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Die Bevölkerungsentwicklung des Waldviertels vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart
Angelika Preissl
Art der Arbeit
Diplomarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Lehramtsstudium UF Geschichte, Sozialkunde, Polit.Bildg. UF Geographie und Wirtschaftskunde
Betreuer*in
Josef Ehmer
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DOI
10.25365/thesis.37780
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-29202.65304.185160-0
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)

Abstracts

Abstract
(Deutsch)
An Hand der Längsschnittanalyse der Bevölkerungsentwicklung im Waldviertel vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart konnte festgestellt werden, dass die Region auf Grund der verschiedensten Ursachen zu einer der Abwanderungsgebiete in der Monarchie und später in der 1. und 2. Republik zählte. Am Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts waren die Geburtenzahlen im Viertel ober dem Manhartsberg sehr hoch und die Abgeschiedenheit der Region verschonte sie Großteils von äußeren Einflüssen, wie Krankheiten oder auch kriegerischen Handlungen, wodurch die Sterberaten unter jenen von Niederösterreich lagen. Dieser demographische Spurt, ist jedoch eher als Aufholprozess zu sehen. Die Benachteiligung durch die natürlichen Gegebenheiten und die periphere Lage bestimmten in dieser Zeit die Bevölkerungsentwicklung nachhaltig. Im Lauf des 19. Jahrhunderts wurde aber eine weitere Größe bestimmend für die Bevölkerungsentwicklung, nämlich die (Proto-) Industrialisierung. Wirtschaftliche Einflüsse spielten zunehmend eine Rolle, Geburtenrückgänge und Abwanderung wurden spätestens ab der Mitte des 19. Jahrhunderts nicht mehr nur durch Versorgungskrisen in der Landwirtschaft ausgelöst, politische oder wirtschaftliche Krisen veranlassten die Menschen dazu weniger Kinder in die Welt zu setzen oder ihren Wohnort zu verlagern. Im Waldviertel nahm ab dem Ende des 19. Jahrhunderts die räumliche Mobilität der Menschen zu und es setzte jene Entwicklung ein, die die nächsten mehr als 100 Jahre bestimmend für die Bevölkerungsentwicklung der Region sein sollte. Das Waldviertel wurde zur Arbeitskräfteperipherie der Zentralräume. Zwar lagen die Geburtenzahlen in den meisten Waldviertler Bezirken bis zum Babyboom der 1960er Jahre (in Zwettl sogar darüber hinaus) über dem niederösterreichischen Durchschnitt, so bewirkten die Wanderungsverluste eine zunehmende Schrumpfung der Bevölkerung. Diese Entwicklung hinterließ nachhaltige Veränderungen in der Altersstruktur der Wohnbevölkerung des Waldviertels, die jüngeren Jahrgänge waren durch die hohen Geburtenzahlen gut besetzt, aber an den mittleren Jahrgängen sah man das Ausmaß der Abwanderung. So wurde die Bevölkerung des Waldviertels nach und nach ausgedünnt und zusätzlich auch älter. Eine Abschwächung der Wanderungsverluste stellte sich erst ab den 1990er Jahren ein, nun wurden negative Geburtenbilanzen, die sich nun im ganzen Waldviertel durchgesetzt hatten, zum dominierenden Merkmal des Rückgangs der Bevölkerung. Neben dem allgemeinen Trend zu sinkenden Geburtenzahlen, ist jedoch bei der Entwicklung im Waldviertel auch anzunehmen, dass auf Grund der Abwanderung, die reproduktionsfähigen Jahrgänge so geschrumpft sind, dass auch deshalb weni-ger Kinder geboren werden. Ab 1920 war ein ausschlaggebender Faktor für die Abwanderung, die Randlage in der Republik Österreich. Nach dem 2. Weltkrieg verschärfte sich die Lage noch ein-mal durch die Errichtung des Eisernen Vorhangs, wodurch die Region an den Rand der westlichen Einflusssphäre rückte. Ebenso wurde die Bevölkerungsentwicklung von der wirtschaftlichen Entwicklung beeinflusst. Auch wenn das Waldviertel in wirtschaftlichen Expansionsphasen immer wieder durch Ansiedlung von Fabriken und einer Erhöhung des Absatzes profitierte, sind diese Entwicklungen vor dem Hintergrund zu sehen, dass sie gesteuert von außerhalb der Region passierten. Standorte, die im Aufschwung profitabel waren, wurden in Krisenzeiten