Detailansicht
Gewalt gegen "Islamisten"
der Fall der ägyptischen Muslimbruderschaft
Martina Schmidl
Art der Arbeit
Diplomarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Katholisch-Theologische Fakultät
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Individuelles Diplomstudium Religionswissenschaft
Betreuer*in
Wolfram Reiss
DOI
10.25365/thesis.36417
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-29604.71646.282566-6
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)
Abstracts
Abstract
(Deutsch)
Die vorliegende Arbeit bietet eine bisher in der Forschung relativ wenig beachteten Zugang zu
Gewalt und Religionen, nämlich jenen zu Gewalt an Religionen, nicht nur durch sie. Dies wird
am Beispiel der ägyptischen Muslimbruderschaft exemplifiziert. Dabei wird ein historischer
Abriss über die Geschichte der Bruderschaft von 1928 bis März 2014 geboten, unter besonderer
Berücksichtigung von Gewalt an Mitgliedern und Sympathisanten und Sympathisantinnen der
Muslimbruderschaft. Zudem wird Gewalt, die von der Organisation ausging, untersucht sowie
die jeweilige interne ideologische Haltung – offiziell und inoffiziell – im Laufe der Zeit
analysiert. Während die Muslimbruderschaft oftmals als Wiege radikaler islamistischer
Organisationen bezeichnet wird, ist sie selbst keine Verfechterin von Gewalt und postuliert
bereits seit über 30 Jahren Gewaltfreiheit.
Die Muslimbruderschaft wurde 1928 gegründet und bereits 20 Jahre später erstmals aufgelöst.
Nach einer kurzen erneuten Zulassung blieb die Organisation bis zum „Arabischen Frühling“
im Jahr 2011 verboten. Die Bruderschaft war keine der instigierenden Parteien des Aufstandes,
zählte jedoch rasch zu seinem organisatorischen Kern und war zentraler Nutznießer der
demokratischen Freiheiten, für die die Revolution kämpfte. Nach einem überwältigenden
Wahlsieg ließ die Popularität der Muslimbruderschaft beziehungsweise ihrer Partei, der
Freiheits- und Gerechtigkeitspartei, schon bald nach. Die Lebensumstände des Volkes wurden
nicht schnell genug verbessert, was einen Abfall der Beliebtheit der Organisation bereits bei
den Präsidentschaftswahlen 2012 bewirkte; zudem wurde ihre Regierungsarbeit durch
Überreste des gestürzten Regimes, das Militär und die Justiz behindert. Umgekehrt zeigte die
Bruderschaft mangelnde Kompromissbereitschaft für ein postrevolutionäres Umfeld und griff
mit autoritären Maßnahmen durch, nachdem sie die Präsidentschaftswahlen für sich
entschieden hatte. Dies war der Auftakt zu ihrem Fall – der präsidiale Erlass von November
2012 brachte die Menschenmassen wieder auf die Straße. Selbst nach der Aufhebung des
Dekrets kam das Land nicht zur Ruhe – auch die rasch durchgepeitschte und bereits im Vorfeld
sehr problematische Verfassung änderte nichts daran. Nach blutigen Unruhen, die nicht nur von
staatlicher Seite niedergeschlagen wurden, sondern in denen auch Muslimbrüder selbst Gewalt
ausübten, führten erneute Massenproteste zur Absetzung von Präsident Mursī. Die kurze Phase
der Legalität kam danach rasch zu einem Ende. Die Proteste gegen die Absetzung des
Präsidenten wurden übertrieben gewaltsam aufgelöst, woraufhin die zuvor von der
Muslimbruderschaft und anderen islamistischen Gruppen geschürte konfessionelle Spaltung in
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Gewalt umschlug, bei der insbesondere Kopten und Koptinnen Ziele der Angriffe waren. Zu
keinem Zeitpunkt änderte die Bruderschaft ihre offizielle Linie, obgleich ein Großteil der
Mitglieder sich offensichtlich nicht daran hielt. Nach der Klassifikation als Terrororganisation
im Dezember 2013 und unfairen Massenprotesten im Frühjahr 2014 sowie der Annahme einer
neuen Verfassung waren mehr Mitglieder der Bewegung inhaftiert als je zuvor und mehr
Muslimbrüder zum Tode verurteilt als in ihrer gesamten Geschichte. Das rigorose Vorgehen
gegen Sympathisanten und Sympathisantinnen führte zu vielen mehrjährigen Haftstrafen, die
teilweise in Berufung deutlich verschärft wurden.
Die detaillierte Schau der zentralen gewalttätigen Ereignisse der Muslimbruderschaft durch ihre
Geschichte hinweg ermöglichen es, die Geschehnisse von der Revolution bis in das Frühjahr
2014 besser zu verstehen und die Herausforderung an die Organisation, die diese neue Welle
der Unterdrückung mit sich bringt, besser zu verstehen. Der immer wieder aufflackernde
Generationenkonflikt, der sich besonders während der Revolution 2011 zeigte, ist auch nach
der Absetzung von Präsident Mursī der größte Grund zur Besorgnis – während die Organisation
selbst ihrer gewählten Gewaltlosigkeit verbunden bleibt, sind zunehmend Maßnahmen von
ihrer eigenen Seite nötig, um dies auch in der Überzeugung der Mitglieder weiterhin zu
verankern.
Schlagwörter
Schlagwörter
(Deutsch)
Islamismus Muslimbruderschaft Ägypten Gewalt
Autor*innen
Martina Schmidl
Haupttitel (Deutsch)
Gewalt gegen "Islamisten"
Hauptuntertitel (Deutsch)
der Fall der ägyptischen Muslimbruderschaft
Paralleltitel (Englisch)
Violence against "Islamists" ; the case of the Muslim Brotherhood in Egypt
Publikationsjahr
2015
Umfangsangabe
V, 235 S.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Wolfram Reiss
AC Nummer
AC12303943
Utheses ID
32283
Studienkennzahl
UA | 057 | 011 | |