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The right to be forgotten
Analysis of European media discourses on the EU data protection policy
Marketa Hessova
Art der Arbeit
Magisterarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Fakultät für Sozialwissenschaften
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Magisterstudium Publizistik-u.Kommunikationswissenschaft
Betreuer*in
Katharine Sarikakis
DOI
10.25365/thesis.38517
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-30196.09073.538163-0
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)
Abstracts
Abstract
(Deutsch)
Aufgrund des zunehmenden Einsatzes von Kommunikationstechnologien und der neusten Datenrevolution im Internet steht der Datenschutz in der heutigen Gesellschaft vor zahlreichen Herausforderungen. Die Privatsphäre, die als Eckpfeiler der modernen Demokratie (vgl. Morozov, 2013) anerkannt worden ist, scheint von Überwachungstechniken, Social Media, und der allgegenwärtigen Datensammlung, die zu einem natürlichem Bestandteil des gesellschaftlichen Alltags geworden sind, untergraben zu werden. Vor diesem Hintergrund wird die langsam verschwindende Privatsphäre von Mills (2008) als "lost privacy" beschrieben.
Im Hinblick auf diese Entwicklungen haben die europäischen PolitikerInnen anerkannt, dass der Schutz der Privatsphäre im digitalen Zeitalter neu definiert werden muss und daraufhin im Jahr 2012 eine neue Datenschutz-Grundverordnung, die im Artikel 17 das "Recht auf Vergessen" umfasst, vorgestellt.
Der theoretische Teil befasst sich mit Begriffsdefinitionen der Kernkonzepte, wie Privatsphäre, persönliche Daten und Politikgestaltung in der EU, die die theoretische Grundlage der Analyse darstellen. Mit Hilfe der gegenwärtigen wissenschaftlichen Literatur wird eine Übersicht der verschiedenen Konzepte der Privatsphäre geschaffen, um zu zeigen, dass die Idee der Privatsphäre in keiner einheitlichen Definition festgelegt und zusammengefasst werden kann. Ferner hängt die Definition von der Perspektive ab aus der sie untersucht wird (vgl. Solove, 2008). Unter Annahme dieser Definition von Privatsphäre wird die Aufmerksamkeit auf die EU-Gesetzgebung als eine Domäne, in der die Privatsphäre für die Bedürfnisse der modernen Gesellschaft verhandelt wird, konzentriert.
In diesem Zusammenhang scheint die Rolle der Medien in dem Prozess der EU-Politikgestaltung entscheidend zu sein, da sie eine Brücke zwischen den politischen Entscheidungsträgern und der Öffentlichkeit schaffen (vgl. Shanahan et al., 2008), und einen Beitrag zur Schaffung des öffentlichen Diskurses über das "Recht auf Vergessen" leisten. Die Analyse der medialen Repräsentation des politischen Entscheidungsprozesses lehnt sich an das Modell der Politikgestaltung als Zyklus an (vgl. Jann & Wegrich, 2007).
Das Ziel dieser Arbeit ist es, durch eine qualitative Analyse der Medienberichterstattung festzustellen, wie die Medien die Entwicklung und die Umsetzung des "Rechts auf Vergessen" darstellen und wie diese Prozesse möglicherweise einen Beitrag zur Definition der Privatsphäre in der heutigen Welt leisten können.
Für die vorliegende Arbeit wurde die Presse aus Deutschland und Großbritannien analysiert Diese wurden im Hinblick auf ihre Stellung innerhalb und unterschiedlichen Positionen zur EU ausgewählt. Während Deutschland als Anführer der Europäischen Union und auch des Europäischen Datenschutzstandards angesehen werden kann (vgl. Mahony, 2013), zeichnet sich Großbritannien durch seine widerstandsfähige Position gegenüber der Union aus, was auch anhand des geplanten Referendums über die Mitgliedschaft Großbritanniens in der EU gezeigt werden kann.
