Detailansicht

Internationale Reaktionen auf die Intervention der Warschauer-Pakt-Staaten in der CSSR 1968
Maximilian Graf
Art der Arbeit
Diplomarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Betreuer*in
Arnold Suppan
Volltext herunterladen
Volltext in Browser öffnen
Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.484
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-30424.02037.211661-1
Link zu u:search
(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)

Abstracts

Abstract
(Deutsch)
In den 1960er Jahren vollzog sich im Kalten Krieg ein Wandel von einem stürmischen Beginn (Berlin-Krise, Kuba-Krise) hin zu einer Phase der Entspannung, die sich in gemeinsamen Abrüstungsbestrebungen der beiden Supermächte manifestierte. Neben der Vermeidung eines Atomkriegs hatte die veränderte Politik zwischen den Supermächten aber auch hauseigene Gründe, die USA waren in den Vietnam-Krieg verstrickt, die Sowjetunion war mit dem sino-sowjetischen Konflikt und der beginnenden Desillusionierung in Osteuropa beschäftigt. Die Nachkriegsordnung Europas war weitestgehend anerkannt und neben den beiden Supermächten verfolgten beispielsweise auch die Bundesrepublik Deutschland (BRD) und Frankreich eine eigene Entspannungspolitik mit Osteuropa, die bereits erste Früchte zeigte. Der „Prager Frühling“ In der Tschechoslowakei hatte sich die kommunistische Machtergreifung 1948 und die darauf folgende Ausrichtung der Wirtschaft nach den sowjetischen Vorgaben besonders negativ ausgewirkt. Zudem war die Entstalinisierung unter Antonín Novotný nur äußerst zögerlich und unvollständig erfolgt. Aus diesen und vielen weiteren Gründen war die Unzufriedenheit in der Bevölkerung enorm angewachsen. Anfang 1968 kam es nach vorhergehenden innenpolitischen Konflikten zur Ablösung Novotnýs als Ersten Sekretär der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei (KPC). Unter seinem Nachfolger Alexander Dubcek wurde mit den längst notwendigen Reformen begonnen und die persönlichen Freiheiten ausgeweitet. Als besonders folgenschwer erwies sich die Abschaffung der Zensur im März, die rasch eine kritische öffentliche Meinung zur Folge hatte. Es entwickelte sich eine Reformbewegung, deren Wirkungszeit als „Prager Frühling“ bekannt wurde. Es kam zu einer ohne Vergleichsbeispiel dastehenden Interaktion zwischen der herrschenden Partei und der neu entstandenen öffentlichen Meinung. Die durchaus streitbaren Entfaltungsmöglichkeiten des „Prager Frühlings“, in dem die KPC ja systemerhaltende und systemverändernde Kraft zugleich war, brachten auf alle Fälle spürbare Verbesserungen für die Bevölkerung und auf der anderen Seite eine noch nie da gewesene Unterstützung der KPC und ihrer Führung durch diese, auch wenn die geforderten Veränderungen oftmals weiter gingen als dies die politische Führung in ihren Reformvorhaben vorgesehen hatte. Die Intervention Bereits vor den einschneidenden Reformen und Personalveränderungen wurde von Leonid I. Breznev Ende März das erste Treffen der späteren Interventionsmächte (Bulgarien, DDR, Polen, UdSSR, Ungarn) mit der Führung der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik (CSSR) einberufen, auf dem vehemente Kritik an den Entwicklungen in der CSSR geübt wurde. Im Verlauf des Frühjahres 1968 zeigte sich die sowjetische Sorge um die führende Rolle der KPČ, die zunehmend gefährdet schien, immer stärker. Einen Höhepunkt der Verstimmung stellte das Treffen der späteren Interventionsmächte im Juli in Warschau dar, an welchem die tschechoslowakische Führung teilzunehmen abgelehnt hatte. Der daraufhin an die KPC-Führung übersandte Warschauer-Brief erneuerte die Kritik und stellt eine erste doch bereits sehr deutliche Vorwegnahme der Breznev-Doktrin dar. Nachdem die Prager Führung ihre Politik nicht änderte, bewegte sich die Politik der späteren Interventionsmächte immer stärker in Richtung militärisches Einschreiten. Die letzten Versuche, eine Änderung der Politik der Reformer zu erreichen, erfolgten im Zuge der Verhandlungen von Cierná nad Tisou und Bratislava. In der Nacht vom 20. auf den 21. August erfolgte die militärische Intervention in der CSSR. Die tschechoslowakische Armee leistete keinen Widerstand. Im Gegensatz zur militärischen Besetzung scheiterte die Scheinlegitimation der Intervention durch einen Putsch. Die tschechoslowakische Bevölkerung trat in zivilen Widerstand. Zu den Moskauer Verhandlungen (23. - 26. August), die nach dem gescheiterten Putsch notwendig waren, wurden auf Ersuchen von Staatspräsident Ludvík Svoboda die im Zuge der Okkupation festgenommenen