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Sozialhistorische Entwicklung der Wiener Rudervereine von 1860 bis 1930
Nikolaus Holletschek
Art der Arbeit
Diplomarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Zentrum für Sportwissenschaft und Universitätssport
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Lehramtsstudium UF Geschichte, Sozialkunde, Polit.Bildg. UF Bewegung und Sport
Betreuer*in
Rudolf Müllner
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Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.38000
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-29059.58496.924463-1
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)

Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Der Rudersport hat in Österreich große Tradition und so zählt der Österreichische Ruderverband (ÖRV) mit dem Gründungsjahr 1891 neben dem Alpenverein (1862) zu den ältesten Sportverbänden des Landes. Vereine wie der Wiener Ruderclub LIA gehören zu den ersten Sportvereinen innerhalb Donaumonarchie. Viele wurden bereits vor 1880 gegründet und können so auf eine lange historische und gesellschaftliche Entwicklung zurückschauen. In dieser dokumentieren sich soziale und politische Veränderungen ebenso wie zeitgenössisches Gedankengut und Ideologien. Die in dieser Arbeit untersuchten Vereine sind der „Erste Wiener Ruderverein LIA“, der „WRC Pirat“, der „WRV Donauhort“ sowie die Vereine „Alemannia“ und „Normannen“ aus der unmittelbaren Umgebung Wiens. Die vorliegende Arbeit fragt nach den Veränderungen des Rudersports, seiner sozialen Zusammensetzung sowie seiner gesellschaftlichen Bedeutung am Ende des 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Eine zentrale Rolle für die sozialen Distinktionsmechanismen im Rudersport spielt dabei die Amateurdebatte. Das lag unter anderem daran, dass diskriminierende Amateurparagraphen untere soziale Klassen wie Arbeiter und Handwerker direkt vom Rudersport ausschlossen. Das muss als einer der wichtigsten Mechanismen sozialer Distinktion im Rudersport festgehalten werden. Unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg erlebt das Rudern allerdings einen starken Aufschwung, da es zur Neugründung vieler kleinerer Vereine kam, die von Anfang an durch eine starke leistungssportliche Orientierung geprägt waren (Normannen z. B.). Die alten Vereine wurden dadurch stärker unter Druck gesetzt und benötigten mehr Mitglieder und finanzielle Mittel, um konkurrenzfähig zu bleiben. Dies trug indirekt zu einer Senkung der sozialen Schranken bei, ersichtlich auch am leichten Rückgang der Mitgliedsbeiträge. Eine Gruppe, der der Eintritt in den Rudersport in Österreich allerdings noch längere Zeit verwehrt bleiben sollte, waren die der Frauen. Die Entwicklung verlief um einiges langsamer als in Deutschland, England oder anderen europäischen Staaten und zeigt einen direkten Zusammenhang mit gesamtgesellschaftlichen Emanzipationsbestrebungen der Frauen. Der Frauensport selbst entwickelte sich aus den Leibesübungen für Mädchen, wurde aber lange Zeit nur als Modeerscheinung angesehen und nicht wirklich ernst genommen. Die kriegsbedingte Abwesenheit der Männer zwischen 1914 und 1918 war aus emanzipatorischer Sicht hilfreich, da viele Frauen selbst einen Beruf außerhalb der häuslichen Tätigkeiten ergreifen mussten. Viele Männer sahen dadurch aber die traditionellen Rollenbilder sowie ihre Domänen gefährdet und argumentierten daher gegen eine sportliche Betätigung der Frauen. Zugang zum Rudersport in Wien erhielten die Frauen aber (außer in Ausnahmefällen) erst nach 1945. Es wird deutlich, dass die Ruderer in Wien zwischen 1860 und 1930 durchwegs höheren sozialen Schichten entstammten. Dies wird mit Blick auf die hohen Mitgliedsbeiträge, die beachtlichen Summen, die in den Aufbau der Vereinsinfrastrukturen investiert wurden, die archivarischen Bestände über Berufsgruppen sowie die gesellschaftliche Bedeutung von Festen und Veranstaltungen der Ruderszene deutlich. Eine zentrale Rolle bei der Entwicklung des Ruderns kam, wie anhand der Berichterstattung gezeigte werden konnte, der Allgemeinen Sportzeitung (ASZ) von Sportpionier Victor Silberer zu. Dieser propagierte stets den Rudersport und bot eine Plattform zum Austausch mit anderen Vereinen aus dem In- und Ausland, was der Vernetzung und Internationalisierung des Ruderns sehr dienlich war. Klar wird, dass soziale Distinktionsmechanismen, importiert durch die Ideale der englischen „sports“ von Beginn an, ein wichtiger Teil des Rudersports in Wien waren. Gesellschaftlich beeinflusst durch den Abgrenzungskampf der bürgerlichen Klassen nach unten, kann der Rudersport als ideales Beispiel für soziale Dynamiken im Sportsektor einer Gesellschaft dienen, die durch vertikale Schichtmodelle maßgeblich geprägt war. Zwischen 1860 und 1930 erfuhr diese jedoch immer größere, horizontale Differenzierungen. Diese fanden auf Berufs – und Einkommensebene sowie auf der Geschlechterebene statt. Den vornehmlich bürgerlich–traditionell geprägten Rudervereinen fiel es dabei oft schwer, sich mit veränderten Rollenbildern und neuen gesellschaftlichen Dynamiken auseinander zu setzen, da man die etablierten Gesellschaftsmodelle und mit ihnen die soziale Ordnung gefährdet sah. Dadurch erklärt sich auch das ablehnende Verhalten gegenüber Frauen und niedrigeren sozialen Klassen. Dies trug dazu bei, dass die tatsächliche gesellschaftliche Öffnung des Rudersports hin zum Breitensport bis nach 1945 andauern sollte.
