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Der Schriftsteller-Philosoph im Exil
zum Stil von Günther Anders' Schriften anhand von ausgewählten tagebuchartigen Aufzeichnungen
Javorka Finci-Pocrnja
Art der Arbeit
Dissertation
Universität
Universität Wien
Fakultät
Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Dr.-Studium der Philosophie Deutsche Philologie
Betreuer*in
Michael Rohrwasser
DOI
10.25365/thesis.41415
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-29529.81361.383066-3
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)
Abstracts
Abstract
(Deutsch)
Kurzfassung
Das Thema dieser Arbeit war, den literarisch-philosophischen Stil des Schreibens von Günther Anders vom literaturwissenschaftlichen Standpunkt her zu untersuchen, und zwar anhand von ausgewählten Texten aus seinen Tagebüchern. Die Tagebuchaufzeichnungen haben sich als dafür geeignet erwiesen, weil Anders sie weder als reine bekenntnisliterarische Form noch als reine philosophische Reflexionen verstanden haben will. Daher galt es als Herausforderung, zu zeigen, wie sich Anders’ poetische Sprache, seine Kunst der dramatischen Darstellung, seine Metaphorik, verbunden mit seinen philosophischen Grundgedanken, ausgerechnet in dieser Form offenbaren. Außerdem lässt sich das Tagebuchschreiben als solches bzw. die häufige Verwendung von Tagebuchnotizen in vielen seiner Werke schon an sich als ein Merkmal von Anders’ Schreibstil bestimmen.
Als eine der Charakteristika von Anders’ Schreiben wird seine Beschäftigung mit dem Thema Exil genannt. Seine Exilerfahrung nennt Anders selbst entscheidend, sowohl für die meisten seiner philosophischen Einsichten und Thesen, als auch für seine schriftstellerischen Neigungen. Die Exilzeit bezeichnete er als Lehrmeisterin. Über das Schreiben im Exil äußerte er sich am prägnantesten in seinem persönlich gefärbten Essay Post festum.
Anders zählt zu den Philosophen mit ausgeprägten künstlerischen Begabungen, so dass man bei der Lektüre seiner Schriften in gleicher Weise ästhetisch und intellektuell berührt ist. Daher ist bei Anders eine Grenzziehung zwischen Philosophie und Literatur kaum möglich. In seinen philosophischen Arbeiten werden Gedichte, Fabeln und Aphorismen zu gleichberechtigten Elementen der Analyse. Er bezeichnet die Verwendung verschiedener literarischer Genres als Mittel zur Überbringung seiner gesellschaftlich-politischen Botschaften, so dass seine Figuren als Ideenträger und Sprachrohre auftreten. Neben seiner hoch ausgeprägten bildlich-metaphorischen Sprache gilt als besonders charakteristisch für Anders, dass er seine Thesen oft in Form von fiktiven Dialogen entwickelt oder dass er für ihn wichtige repräsentative Situationen als Minidramen, eindrucks- und nicht selten humorvoll, inszeniert. Anders’ häufige Berufung auf das imaginäre mythische Land Molussien, das ein reicher Fundus darstellt, aus dem er seine Metaphern, Maximen und Geschichten schöpft, wurde in der Arbeit ebenfalls dokumentiert.
Den Kern der Arbeit stellt die Analyse der Tagebuchaufzeichnung Die beweinte Zukunft. Diese zeigte sich als ein ausgezeichnetes Textbeispiel, das nochmals alle bisher angeführten Befunde in Sachen Anders’ Lieblingsstilmittel bestätigen konnte. Anders’ Rolle im Erzählverlauf ist eine dreifache. Er ist der Erzählende bzw. der Beobachtende, erscheint aber auch als persona dramatis, also als Betroffener, und drittens als er selbst, als philosophisch Denkender. Gerade vor dem Hintergrund dieses Wettbewerbs zwischen dem Philosophen und dem Literaten, der für beide stets siegreich endet und sich in einer Symbiose auflöst, entsteht eine besondere Qualität der Anderschen Texte.