Das Forschungsziel fokussiert auf der einen Seite auf die Darstellung des Prozesses der Erstellung und Umsetzung des „Recht auf Vergessen“. Auf der anderen Seite konzentriert sich die Analyse auf mögliche Unterschiede innerhalb der Medien bezüglich Herkunft, politische Zugehörigkeit (rechte und linke politische Orientierung) und Art (Qualitäts- oder Boulevardmedien) der Zeitungen. Zu den ausgewählten Zeitungen zählen The Guardian, The Daily Telegraph, Daily Mail, Süddeutsche Zeitung, Die Welt und Bild.
Die qualitative Analyse des Forschungsmaterials wird von der Grounded Theory und der Kritischen Diskursanalyse laut Norman Fairclough inspiriert. Zur Analysierung der 404 Online- und Offlineartikeln werden die Codierungsmethode laut Charmaz (2014) angewendet, die eine Erstellung von Kategorien und Theorien, die sich direkt aus den Texten ergeben, ermöglicht. Durch einen dreistufigen Codierungs- und Analyseprozess werden die 1,808 offenen Codes in weiteren 126 abstrakten Codes organisiert, die den beiden Forschungsteilfragen: Darstellung des Entstehungsprozesses und Darstellung der Umsetzung des „Recht auf Vergessen“ zuzuordnen sind.
Daraufhin werden die Ergebnisse der Analyse in thematischen Gruppierungen innerhalb der einzelnen Kategorien diskutiert, darunter "Umgebung" und "Prozesse" in der Kategorie "Schöpfung" und "Die Erbringung der Entscheidung", "Merkmale der Umsetzung" und "Konsequenzen" in der Kategorie "Umsetzung". Der Analyseprozess wird durch methodische Werkzeuge der Kritischen Diskursanalyse wie Intertextualität, Annahmen, Metaphern, Wortwahl und grammatischen Begriffen wie Transitivität (vgl. Fairclough, 2003), geprägt.
In der Analyse wird gezeigt, wie Zeitungen eine Funktion als aktive Gestalter übernehmen, indem sie nicht nur die Informationsvermittlung sichern, sondern auch die Darstellungen der Politikgestaltung prägen. Medien konstruieren und bestimmen aktiv welche Bilder der Öffentlichkeit angeboten werden, die sich diese zum Verständnis des potentiellen Einflusses des „Recht auf Vergessen“ auf ihr Leben nutzbar machen können. Es wird festgestellt, dass der Prozess der Gestaltung und Konstruktion auf mehreren Ebenen parallel geschieht – die von grammatischen Formen hin zu komplexeren Bedeutungen reichen, die wir in unserer Kultur teilen, wie z.B. Metaphern.
Der EU-Entscheidungsprozess wird in zwei Kategorien des politischen Entscheidungszyklus untersucht - die Schaffung des Rechts und seine Umsetzung. Es wird gezeigt, wie die Darstellung verschiedener Akteure, institutioneller Prozesse und Zusammenhänge mit anderen Rechten, wie z.B. das Recht auf Redefreiheit, den Diskurs über das „Recht auf Vergessen“ in spezifische Weise beeinflussen kann. Am Beispiel der britischen Medien wird gezeigt, wie bereits vorhandene politische Ansichten in die Diskussion über das „Recht auf Vergessen“ eindringen, die damit oft kritische Elemente einer Debatte über die Autorität der EU einbringen. Darüber hinaus wird festgestellt, dass die Medien durch ihre Strategien der Argumentation und Rekontextualisierung Bedeutungen von Aussagen beeinflussen, die zunächst als journalistisches Angebot der Meinungsvielfalt angesehen werden, wie am Beispiel der Berichterstattung über die unterschiedlichen Einschätzungen des „Rechts auf Vergessen“ sichtbar wird.