Reformer hinzugezogen. Die Ergebnisse der Moskauer Verhandlungen erzwangen eine weitgehende Rücknahme der Reformen. Internationale Reaktionen auf die Intervention Nach der Intervention waren die politischen Führer der Interventionsmächte damit beschäftigt ihr Handeln daheim und in der Welt zu legitimieren und zu verteidigen. Sie bezeichneten dieses als brüderliche Hilfe nach einem Hilfeersuchen tschechoslowakischer Staats- und Parteiführer zur Rettung des Sozialismus in der CSSR, der durch die inneren Entwicklungen und Gefahr von außen gefährdet war. Andere kommunistische Staaten wie Rumänien und Jugoslawien verurteilten die Intervention in aller Schärfe als Verletzung der Souveränität der CSSR. Beide Staaten hegten die Befürchtung, dass auch sie Opfer einer Intervention werden könnten. China und Albanien verurteilten die Intervention ebenfalls scharf, jedoch waren sie auch den Entwicklungen des „Prager Frühlings“ gegenüber negativ eingestellt. Die Haltung, beide Seiten abzulehnen, war ein Resultat des sino-sowjetischen Konflikts. Die NATO-Staaten verurteilten die Intervention, mit mehr oder weniger ausgeprägter Schärfe, auf rhetorischer Ebene und reagierten großteils mit diplomatischen Konsequenzen. An weiterreichende Reaktionen wurde jedoch nicht gedacht, da die Entspannung und der beginnende Abrüstungsprozess nicht gefährdet werden sollten. Der US-Präsident Lyndon B. Johnson sagte zwar erste Verhandlungen mit Aleksej N. Kosygin ab, diese begannen jedoch 1969. Auch Frankreich und die BRD setzten ihre Entspannungsbemühungen fort. Die Reaktionen der neutralen Staaten Europas zeigten die unterschiedlichen Interpretationen von Neutralität auf. Schweden und die Schweiz verurteilten die Intervention beispielsweise in aller Schärfe. Finnland und Österreich werteten die Intervention nicht. Die zurückhaltende Reaktion Finnlands erfolgte, um die Beziehungen zur Sowjetunion nicht zu belasten und um seiner strikten Neutralitätspolitik gerecht zu werden. Österreich wollte die Sowjetunion auf keinen Fall provozieren, da sich die politische Führung nicht sicher war, ob nicht auch Österreich Gefahr drohe. Nahezu alle verbleibenden Staaten Afrikas, Asiens, Lateinamerikas und Ozeaniens verurteilten die Intervention. Kommunistisch regierte Staaten wie Nordkorea, Nordvietnam und Kuba billigten diese. Die Reaktionen der arabischen Staaten waren ambivalent.
Abstract
(Englisch)
In the context of the Cold War the politics of the superpowers, i.e. the United States of America (further U.S.A.) and the Soviet Union (further USSR), changed after the stormy beginning of the 1960’s (Berlin Crisis, Cuban Missile Crisis) and a time of détente emerged. The Non-proliferation treaty of 1968 and the upcoming disarmament talks are strong indications to the efforts of both sides. Disarmament should reduce the risk of a nuclear war, but détente was also a result of other problems of the superpowers. The U.S.A. were engaged in Vietnam, the USSR in the conflict with China. Furthermore, the beginning of disillusion in 1960’s Eastern Europe caused problems. Postwar Europe realities were largely accepted, roll-back fantasies no longer a matter of politics. Détente was not only a project of the superpowers, France and West Germany, for example, sought their own politics of détente. “Prague Spring“ After the communist takeover in Czechoslovakia in 1948 the Czechoslovak economy declined and followed in its orientation along the Soviet interests. De-Stalinization began only in the 1960’s and remained incomplete. The people of Czechoslovakia were more and more dissatisfied with the living conditions. After internal political turbulences in 1967, Alexander Dubcek was elected First Secretary of the Communist Party of Czechoslovakia (further CPCz) in January 1968. Soon after that, the party started with its efforts towards reforms by developing und concluding a reform-program (the Action Program). Censorship was abandoned and quickly a new public opinion developed often voicing demands going far beyond the intentions of the Action Program. A unique interaction between public opinion and the CPCz developed. People supported the CPCz leaders in a way they had never done in the past twenty years, not at least because the activities of the reformers improved the people's daily lives in many ways. What was so special about the development of the reform movement, which is known as “Prague Spring”, was the fact that the CPCz acted both as a system-changing and a system-preserving force. The outcome was insecure. The Intervention