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Der "Stand der Technik" als Instrument des Umweltrechts
Alexander Forster
Art der Arbeit
Dissertation
Universität
Universität Wien
Fakultät
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Doktoratsstudium Rechtswissenschaften
Betreuer*in
Bernhard Raschauer
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Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.37979
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-30119.92483.358561-7
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)

Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Der Gesetzgeber bedient sich im Rahmen des Umweltrechts unterschiedlicher Technikklauseln, um den Maßstab für das Erlaubte und Gebotene festzulegen. Damit geht zum einen eine Entlastung der gesetzlichen Normsetzung einher, zum anderen wird auf diesem Weg eine Flexibilisierung der gesetzlichen Vorgaben erreicht. Im äußerten Fall kann bereits das, was jeweils technisch machbar beziehungsweise wissenschaftlich erforscht ist, zum Inhalt gesetzlicher Vorgaben erhoben und damit in den Dienst des Umweltschutzes gestellt werden, ohne dass es einer Novellierung der einschlägigen Bestimmungen bedürfte. Die Kehrseite dieser Regelungstechnik ist freilich die ihr immanente Unbestimmtheit, zumal der Inhalt der gesetzlichen Regelung selbst mit dem notwendigen Fachwissen nicht ohne weiters erkennbar ist. Um den Postulaten der Rechtssicherheit genüge zu tun, existieren unterschiedliche Ansätze an generellen Konkretisierungen: im Rahmen administrativer nationaler Rechtssetzung, durch Normierungen (nationaler und internationaler) privater Organisationen und auf dem Wege eines, in „Referenzdokumente“ mündenden, europäischen Informationsaustausches. Alle diese generellen Festlegungen bewegen sich in einem mehrdimensionalen Spannungsfeld, das durch die Dynamik der technischen und wissenschaftlichen Entwicklung und die vorausgesetzte Einzelfallbezogenenheit bedingt ist. Folglich kommen auch sie nicht umhin, für die notwendige Flexibilisierung vorzusorgen. Welche Technikklausel vom Gesetzgeber in einem konkreten Zusammenhang vorgesehen werden sollte, hängt von der Verortung ihres Einsatzgebietes zwischen Gefahrenschutz und Risikovorsorge ab. Der „Stand der Technik“, wie er in mehreren österreichischen Gesetzen heute weitgehend einheitlich definiert ist, wurde im Laufe der Zeit durch die Vorgaben des europäischen Industrieanlagenrechts geformt, indem eine Angleichung an die dort gebräuchlichen „besten verfügbaren Techniken“ erfolgte. In dieser Gestalt ist er durch mehrere relativierende Kriterien eingeschränkt, die einer überschießenden Maßstabsbildung vorzubeugen suchen. Aus dem unionsrechtlichen Hintergrund wird ersichtlich, dass damit ein Instrument des vorsorgenden Umweltschutzes geschaffen wurde; also eines, das nicht dort zum Einsatz kommen soll, wo es um die Abwehr konkreter, hinreichend wahrscheinlicher Gefahren geht, sondern dort, wo aus reinen Vorsichtsgründen eine möglichst weitgehende Reduktion der betrieblichen Emissionen erfolgen soll. Ein weiterer Einfluss aus dem europäischen Industrieanlagenrecht besteht darin, dass sich dieses nicht auf eine einmalige Ausrichtung der betrieblichen Tätigkeit am Stand der Technik beschränkt, sondern darüber hinaus eine regelmäßige Anpassung an den geänderten Maßstab fordert. Die dafür notwendige Revision des Genehmigungskonsenses steht in einem Spannungsverhältnis zum Schutz der Genehmigung unter dem Mantel der Rechtskraft. Freilich bot das gewerbliche Betriebsanlagenrecht bereits bisher Möglichkeiten, um die Rechtskraft zu durchbrechen, doch waren diese weitgehend auf den Bereich der Gefahrenabwehr beschränkt. Eine regelmäßige Anpassung des Konsenses aus reinen Vorsorgeerwägungen war in diesem Ausmaß nicht vorgesehen. Bei allen diesen Maßnahmen zum Zweck eines möglichst hohen Umweltschutzniveaus ist die Rolle der Öffentlichkeit entscheidend. Werden ihr weitgehende Kontrollrechte zugesprochen, die sich auch auf den Vorsorgebereich erstrecken, kann sie als Hebel und Katalysator zur Erreichung des gewünschten Umweltschutzniveaus wirken. Im Rahmen des gewerblichen Betriebsanlagenrechts besteht dagegen ein restriktiver Ansatz, der zu einem weitreichenden Ausschluss der Öffentlichkeit von der Geltendmachung (bloßer) Umweltrechtsverstöße führt. Vergleicht man diesen Status quo mit den internationalen und unionsrechtlichen Anforderungen, welchen Österreich zu entsprechen hat, muss der Befund an Übereinstimmung höchst zweifelhaft ausfallen.
