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Die Entstehung der Sozialversicherung des österreichischen Notariates
ein Berufsstand auf dem Weg von der freiwilligen Selbstversicherung zur gesetzlichen Pflichtversicherung
Wolfgang Gabler
Art der Arbeit
Dissertation
Universität
Universität Wien
Fakultät
Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Dr.-Studium der Philosophie Geschichte
Betreuer*in
Gerhard Melinz
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Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.40100
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-30082.75740.565159-4
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)

Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Die Besonderheit bei der Entstehung der Sozialversicherung des österreichischen Notariates ist die Tatsache, dass es sich beim Notarversicherungsgesetz (NVG) des Jahres 1926 im Gegensatz zu den sonstigen Sozialversicherungsgesetzen des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts um ein geschlossenes berufsständisches Regelwerk handelt. Dieses sollte evidentermaßen Vorbildfunktion für mögliche Sozialgesetze anderer freier Berufe haben, blieb aber neben dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz (GSVG) des Jahres 1935 tatsächlich das einzige seiner Art, das in seiner Stammfassung sämtliche Sozialversicherungszweige regelte. Im Gegensatz zu den freien Berufsständen hatten die Notare ein vergleichsweise großes Interesse an einer sozialen Absicherung durch den Staat. Diese Einsicht resultierte aus den realen Lebensumständen der Notare und Notariatskandidaten, die für eine nicht geringe Zahl dieser über Jahrzehnte hinweg wirtschaftlich schwierig waren und blieben. Die teilweise prekäre Einkommenssituation verhinderte gleichzeitig für lange Zeit die Realisierung eines entsprechenden Sozialversicherungsgesetzes, weil man befürchtete, dass viele Standesmitglieder die Prämien für eine obligatorische Versicherung nicht aufbringen werden können. Aber erst als die wirtschaftliche und soziale Lage des Standes nach dem Ersten Weltkrieg so schlecht war, dass resignierte Notare, Angehörige und Hinterbliebene der Armut zum Opfer fielen, kam es zur Einführung der Notarversicherung. Die Quellen zeichnen ein ambivalentes Bild der wirtschaftlichen Situation der Notare: Es lässt sich der Schluss ziehen, dass die Lage der Notare vor dem Ersten Weltkrieg generell nicht als notleidend bezeichnet werden kann. Dass es aber unzweifelhaft eine größere Gruppe von Notaren gab, die sich und ihre Angehörigen nicht ausreichend gegen die Gefahren des Todes, des Alters oder der Invalidität versichern konnte, verdeutlichen die Zahl der nicht privat versicherten Standesmitglieder und die vielen privaten Versicherungsverträge, die über geringe Summen abgeschlossen worden waren. Mit der immer stärker werdenden Geldentwertung in Folge des Ersten Weltkrieges verschlechterte sich die wirtschaftliche und soziale Lage der Notare aber erwiesenermaßen massiv. Bei den aktiven Notaren kam es in dieser Zeit nachweislich zu einem starken Rückgang der Geschäftstätigkeit. Die Renten, die auf Grundlage des NVG des Jahres 1926 ausgezahlt wurden, waren für resignierende Notare und deren Witwen als ausreichend anzusehen. Die Notare, die bereits vor 1926 resignierten, konnten mit den ihnen ausgezahlten „Drittelrenten“ ihre Lebenshaltungskosten jedoch nicht decken. Das Gleiche gilt für Witwen solcher Notare. Die „Neurenten“ der NVG-Novelle 1934 brachten dagegen eine spürbare Verbesserung der Situation. Verglichen mit dem GSVG des Jahres 1935 war das NVG in seiner Stammfassung äußerst rudimentär ausgestaltet. Schon die teilweise sehr tiefgreifenden Novellierungen der Jahre 1934 und 1937 machen deutlich, dass man einem legistischen Vorbild für andere freie Berufe nicht gerecht werden konnte. Vielmehr wurde das NVG im Jahre 1937 in vielen Punkten dem GSVG angepasst. Die Novelle des Jahres 1934 machte wiederum deutlich, dass ein reines Kapitaldeckungsverfahren als gesetzliche Pflichtversicherung, insbesondere in sich wirtschaftlich verschlechternden Zeiten, als Vorsorgeinstrument nicht haltbar war. Die vor allem in finanzieller Hinsicht bedeutsame Verbesserung des Leistungsspektrums der Versicherung wurde durch die Novelle 1934 zu großzügig bemessen, was den Gesetzgeber bereits 1937 zu einer Korrektur zwang. Diese Novelle war auch durch die sinkenden Beitragseinnahmen der Versicherungsanstalt des österreichischen Notariates seit Beginn der Dreißiger Jahre bestimmt. Die nationalsozialistische Herrschaft setzte dem österreichischen Notariat in seiner bestehenden Form und in der Folge auch dem NVG ein Ende. An die Stelle des NVG traten die deutschen Bestimmungen der Notarkasse, die zu einer deutlichen Verbesserung der sozialen Situation bei den Leistungsempfängern führten.