Die mediale Darstellung über die Schaffung des “Rechts auf Vergessen“ eröffnet Fragen der Legitimität, der Machtbeziehungen sowie der politischen und wirtschaftlichen Strukturen in der EU. Dagegen konzentriert sich die Darstellung der Umsetzung des Rechts auf die Rolle der Industrie, insbesondere Google, und die Beziehung zwischen dem privaten Sektor und den europäischen Institutionen. Als Hauptthemen der Umsetzung werden die Diskussionen über die Wirksamkeit, die Verarbeitbarkeit und den potenziellen Effekt des Rechts auf die Redefreiheit identifiziert.
Der Mediendiskurs über das „Recht auf Vergessen“ wird durch eine Überschneidung von verschiedenen bereits bestehenden Diskursen, wie dem Diskurs über die EU Regulierung des privaten Sektors, dem Diskurs der wirtschaftlichen Interessen gegenüber den öffentlichen Interessen, und zum großen Teil vom Diskurs über die Monopolstellung von Google, charakterisiert.
Es werden Unterschiede zwischen den deutschen und den britischen Medien festgestellt. Daraus kennzeichnet sich der britische Diskurs als kritischer und skeptischer hinsichtlich des „Rechts auf Vergessen“ und weist eine abweisende Haltung gegenüber der Autorität der EU auf. Allerdings schien es den Medien misslungen zu sein die Komplexität der Definition von Privatsphäre im politischen Entscheidungsprozess der EU als ein Problem anzugehen welches auch andere als die politischen und wirtschaftlichen Akteure der Gesellschaft miteinbezieht.
Abstract
(Englisch)
Privacy has been facing numerous challenges in today’s society, which can be contextualised within the increasing use of digital communication technologies and the recent data revolution. The private sphere, which has been recognized as a cornerstone of modern democracy (Morozov, 2013), appears to be disrupted by surveillance techniques, social media, and omnipresent data collection that have become a natural part of everyday social life. In this light, privacy is described as disappearing and resulting in what Mills (2008) calls “lost privacy”. With regards to these developments, the European policy-makers have announced the need to redefine privacy protection for the digital age and have introduced the new General Data Protection Regulation in 2012, which includes in its Article 17 the “right to be forgotten” (RTBF).
The theoretical part deals with the conceptual definition of the core concepts, such as privacy and private data and policy-making in the EU, that create the theoretical basis of the analysis. Various concepts of privacy as discussed in the contemporary scholarly literature are introduced in order to show that the very idea of privacy cannot be fixed in one single definition. Moreover, its definition depends on the perspective from which it is studied (Solove, 2008). Assuming this character of the privacy concept, the attention is focused on the EU policy-making as a domain, where privacy is to be negotiated for the needs of the modern society.
In this context the role of media in representing the process of policy-making seem to be crucial, since they create a bridge between the policy-makers and the public (Shanahan et al., 2008) and contribute to the creation of the public discourse about the “right to be forgotten”. The analysis of the media representation of the policy-making process leans on the model of policy-making as a cycle (Jann & Wegrich, 2007).
The aim of this thesis is to analyse how newspapers represent the development and the recent implementation of the “right to be forgotten” and how this potentially contributes to the definition of privacy in today’s world. Press media from two different countries, the UK and Germany, have been included. These were selected with regards to their differing positions within and towards the EU. Whereas, Germany represents the European leader, also in the data protection standards (Mahony, 2013), the UK is characterized by its resistant position towards the Union, which can be demonstrated by its planned referendum of Britain’s membership in the EU (EU referendum, 2015).
The research objective focuses, on one hand, on how the policy-making process is represented as a process of creation and implementation of the RTBF policy. On the other hand, the analysis is also attentive of the potential differences within the media coverage with regards to the origin, political affiliation (left, right) and the type (quality, tabloid) of the newspapers. The sample consists of The Guardian, The Daily Telegraph, Daily Mail, Süddeutsche Zeitung, Die Welt and Bild.