Zum Schluss wurde die kurze Allegorie Der Überfall analysiert, die im Unterschied zu anderen Tagebuchaufzeichnungen von Anders, einen tief persönlichen Zustand des Autors schildert. Hier beschreibt Anders auf erschütternde Weise ein persönliches Trauma, das er als Überfall auf sein in die Zukunft strebendes Schiff in einem Atemzug darstellt.
Die Arbeit hat gezeigt, wie sich Anders mitten in seiner wissenschaftlichen Argumentation literarischer Formen und Stilmittel bedient. Damit will er nicht nur die Wissenschaftlichkeit und seine eigene Glaubwürdigkeit ironisieren, sondern vielmehr seiner Überzeugung folgen, dass der Witz und die Kunst seinen Ideen mehr Glaubwürdigkeit verleihen können als die trockene Wissenschaft.
Abstract
(Englisch)
Abstract
The aim of this dissertation is to give a theoretical and critical literary interpretation of Günther Anders’ work based on selected texts from his diaries. The diary accounts proved to be suited for this goal because Anders did not want them to be understood neither as pure confessional literature nor as pure philosophical reflection. This is why it was considered a challenge to show how Anders’ poetic language, his skill of dramatic representation, his metaphoric speech, connected with his main philosophical ideas, are revealed within this form. Moreover keeping diaries and the use of diary notes in works can be seen as a feature of his style itself.
One of the characteristics of Anders’ work is his preoccupation with the topic of exile. Anders regards his exile experience as crucial to both his philosophical thesis and his authorial inclinations. He declared his exile-life a teacher. Anders’ best statement on exile is to find in his diary account Post festum.
Anders belongs to a school of philosophers with distinct artistic talents. When reading his texts one is equally touched aesthetically and intellectually. This is why it is hardly possible to draw a border between his philosophy and his literature. In his philosophical texts poems, fables and aphorisms become equal elements of analysis. He describes the use of different literary genres as a means for giving his social-political messages, so that his characters appear as bearers and actors of ideas. Besides his metaphorical language, it is typical for Anders that he often develops his thesis in the form of fictional dialogues or that he stages representative situations that are important for him as mini-dramas, in an impressive and often humorous way. Anders’ frequent reference to the imaginary country Molussia, which is for him another rich source of metaphors and stories, is also documented.
The central part of the dissertation is the analysis of Anders’ parable Die beweinte Zukunft. This work is an excellent example of the use of all his favourite stylistic devices. Anders’ role in this work is threefold. Firstly, he is the story teller, secondly he appears as persona dramatis, and finally as himself, a philosophical commentator. This is exactly how the special quality of Anders’ writing arises – namely in a competition between philosopher and writer that ends in victory for both.
At the end there is an analysis of Anders’ short allegory Der Überfall which unlike all his other diary accounts provides a picture of the author’s deeply personal state of mind. Here Anders describes, in a very poignant way, a personal trauma which he depicts, all in one breath, as an attack on his ship sailing into the future.
This work has shown how Anders uses literary forms and stylistic devices in the middle of his scientific argumentation. Thereby he ironize the scientificity as well as his own credibility by following his conviction that wit and art can give his ideas more authenticity than simply the dry science alone.
Schlagwörter
Schlagwörter
(Englisch)
Günther Anders diary exile style stylistic devices artistically inclined philosopher philosophical writer
Schlagwörter
(Deutsch)
Günther Anders Tagebuch Exil Stil Stilmittel musischer Philosoph philosophischer Schriftsteller
Autor*innen
Javorka Finci-Pocrnja
Haupttitel (Deutsch)
Der Schriftsteller-Philosoph im Exil
Hauptuntertitel (Deutsch)
zum Stil von Günther Anders' Schriften anhand von ausgewählten tagebuchartigen Aufzeichnungen
Publikationsjahr
2015
Umfangsangabe
318 Seiten
Sprache
Deutsch
Beurteiler*innen
Michael Rohrwasser ,
Bernhard Felz
Klassifikationen
17 Sprach- und Literaturwissenschaft > 17.70 Literaturwissenschaft: Allgemeines ,
18 Einzelne Sprachen und Literaturen > 18.10 Deutsche Literatur
AC Nummer
AC13075667
Utheses ID
36654
Studienkennzahl
UA | 092 | 332 | |