After the election of Dubcek the Soviet leaders showed firm support, but in late March Soviet trust began to decline, and Leonid I. Brezhnev called up the later intervening Warsaw Pact Powers Bulgaria, the German Democratic Republic (GDR), Hungary, Poland and the USSR, to meet at Dresden. At the meeting the CPCz leaders were heavily criticized for the developments in Czechoslovakia. In the sequel to the „Prague Spring” the Soviet leaders became more and more concerned about the threat for the leading role of the party. The erosion of Soviet trust culminated in the rejection of a meeting in Warsaw mid-July following the Dresden example. The result of the meeting held without the leaders of the CPCz - the Warsaw letter - was a harsh criticism of the Czechoslovak leadership and an undeniable anticipation of the Brezhnev-Doctrine. However, the reformers of the CPCz did not change their politics, not even after the meetings in Cierná nad Tisou and Bratislava. In the night of August 20-21 Czechoslovakia was occupied by Warsaw Pact troops. The Czechoslovak army did not resist the occupation but the legitimation of the intervention by a coup d’état failed. The population of Czechoslovakia was united in civil resistance and did not collaborate with the foreign soldiers. In trying to overcome the situation the Soviet leadership held talks with the Czechoslovak president Ludvík Svoboda and, on his demand, with reformers who had been kidnapped during the invasion and were being held in the USSR. The results of the Moscow-talks terminated the politics of “Prague Spring”. International Reactions to the Intervention After the intervention the political leaders and the media of the intervening powers tried to legitimate and to defend their action at home and in the world. They explained the occupation by the request of Czechoslovak leaders of party and state and talked of a danger for socialism caused by the inner developments and a foreign threat to Czechoslovakia. Other communist states like Romania and Yugoslavia condemned the intervention very severely as a flagrant violation of the sovereignty of Czechoslovakia. Both countries feared an occupation of their own territory. China and Albania condemned the intervention too, but they also disapproved of the politics of “Prague Spring”. The antipathy against both sides was a result of the escalating Sino-Soviet conflict. The NATO members condemned the intervention clearly in their rhetorical and diplomatic reactions but they did not go any further because they did not want to endanger détente and the beginning of disarmament. For example, the US-president Lyndon B. Johnson condemned the intervention and cancelled the beginning of the disarmament talks with Aleksei N. Kosygin. Nevertheless, they started in 1969. France and West Germany continued their own politics of détente, too. The reactions of the European neutrals showed the different interpretations of neutrality. Sweden and Switzerland condemned the intervention very severely. Finland and Austria abstained from a condemnation in their official comments on the events in Czechoslovakia. Finland did so with regard to the good relations to the Soviet Union and its strict policy of neutrality. Austria abstained because the political leaders were not sure if there was a danger to Austria, too, so they tried to avoid any provocation of the USSR. Nearly all of the remaining states in Africa, Asia, Latin America and Oceania condemned the intervention very severely. Exceptions were communist-ruled countries like North Korea, North Vietnam and Cuba. The reactions of the Arabic World were ambivalent.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Englisch)
Czechoslovakia intervention 1968 international reactions "Prague Spring" Brezhnev-doctrine
Schlagwörter
(Deutsch)
CSSR Intervention 1968 internationale Reaktionen "Prager Frühling" Breznev-Doktrin
Autor*innen
Maximilian Graf
Haupttitel (Deutsch)
Internationale Reaktionen auf die Intervention der Warschauer-Pakt-Staaten in der CSSR 1968
Paralleltitel (Englisch)
International reactions to the intervention of the Warsaw Pact Powers in Czechoslovakia 1968
Publikationsjahr
2008
Umfangsangabe
188 S.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Arnold Suppan
Klassifikationen
15 Geschichte > 15.38 Europäische Geschichte nach 1945 ,
15 Geschichte > 15.49 Ostmitteleuropa ,
15 Geschichte > 15.71 Osteuropa
AC Nummer
AC06689978
Utheses ID
363
Studienkennzahl
UA | 312 | | |
Universität Wien, Universitätsbibliothek, 1010 Wien, Universitätsring 1