The qualitative analysis is inspired by the Grounded Theory and the Critical Discourse Analysis according to Norman Fairclough. In order to analyse the total 404 online and offline articles, the coding process is based on the method of Charmaz (2014), which enables to use the media coverage as a fundamental basis for creating categories and theories stemming from and being grounded in the research material. Through a three-stage coding and analysis process the 1,808 initial codes are clustered in 126 abstract codes referring to the two research subquestions – representation of the creation process and representation of the implementation of the RTBF. The findings of the analysis are then discussed in thematic groupings within each category, including “Environments” and “Processes” in the category “Creation”, and “Execution of the ruling”, “Characteristics of the implementation” and “Consequences” in the category “Implementation”. The process of analysis is motivated by tools of the Critical Discourse Analysis such as intertextuality, assumptions, metaphors, wording, and grammatical concepts as transitivity (Fairclough, 2003).
The analysis shows how newspapers function as active players in not only mediating but also shaping the representations of the policy-making. Media actively construct and determine the pictures the public gets as a tool to understand how the RTBF policy can influence their lives. This constructing and shaping is identified as happening on multiple levels – reaching from grammatical forms to more complex meanings shared in our culture, such as metaphors. The policy-making process as studied in two categories of the policy-making cycle – the creation of the policy and its implementation – shows how the representation of different actors, institutional processes, and legal contexts of other rights, such as the freedom of speech, influences the discourse about the RTBF in specific ways. At the example of the British coverage, it is shown how already existing political views, penetrate the discussion about the RTBF, which often integrates critical elements of a debate about the authority of the EU. Moreover, it is observed, how media through their strategies of argumentation and recontextualisation influence meanings of statements that were initially perceived as journalistic offers of diversity of opinions, such as in the case of reporting about the different assessments of the RTBF.
The representation of the policy’s creation opens questions of legitimacy, power relations and political and economic structures shaping the processes in the EU, the representation of the implementation, on the other hand, focuses on the role of the industry, especially Google, and the relationship between the private sector and the European institutions. Especially, the discussions about RTBF’s effectiveness, its workability, and its potential effect on the freedom of speech, are identified as the main forces shaping the representation of the implementation.
The media discourse on the RTBF is characterised by an intersection of various, already existing discourses, such as discourse of the EU regulating private sector, discourse of economic interests versus public interests, and from a great part by the discourse about the monopolistic Google. Certain distinctions are identified in the German and the British media. The British discourse is assessed as more critical and sceptical of the new right and as being shaped by an opposing attitude towards the EU’s authority. However, the media seem to consequently fail to address the complexity of defining privacy within the policy-making process of the EU as a problem also involving other actors of the society than just political and corporate ones.
Schlagwörter
Schlagwörter
(Englisch)
privacy data protection right to be forgotten policy-making European Union discourse Grounded Theory qualitative analysis
Schlagwörter
(Deutsch)
Privatsphäre Datenschutz Recht auf Vergessen Politik Europäische Union Diskurs Grounded Theory Qualitativanalyse
Autor*innen
Marketa Hessova
Haupttitel (Englisch)
The right to be forgotten
Hauptuntertitel (Englisch)
Analysis of European media discourses on the EU data protection policy
Paralleltitel (Deutsch)
Das Recht auf Vergessen ; Analyse der europäischen Mediendiskurse über die EU-Datenschutzrichtlinie
Publikationsjahr
2015
Umfangsangabe
IX, 113 Seiten
Sprache
Englisch
Beurteiler*in
Katharine Sarikakis
Klassifikationen
05 Kommunikationswissenschaft > 05.20 Kommunikation und Gesellschaft ,
05 Kommunikationswissenschaft > 05.30 Massenkommunikation, Massenmedien: Allgemeines
AC Nummer
AC13032655
Utheses ID
34124
Studienkennzahl
UA | 066 | 841 | |