Abstract
(Englisch)
The distinct feature in the development of social insurance of the Austrian Notary’s Office is the fact that the Notary Insurance Act (NVG) is a self-contained set of rules for a professional association. This distinguishes the NVG from other social security laws of the late 19th and early 20th century. This should have self-evidently been a role model for the social legislation of other liberal professions, but it in fact remained the only one of its kind, standing in parallel to the Trade Social Insurance Act of 1935 (GSVG) as being actually the only one of its kind which regulated all types of social security in its original version. In contrast to the liberal professions, notaries had a relatively strong interest in social protection by the state. This insight resulted from the real life circumstances of notaries and notary candidates who were in economically difficult situations for many decades. At the same time, the partially precarious income situation prevented the realization of a suitable social security law for a long time, because it was feared that many members of the professional association would not be able to afford the premiums for a mandatory insurance. It was only when the economic and social situation of the association was so bad after the First World War when resigned notaries, family members and the bereaved fell victim to poverty that the notary insurance was launched. The sources paint a mixed picture of the economic situation of notaries: It can be concluded that the situation of notaries before the First World War in general could not be considered as suffering. However, the number of non-privately insured members of the profession, as well as the many private insurance contracts that were concluded over small sums, illustrate that there was undoubtedly a larger group of notaries who could not adequately insure themselves, as well as their family members, against the risks of death, old age or disability. With the ever worsening currency devaluation as a result of First World War, the economic and social situation of notaries evidently deteriorated significantly. Verifiable evidence shows that there was a sharp decline in the business of active notaries during this time. The pensions of the NVG that were being paid to resigned notaries and their widows in 1926 were considered adequate. However, the notaries who resigned already before 1926 were not able to cover their living expenses with “Drittelrenten” (“one-third pensions”) that were paid to them. The same applies to the widows of such notaries. Only the “Neurenten” (“new pensions”) of the NVG amendment in 1934 led to a noticeable improvement of the situation. Compared to the GSVG of 1935, the NVG was designed very rudimentarily in its original version. Even the sometimes very profound amendments of 1934 and 1937 make it clear that the NVG could not act as a role model for other professions. By 1937, the NVG was instead adapted in many respects to the GSVG. The amendment of 1934 made it clear that a statutory insurance based on a pure capital cover system was unrentable as a precautionary instrument, particularly in times of ecomonic deterioration. The improvement of the service spectrum of the insurance, especially in financial terms, had been too generous in the amendment in 1934, forcing the legislature to a correction already in 1937. This amendment was also determined by the insurance agency’s declining revenue from contributions since the beginning of the thirties. The Nazi regime put an end to Austrian notary in its form at that time and consequently also to the NVG. In place of the NVG entered the German provisions of the “Notarkasse” (“Notary Account”), which led to a marked improvement to the social situation of the beneficiaries.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Englisch)
Notary Insurance Notary Insurance Act Social Security History
Schlagwörter
(Deutsch)
Notarversicherung Notarversicherungsgesetz Sozialversicherungsgeschichte
Autor*innen
Wolfgang Gabler
Haupttitel (Deutsch)
Die Entstehung der Sozialversicherung des österreichischen Notariates
Hauptuntertitel (Deutsch)
ein Berufsstand auf dem Weg von der freiwilligen Selbstversicherung zur gesetzlichen Pflichtversicherung
Publikationsjahr
2015
Umfangsangabe
519 Seiten : Diagramme
Sprache
Deutsch
Beurteiler*innen
Gerhard Melinz ,
Christian Neschwara
Klassifikationen
15 Geschichte > 15.08 Sozialgeschichte ,
15 Geschichte > 15.09 Wirtschaftsgeschichte ,
15 Geschichte > 15.60 Schweiz, Österreich-Ungarn, Österreich ,
86 Recht > 86.09 Rechtsgeschichte
AC Nummer
AC13029878
Utheses ID
35522
Studienkennzahl
UA | 092 | 312 | |
Universität Wien, Universitätsbibliothek, 1010 Wien, Universitätsring 1