationen unter dem TRIPS-Abkommen und dem Zugang zum Gesundheitssystem als Menschenrecht. In diesem Zusammenhang setze ich mich auch mit der Frage nach einer Hierarchie im internationalen Recht auseinander, wobei hierbei zwischen einer normativen und einer faktischen Hierarchie strikt unterschieden werden muss. Thematische Abfolge ist sodann die Auseinandersetzung mit der Rolle der Menschenrechte innerhalb des WTO-Regimes, wobei die Differenzierung zwischen dem Zuständigkeitsbereich der WTO auf der einen Seite und dem anwendbaren Recht auf der anderen Seite eine wesentliche Rolle spielt. Anschließend werden die jüngsten Entwicklungen der WTO in den vergangenen Jahren samt entsprechendem Einfluss auf den Zugang zur Medizin als Menschenrecht analysiert. Das letzte Kapitel wird den unterschiedlichen Ansätzen zur Lösung dieses Konflikts gewidmet, wobei im Mittelpunkt sämtlicher Lösungskonzepte immer die Notwendigkeit steht, den Menschenrechten einen höheren Status innerhalb des WTO-Systems einzuräumen.
Abstract
(Englisch)
This thesis deals with the conflict between patent law obligations under the TRIPS Agreement, which was signed by the WTO in 1994, and the access to medicine as a human right. The TRIPS Agreement established the obligation on all WTO members to provide patents for pharmaceuticals. According to Article 28.1 (a) of the TRIPS Agreement the patentee has the exclusive right “to prevent third parties not having the owner’s consent from the acts of: making, using, offering for sale, selling, or importing for these purposes that product“. The focus of the analysis lies on the consequences that are connected with this single article for the pharmaceutical industry on the one hand and for the population of developing and least-developed countries on the other hand. It should be noted, that due to a lack of competition, a patent implicates, that pharmaceutical products are in general more expensive than they would be if there was free competition. These higher prices for drugs are in general too costly for the vast majority of people in poor countries who are suffering from malaria, tuberculosis and HIV/Aids. The topic of my thesis is of particular relevance at this time because the last transitional arrangement developed by the WTO TRIPS Council allowed least-developed WTO members not to apply the provisions of the TRIPS Agreement until 2021. That is why the next few years will be pathbreaking for the time after the transitional period has expired. In summary, this thesis deals with the problems that result from the concurrence of two different fields of law, that of patent law and that of human rights. The first part of the thesis outlines the relevant patent law rules and gives a brief overview of the WTO as an institution. Subsequently, the next part is dedicated to the analysis, how the way of implementation of TRIPS into the legislation of developing and least-developed countries can influence the possible achievement of public health goals in a positive way. It is essential to note in this context, that members enjoy considerable latitude as to how they draft their patent laws. According to the thematic sequence, the thesis thereafter analyses several theories developed by the pharmaceutical industry with different basic approaches trying to justify the conflict between patent law and human rights law. The most popular theory is the so-called “Incentive theory“. According to that theory, patents are important because they promote research and development in the industry and therefore operate as an incentive for research. My thesis makes evident that the “Incentive theory“ seems to represent only partial truths and that the incentive impact alone does not automatically ensure the fastest possible R&D progress. Many surveys have shown that the amount reinvested into R&D by big pharmaceutical corporations is disproporionately small and that most pharmaceutical companies for instance tend to spend even two times more on marketing than they do on R&D. In this context the thesis critically analyses thereafter the trends of the last years. It is indisputable that the era of “blockbusters“ is definitively over. Even business analysts advice pharmaceutical companies to focus their businesses on less risky, smaller step progresses in order to foster the interests of their shareholders. The analysis focuses on the question, how pharmaceutical companies can be influenced into refocusing their businesses on the development of drugs with therapeutic gain and to start a new era of “blockbusters“. A separate chapter is dedicated to the examination of possible measures to protect public health goals, the so-called TRIPS-flexibilities. In the following part, the application of TRIPS-flexibilities and the so-called “TRIPS-plus trend“, that can be observed in recent time, are being contrasted with each other. TRIPS-plus can be described as an effort by Western countries to put pressure on developing and least-developed countries in order to achieve standards that go beyond the minimum requirements of TRIPS. It is important to note, that developing countries must be cautious about enacting TRIPS-plus legislation and are advised instead to establish a sophisticated system of TRIPS-flexibilities within the framework of their national patent law systems. Finally the thesis applies the obtained postulates to two specific judicial decisions (Big Pharma vs. South Africa; United States vs. Brazil). Based on an outline of the legal framework of access to medicine as a human right in the second part of my thesis, it is also necessary to take a close look at the possible addressees of human rights law. The focus of the analysis lies on the question, whether human rights duties are only binding for states or also for the WTO and for pharmaceutical companies in relation to access to drugs. The following part deals with the recent developments in the debate on “Corporate social responsibility“ and continues with a more detailed description of and comparison between the different legal frameworks. It should be noted, that there still are several deficits when it comes to the process of implementing “Corporate social responsibility“. For instance, it is problematic that at this juncture the whole system of “Corporate social responsibility“ only provides for voluntary conductings instead of legally enforceable obligations for pharmaceutical corporations. Relating to the topic of my thesis, this means that pharmaceutical companies must be influenced into reducing drug-prices voluntarily in terms of a corporate social responsible behaviour in order to guarantee access to medicine for the population of developing and least-developed countries. In terms of the motives of pharmaceutical corporations adopting voluntarily “Corporate social responsibility“, it is further problematic, that they do so primarily because of the influence of public denunciation and public expectations. The third part of my thesis is dedicated to a detailed discussion about the conflict between patent law obligations under the TRIPS-Agreement and the acess to medicine as a human right. In this context, the thesis also analyses the question regarding a hierarchy in international law and the distinction between a factual and a normative hierarchy. According to the thematic sequence, the thesis then analyses the role of human rights within the WTO regime. In this context, it is imperative to note that the question about jurisdiction must be sharply distinguished from the question about the applicable law. In a second to last step, the thesis takes a closer look at the previous WTO decisions and focuses in particular on the question, which consequences these newer WTO decisions implicate for the developing and least-developed world. As a very last point, the thesis analyses the possible solutions for solving the conflict between patent law obligations under the TRIPS Agreement and the access to medicine as a human right. It is noticeable that all solutions have a common goal, namely to give human rights a stronger status within the WTO system.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Englisch)
patent law obligations TRIPS-Agreement human rights access to medicine
Schlagwörter
(Deutsch)
Patentrechte TRIPS-Abkommen Menschenrechte Zugang zur Medizin
Autor*innen
Carina Steindl
Haupttitel (Englisch)
Original pharmaceutical patents and human rights
Hauptuntertitel (Englisch)
is there a legal barrier to medication?
Paralleltitel (Deutsch)
Patentrechte im Spannungsverhältnis mit dem Zugang zur Medizin als Menschenrecht
Publikationsjahr
2014
Umfangsangabe
VI, 183 S.
Sprache
Englisch
Beurteiler*innen
Siegfried Fina ,
Stefan Hammer
Klassifikation
86 Recht > 86.85 Menschenrechte
AC Nummer
AC12251854
Utheses ID
32234
Studienkennzahl
UA | 783 | 101 | |
Universität Wien, Universitätsbibliothek, 1010 Wien, Universitätsring 1