Detailansicht
Kopenhagen auf Zeit
Lokalisierungen eines Zwischenraums
Lennert Pfeiffer
Art der Arbeit
Masterarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Masterstudium Europäische Ethnologie
Betreuer*in
Klara Löffler
DOI
10.25365/thesis.36915
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-30345.64464.459570-6
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)
Abstracts
Abstract
(Deutsch)
Am Beispiel von vier AustauschstudentInnen des Erasmus-Programms wird betrachtet, wie sich Menschen sowohl lebensweltlich als auch biografisch in einer temporären Umgebung verorten. Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit ist, dass für Personen innerhalb einer Gesellschaft, in der Mobilität für viele alltäglich geworden ist, die Kontinuität gewohnter Erfahrungswelten nicht länger als gegeben betrachtet werden kann und der oder die Einzelne sich zunehmend immer wieder neu verorten muss, wobei der eigene Platz in der Welt seine Ortsexklusivität verliert und lebensweltliche sowie biografische Lokalisierungen nicht selten über mehrere Orte zugleich erfolgen. Diese Mehrfachlokalisierungen können dabei sowohl ein gleichzeitiges Nebeneinander der jeweiligen Orte (multilokal) als auch ein ungleichzeitiges Nacheinander dieser (polytopisch) bedeuten.
Von besonderer Relevanz dabei ist, dass je nach individueller Konzeptionalisierung des jeweiligen Aufenthalts an mehreren Orten sich für den oder die EinzelneN ein eigener Raum mit spezifischer Eigenlogik eröffnet, welche sowohl Einfluss auf die alltägliche Lokalisierungspraxis als auch auf die biografische Lokalisierungspraxis sowohl vor Ort als auch über die Orte hinweg hat. So eröffnet der Erasmus-Aufenthalt als eine in Zügen an die idealistische Bildungsreise erinnernde, aber dennoch offene Reiseform den Studierenden die Möglichkeit, den eigenen Horizont zugleich zu erweitern als auch wie gewünscht umzusetzen, wobei die lebensweltlich-lebensgeschichtliche Relevanz des Ortes bzw. des Aufenthalts in Begriffen wie Add-On, Urlaub mit Verpflichtungen oder auch Zuhause sichtbar wird. Für die Lokalisierung an, zwischen und über die Orte hinweg werden dabei folgende Praxen als zentral erachtet: Zum Einen ist es die Alltagspraxis der Befragten. Diese ermöglicht die Aneignung und Integration des bis dahin Ungewohnten in gewohnte Sinn- und Deutungszusammenhänge in direkter Auseinandersetzung mit der Umwelt als Grundlage der Herstellung eines Umweltbezuges und der Erfahrung eigener Wirkmächtigkeit in der neuen Umgebung und damit die Erfahrung persönlicher Kontinuität am neuen Ort. Zum Anderen ist es die Erzählpraxis der Befragten. Diese ermöglicht die Erfahrung persönlicher Kontinuität über die im Erzählen erfolgende nachträgliche Ordnung bzw. Umdeutung des Erlebten entsprechend bestehender individueller Sinn- und Deutungszusammenhänge.
Empirische Grundlage der Arbeit stellt eine sechsmonatige qualitative Erhebung in Kopenhagen dar, bei welcher die vier Studierenden über ihr Semester hinweg mit Interviews sowie Mental Maps begleitet wurden, um so sowohl auf lebensweltlicher als auch biografischer Ebene den individuellen Lokalisierungsprozess am neuen Ort abbilden zu können.
Es zeigt sich, dass in beiden Lokalisierungssphären dem Wissen um die Temporalität des Aufenthaltes ein besondere Bedeutung zukommt. So bedingt es bestimmte Strategien der Aneignung der neuen Umgebung bei den Befragten und öffnet und schließt damit den Raum zur freien Entfaltung der eigenen Persönlichkeit zugleich, indem es bereits im Vorhinein eine spezifische biografische Konzeptionalisierung des Aufenthalts zwischen biografischem Add-on und vollwertigem Lebensabschnittsort bedingt, wobei auch deutlich wird, dass es, abhängig von den vor Ort gemachten Erfahrungen, im Erzählen der Studierenden zu einer laufenden Aktualisierung und Anpassung dieser Konzeptionalisierung kommt.
Außerdem wird die Bedeutung Kopenhagens und seiner lokalen Charakteristika, ob physisch- materiell oder bildlich-imaginär, für die jeweiligen Lokalisierungsstrategien deutlich, wobei zwischen Verortungen am Ort und über den Ort differenziert wird. So meint eine Lokalisierung am Ort die Möglichkeit zur Sicherstellung von persönlicher Kontinuität an einem Ort, ohne dass dessen spezifischer Charakter dabei von Bedeutung ist – ein Beispiel wäre die Möglichkeit zum Fortgehen: Zwar kann aufgrund der vorhandenen Bars oder Clubs solch eine Alltagspraktik trotz lebensweltlicher Variationen mehr oder weniger problemlos umgesetzt werden, doch bleibt der lokale Charakter, sofern vorhanden, irrelevant hierfür. Eine Lokalisierung über den Ort hingegen meint, dass lokale Spezifika zentral in und für die Verortungsprozesse werden – ein Beispiel wäre hier das Fahrrad fahren: als für Kopenhagen charakteristische betrachtete Alltagspraktik ermöglicht es in seiner Umsetzung die Anknüpfung an lokale Charakteristika und damit eine Verortung über den Ort. Darüber hinaus stellt sich außerdem die Frage nach einer Lokalisierung vor Ort, d. h. inwieweit Verortungen auf die Zeit in Kopenhagen beschränkt bleiben oder ob sie ihre temporär- lebensweltliche Gebundenheit verlieren und zum Teil der jeweiligen Person und damit orts- und zeitungebunden werden, doch muss diese aufgrund der begrenzten Ressourcen zunächst unbeantwortet bleiben.
Schlagwörter
Schlagwörter
(Deutsch)
Erasmus Kopenhagen Temporalität Lokalisierung Verortung Erzählen Zuhause Mobilität Bildungsreise
Autor*innen
Lennert Pfeiffer
Haupttitel (Deutsch)
Kopenhagen auf Zeit
Hauptuntertitel (Deutsch)
Lokalisierungen eines Zwischenraums
Publikationsjahr
2015
Umfangsangabe
II, 127 S.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Klara Löffler
Klassifikationen
73 Ethnologie > 73.06 Ethnographie ,
73 Ethnologie > 73.45 Einzelne soziale Gruppen, Außenseiter, Randgruppen ,
73 Ethnologie > 73.65 Bildung ,
73 Ethnologie > 73.79 Ethnologie: Sonstiges ,
73 Ethnologie > 73.87 Architektur, Bauen, Wohnen ,
73 Ethnologie > 73.99 Volkskunde: Sonstiges ,
74 Geographie > 74.05 Reisebeschreibungen, Geschichte des Reisens
AC Nummer
AC12288012
Utheses ID
32722
Studienkennzahl
UA | 066 | 823 | |