genauso schnell wieder geschlossen, wie sie aufgebaut wurden. Eine wirtschaftliche Dynamik aus bzw. in der Region selbst konnte sich kaum entwickeln. Mit dem Ende des Kalten Krieges, dem Fall des Eisernen Vorhanges und dem Beitritt zur Europäischen Union rückte das Waldviertel wieder ins Zentrum von Europa und man erhoffte sich dadurch auch positive Effekte für die Region. Es konnten zwar viele Projekte, zum Teil grenzüberschreitend verwirklicht werden, doch der wirtschaftliche Nachholprozess, den man sich erwartet hatte, trat nicht ein. Bis heute werden im Waldviertel viele Schritte gesetzt, um die Abwanderung zu vermindern und Zuwanderung zu fördern. Diese Initiativen bewirken aber oft nur, dass Menschen von einem Ort im Waldviertel in einen anderen gelockt werden, wodurch die Dörfer und Städte in einem Konkurrenzkampf um Zuzug vor allem von jungen Familien stehen. Die negativen Auswirkungen der Bevölkerungsentwicklung der letzten etwa 150 Jahre haben im Waldviertel einen Zustand hinterlassen, in der die Bevölkerungsentwicklung nicht mehr nur Folge ist, sondern zum bestimmenden Merkmal der Region wird. Inwieweit dieser Prozess noch aufzuhalten ist bleibt fraglich, da er sich wie im Kapitel 4 beschrieben bereits auf viele Bereiche auswirkt. Es ist jedoch nicht so, als ob in den letzten Jahrzehnten nicht versucht worden wäre, das Waldviertel wirtschaftlich zu beleben, um die Bevölkerung durch die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Region zu halten. Zunächst setzte die Regionalentwicklung auf Gründungen von Tochterfirmen großer Unternehmen im Waldviertel. Gelockt wurden diese durch niedrige Grundstückspreise und andere finanzielle Erleichterungen bei Steuern und Abgaben. Es war aber nicht möglich die Unternehmen nachhaltig an den Standort zu binden, einerseits kamen vor allem Firmen aus Branchen, die im Waldviertel bereits vertreten waren, und so die einseitige Branchenstruktur noch verstärkten, andererseits verlegten die großen Unternehmen ihre Standorte in Zeiten gedämpfter wirtschaftlicher Entwicklung wieder weg aus der Region, an für sie profitablere. Danach wurde versucht durch ein eigenes Regionalmanagement Impulse in der Region für das Waldviertel zu setzten. Das Waldviertelmanagement kann auf erfolgreiche Initiativen zurückblicken und unterstützt bis heute ansässige Unternehmen, aber auch Landwirte und kreative Köpfe dabei ihre Produkte bekannt zu machen und zu vermarkten. Hier setzt man vor allem auf Nischenprodukte, da diese auf Grund ihrer Individualität auch in Konkurrenz zu billiger produzierenden Herstellern treten können, weil diese nicht die Qualität der Waldviertler Produkte erreichen. Zusätzlich versucht man das Waldviertel auch als Tourismus- und Wellnessregion zu vermarkten und so Gäste aus Österreich anzulocken. International ist das Waldviertel jedoch noch nicht so sehr bekannt, hier könnten aber Kooperationen mit benachbarten Regionen in Tschechien den Bekanntheitsgrad steigern. Eines der erfolgreichsten Projekte im Tourismusbereich stellt auf jeden Fall das Sole-Felsen-Bad in Gmünd dar, das 2006 eröffnet und 2010 um ein eigenes Hotel erweitert wurde. Seit der Eröffnung stieg die BesucherInnenzahl von Jahr zu Jahr und so konnte auch der Bezirk seine Nächti-gungszahlen deutlich steigern. Das touristische und kulturelle Angebot wurde in den letzten Jahren im ganzen Waldviertel stark ausgebaut und ist damit ein Fre-quenzbringer für die regionalen Gaststätten, Übernachtungsbetriebe und Gewerbe-treibende. Diese positiven Entwicklungen können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass nach wie vor mehr Menschen das Waldviertel verlassen als zuziehen und, dass die Altersstruktur der Bevölkerung eine große Herausforderung für die Zukunft darstellt. So stellt sich auch die Frage, ob das derzeitige Entwicklungsszenario im Waldviertel bezüglich Bevölkerungsentwicklung und Altersstruktur für andere Regionen oder gar Niederösterreich gesamt verallgemeinerbar ist und so Schritte die im Moment im Waldviertel gesetzt werden und gut funktionieren, auch