Abstract
(Englisch)
To set the benchmark for what is allowed and what is prohibited in the context of environmental law, legislation employs various provisions that refer to technical standards (short “standards”). The positive effects of this approach are for one thing an easing of the legislative resources, for another thing a flexibilisation of the statutory provisions. What is technically feasible and has been investigated by science can be transformed to a legal requirement without amendment of the act in question. A major drawback of this approach is the vagueness of the statutory provisions, particularly since the interpretation requires substantive professional knowledge. In order to provide legal certainty, various general determinations exist, which aim to specify the content of the clauses: there are national administrative regulations, standardisations of national and international private organisations and specific “reference documents”, which are the result of a continuous European information exchange process. All of these general determinations have to satisfy conflicting demands conditioned by the dynamic of the technical and scientific progress and the need to evaluate individual projects. Thus, also general determinations need to ensure a certain extent of flexibilisation. Which type of standard should be referred to in a specific context is up to the function it is supposed to serve. This can either be the prevention of hazards or the precautionary principle. The “state of the art”-clause, as it is defined in several Austrian laws, has been extensively harmonised with the provisions of the European regulations for industrial facilities that use the term “best available techniques”. In this adapted version the “state of the art” is defined by criteria aiming to limit the standard. Bearing in mind the context of European legislation it is evident that also the Austrian benchmark is within the means of the precautionary principle. It does not aim to prevent concrete and sufficiently probable hazards, but to reduce emissions as far as possible for precautionary purposes. A further influence of European legislation is the necessity to update the permit conditions, which in Austrian understanding are rather static. According to the Industrial Emissions Directive the conditions should be reconsidered regularly in order to take account of technical developments in the best available techniques or other changes to an installation. This demand is basically inconsistent with the legal force in the Austrian legal system. Even though the permit conditions were alterable to some degree within the Austrian Industrial Code, this was limited to the prevention of hazards. An alteration of the legal force only for precautionary purposes to such an extent was unknown to the Industrial Code and other laws so far. With regard to all of the described measures public participation in decision-making and access to justice in environmental matters is crucial to achieve the required environmental standard. Yet within the Austrian Industrial Code the rights of the public to argue violations against environmental law are limited. In other words, with respect to emission reductions for mere precautionary purposes the public concerned has no legal standing. It is highly questionable that this system is consistent with the obligations of Austria set by international and European law.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Englisch)
environmental law state of the art best available techniques
Schlagwörter
(Deutsch)
Umweltrecht Stand der Technik Beste verfügbare Techniken
Autor*innen
Alexander Forster
Haupttitel (Deutsch)
Der "Stand der Technik" als Instrument des Umweltrechts
Paralleltitel (Englisch)
The "state of the art" in the context of environmental law
Publikationsjahr
2015
Umfangsangabe
343 S.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*innen
Daniel Ennöckl ,
Wolfgang Wessely
Klassifikation
86 Recht > 86.83 Öffentliches Recht: Sonstiges
AC Nummer
AC12722615
Utheses ID
33674
Studienkennzahl
UA | 783 | 101 | |
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