Abstract
(Englisch)
Rowing has a long tradition in Austria and the Austrian Rowing Association (ÖRV), founded in 1891 is, together with the Association of Mountaineering (1861) one of the country’s oldest sport associations. Rowing clubs like “LIA” were among the first clubs to come into existence in the Austro- Hungarian monarchy. Many of them were founded before 1880 and are proud to look back to a long political and social development in which changes of society, contemporary thinking and ideological believes become evident. These facts make the social history of rowing in Vienna an interesting subject for historical research. Clubs analyzed in this thesis are the “Erste Wiener Ruderverein LIA“, “WRC Pirat” , “WRV Donauhort” as well as the clubs “Alemannia” and “Normannen”, which are based closely to Vienna. This work is interested in the changes in rowing, its demographic profile and its meaning for society on the transition of the Nineteenth to the Twentieth century in Vienna. The so–called “amateur debate” was of great importance to the mechanisms of social distinction in rowing. Discriminating regulations, like in many other sports later, were established to keep the lower social part of the population like the working class, as well as small craftworkers out of the sport. This would turn out to be a main problem throughout the whole development of rowing. On the eve of World War I rowing in Vienna grew in popularity due to the founding of many new, smaller clubs. These were mainly focused on success in the races, rather than being social gathering places for the rich and new middle-classes as it happened in the already established clubs, mostly founded in the middle of the Nineteenth century – thus putting the latter under pressure to gain more members and financial support to be able to stay competitive in the races. This led to a lowering of social and financial barriers for entering the clubs, evident in the decrease of entry fees and the cost of monthly membership subscriptions. One group who weren’t allowed to the oars for a long time were women. Women’s rowing in Austria developed a lot much slower than in Germany, the United Kingdom and other European nations, and relates directly to the social emancipation movement of women in general. Women’s sport itself generated from the physical education for girls movement, however, for a long time was only seen as a passing trend and wasn’t taken seriously by the majority men. Still, the absence of men at the front between 1914 and 1918 helped many women to gain independence by giving them opportunities in the workforce away from their household duties. At the same time some clubs started to allow women into their ranks because they desperately needed the subscription money to keep their activities afloat. Many men were appalled by the women entering in their “territories” and saw the traditional gender roles and with them the entire social order threatened. This is why they fought against the idea of women in competitive sports, often using crude, pseudo – scientific arguments. And so women in Viennese rowing clubs would still stay a rare exception until 1945. Judging by the documents contained in the archives of the Viennese clubs it becomes clear that the oarsmen on the Danube between 1860 und 1930 generally came from the higher social classes. This theory is supported by evidence of high membership fees, the extraordinary high sums the clubs invested in building up their infrastructure and houses, as well as by the accounts about the professions of the men involved in the rowing clubs. In addition to this the great importance of social events and celebrations held by the rowing clubs in the upper class society of Vienna proves a well-funded and highly connected socioeconomic background. Another essential part in the development of rowing in Vienna was played by the upcoming mass media above all in the newspapers. The “Allgemeine Sportzeitung” a weekly newspaper on all matters of “modern sports”, published by sports visionary Victory Silberer was of great aid to the rowing clubs. Since Silberer was a rower himself and also chairman of the Viennese racing committee, he provided the sport with a great medial presence as well a platform of communication with Clubs from other countries. This helped to boost the popularization and internationalization of rowing in Austria. Conclusively it can be stated that the mechanisms of social division, imported by the ideals of the English “gentlemen sports”, played an important part in the social history of rowing in Vienna. With this in mind, rowing in Vienna, influenced by the class struggle of the bourgeois towards the working class, can be seen as a good example for the social dynamics in the field of sports in a society dominated by a vertical class model. Between 1860 and 1930 the influences of horizontal distinctions became stronger, showing its affects in gender issues as well as on the level of earnings and incomes. The mainly bourgeois rowing clubs had a hard time adapting to the transformations in socio-economic as well as gender roles and social dynamics because they saw their ideal of society threatened. This explains their negative attitude towards women and lower social classes and can be made out to be a main reason why the establishment of rowing on a broader, more open level of the society in Vienna took place only after 1945.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Englisch)
Rowing clubs Vienna history of sports social distinction industrialization amateur debate social elites gentlemen women women sports Austria Germany England
Schlagwörter
(Deutsch)
Rudern Vereine Wien Sportgeschichte Soziale Distinktion Industrialisierung Amateurdebatte Elitensport Gentlemen Frauen Frauensport Österreich Deutschland England
Autor*innen
Nikolaus Holletschek
Haupttitel (Deutsch)
Sozialhistorische Entwicklung der Wiener Rudervereine von 1860 bis 1930
Paralleltitel (Englisch)
Social historical development of the Viennese rowing clubs from 1860 to 1930
Publikationsjahr
2015
Umfangsangabe
IV, 122 S. : Ill.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Rudolf Müllner
Klassifikationen
15 Geschichte > 15.08 Sozialgeschichte ,
71 Soziologie > 71.11 Gesellschaft ,
76 Sport > 76.01 Geschichte des Sports, der Freizeit und Erholung ,
76 Sport > 76.11 Sportsoziologie, Sportpsychologie ,
76 Sport > 76.50 Vereinsleben
AC Nummer
AC12306059
Utheses ID
33694
Studienkennzahl
UA | 190 | 313 | 482 |
Universität Wien, Universitätsbibliothek, 1010 Wien, Universitätsring 1