für diese Regionen in Zukunft angewendet werden können. Dazu muss man sagen, dass die demographische Entwicklung der Region in den letzten Jahrzehnten sich deutlich von jener in Niederösterreich unterschieden hat, dennoch könnte vor allem der altersstrukturelle Aufbau der Bevölkerung ähnlich sein zur zukünftigen Entwicklung von wirtschaftlichen Randgebieten in Niederösterreich. Denn trotz Suburbanisierungstendenzen konzentriert sich die Bevölkerung zunehmend in den Städten und so könnten auch Regionen in Bedrängnis kommen, die im Moment noch nicht (so stark) von Abwanderung betroffen sind bzw. deren Bevölkerung derzeit durchschnittlich noch jünger ist, als jene des Waldviertels. Für einzelne Regionen in Niederösterreich und Österreich können manche Entwicklungen vorhersehbarer werden und Schritte, die im Moment im Waldviertel gesetzt werden, Vorbildfunktion haben, im positiven, wie im negativen Sinn. Als positive Beispiele sehe ich hier die Schaffung von betreuten Wohnungen für ältere Menschen, Schaffung von Alternativen für den eingeschränkten öffentlichen Verkehr und Raumordnungsmaßnahmen, die die Siedlungsgebiete kompakt halten und somit Kosten sparen. Auch wenn die Bevölkerung Niederösterreichs in den nächsten Jahrzehnten noch steigen wird, sind viele ländliche Gebiete schon jetzt oder in Zukunft von Schrump-fungsprozessen betroffen. In diesen Regionen, wie auch im Waldviertel, kann man nicht darauf hoffen, dass plötzlich wieder eine positive Wanderungsbilanz entsteht, sondern man muss versuchen mit den vorhandenen Mitteln diese Schrumpfungs-prozesse adäquat zu begleiten, um den Menschen in den Regionen trotzdem eine vernünftige Infrastruktur und ausreichend Versorgung zur Verfügung zu stellen.
Abstract
(Englisch)
Based on the longitudinal analysis of the demographics in the Lower Austrian region of Waldviertel it was found that there are many reasons for migration. At the End of the 18th century and the beginning of the 19th century the birth rates in the Waldviertel were very high and the isolation of the region secured it from outside influences as diseases or wars so the mortality rates were lower than in Lower Austria. Today this demographic sprint is seen as a catching process. Demographics were mainly influ-enced by natural features and the peripheral location. During the 19th century the (proto-) industrialization became more and more important for demographics. Supply crises were no more the cause of dropping birth rates or migration. At the End of the 19th century migration patterns changed and more people from the Waldviertel left the region to find work in the central regions. The birth rates were higher than in Lower Austria until the 1960’s but migration losses generated a shrinking population. The younger people left the region to get higher education or to find work. The ones who stayed primarily were older people. So the population of the Waldviertel gradually decreased and also became older than the population of Lower Austria or other regions. During the 1990’s migration losses lessened but because of the negative natural increase the population of the Waldviertel decreases until today. The request that the accession to the European Union would bring an economic catch-up process to the region and stop the population losses could not be met.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Deutsch)
Waldviertel Bevölkerung Bevölkerungsentwicklung Alterung Migration 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart
Autor*innen
Angelika Preissl
Haupttitel (Deutsch)
Die Bevölkerungsentwicklung des Waldviertels vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart
Publikationsjahr
2015
Umfangsangabe
124 S. : graph. Darst.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Josef Ehmer
Klassifikationen
15 Geschichte > 15.09 Wirtschaftsgeschichte ,
15 Geschichte > 15.60 Schweiz, Österreich-Ungarn, Österreich
AC Nummer
AC12300598
Utheses ID
33497
Studienkennzahl
UA | 190 | 313 | 456 |
Universität Wien, Universitätsbibliothek, 1010 Wien, Universitätsring 1